An einem Morgen im Juni 2022 meldete sich ein Lobbyist per E-Mail bei einem guten Bekannten im Bundeskanzleramt. "Lieber Jörg", schrieb er an einen Vertrauten von Bundeskanzler Olaf Scholz. “Vielleicht können wir einmal telefonieren, bevor ich am 5.7. mein Gespräch mit Olaf dazu habe.” Diese Mail gibt es eigentlich gar nicht, jedenfalls behauptete das lange Zeit das Kanzleramt. Doch das war eine Lüge. Mehr in diesem Newsletter.
Außerdem: Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat eine Rekordspende in Millionenhöhe erhalten. Und: Verkehrsminister Volker Wissing will ein Flugtaxi-Start-up mit Steuergeld fördern, hinter dem internationale Großkonzerne stecken.
Unsere Themen in der Übersicht:
- Kontakt mit Großkonzern: Kanzleramt verheimlichte Lobby-Unterlagen
- Dokumente im Giftschrank
- +++ Großspenden-Ticker: Privatperson spendet 4 Mio. Euro an das Bündnis Sahra Wagenknecht | Drei hohe Zahlungen an die CDU +++
- Diese Investoren stecken hinter dem Flugtaxi-Start-up, das Verkehrsminister Wissing mit Steuergeld fördern will
- Bundeswehreinsätze verlängert: So haben die Abgeordneten abgestimmt
- Neues zu Lauterbach, Scheuer, Rheinmetall: Lesen Sie mehr von uns in den Sozialen Netzwerken
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Neue Listen: Von diesen Konzernen erhielten die Parteien Geld
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Kanzleramt verheimlichte Lobby-Unterlagen
© | Fotos picture alliance: dpa, dpa-Zentralbild, Britta Pedersen (Gabriel) | photothek, Florian Gaertner (Kukies) | SZ Photo, Jens Schicke (Scholz) |
Zu Kontakten mit einem großen Stahlkonzern gebe es keine Unterlagen, behauptet das Kanzleramt lange Zeit gegenüber abgeordnetenwatch.de. Doch das war die Unwahrheit, wie die Regierung jetzt in einem Gerichtsverfahren einräumen musste. Es geht um ein pikantes Schreiben von Stahllobbyist Sigmar Gabriel an einen engen Vertrauten von Bundeskanzler Olaf Scholz. Und es ist nicht das erste Mal, dass Informationen angeblich nicht existieren – plötzlich aber doch wieder auftauchen.
Pikante Dokumente im Giftschrank
Vor einigen Jahren gestand ein Regierungsbeamter gegenüber dem SPIEGEL, dass es in seinem Ministerium einen "Giftschrank" gebe. Dort würden Dokumente aufbewahrt, von denen man nicht wolle, dass sie an die Öffentlichkeit herausgegeben werden müssen.
Bei den Dokumenten, von denen der Beamte sprach, ging es nicht um geheime Unterlagen. Dass diese geschützt werden müssen, versteht sich von selbst. Gemeint waren vielmehr "normale" Korrespondenzen, Vermerke oder Kalendereinträge, die in den Giftschrank wandern, um sie vor der Öffentlichkeit abzuschirmen. Denn nach dem Informationsfreiheitsgesetz haben in Deutschland alle Menschen das Recht, Dokumente von staatlichen Stellen einzusehen, egal ob man eine Privatperson ist oder Journalist:in.
Und damit kommen wir zum Kanzleramt. Die Regierungszentrale hat wiederholt gegenüber abgeordnetenwatch.de behauptet, bestimmte Unterlagen bzw. Informationen würden nicht existierten, deswegen könne man auch nichts herausgeben. Doch das war die Unwahrheit, wie sich später zeigte. Man könnte auch sagen: Es war gelogen.
Dass Unterlagen zu Lobbygesprächen von der Bundesregierung wiederholt "nicht gefunden" oder sogar bewusst in einem Giftschrank versteckt werden, ist gleichermaßen skandalös.
Wir werden den ungebremsten Lobbyeinfluss im Verborgenen mit unseren Mitteln weiter aufdecken: mit Recherchen, aber auch mit Klagen. Denn dass uns das Kanzleramt Lobbyunterlagen vorenthalten hat, kam im aktuellen Fall nur deswegen ans Licht, weil wir das Kanzleramt verklagt haben.
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+++ Großspenden-Ticker: Privatperson spendet 4 Mio. Euro an das Bündnis Sahra Wagenknecht | Drei hohe Zahlungen an die CDU +++
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat die bislang höchste Spende einer Privatperson an eine Partei erhalten. Thomas Spanger aus Mecklenburg-Vorpommern ließ dem BSW Mitte März 4.090.000 Euro zukommen. Bereits im Januar hatte Spanger der Partei 990.000 Euro gespendet. Der BSW-Unterstützer ist nach eigenen Angaben in der Hightech-Branche zu Wohlstand gekommen.
Neue Großspenden hat außerdem die CDU erhalten:
- Der Unternehmer und Fressnapf-Gründer Torsten Toeller spendete der Partei am vergangenen Mittwoch 50.000 Euro.
- Von der Deutschen Vermögensberatung AG erhielten die Christdemokraten vergangene Woche 100.000 Euro. Dabei handelte es sich um die zweite DVAG-Großspende innerhalb kurzer Zeit: Im Februar hatte der Konzern schon einmal 100.000 Euro an die CDU gespendet.
- Der Unternehmer Stephan Schambach, Gründer eines Software-Dienstleisters, ließ der CDU im März 300.000 Euro zukommen.
Petition "Privatspenden deckeln, Lobbyspenden an Parteien verbieten": Hier zeichnen.
Diese Investoren stecken hinter dem Flugtaxi-Start-up, das Verkehrsminister Wissing mit Steuergeld fördern will
© | picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Bebeto Matthews |
Verkehrsminister Volker Wissing will zusammen mit dem Freistaat Bayern 150 Mio. Euro in das Flugtaxi-Unternehmen Volocopter stecken – trotz Warnungen und strengen Sparmaßnahmen im Ministerium. Ein Blick ins Handelsregister zeigt, dass milliardenschwere Großkonzerne in das Start-up aus Bruchsal investiert haben – u.a. ein Unternehmen von Saudi Arabiens Kronprinz Mohammed Bin Salman.
Fragen an Ihre Abgeordneten im Bundestag? Diese können Sie hier bei abgeordnetenwatch.de stellen.
Bundeswehreinsätze verlängert: So haben die Abgeordneten abgestimmt
Der Bundestag hat die laufenden Bundeswehreinsätze im Mittelmeer und im Südsudan um ein weiteres Jahr verlängert. Die NATO-geführte Operation im Mittelmeer hat die Bekämpfung von Terrorismus und die Verhinderung von Waffenschmuggel zum Ziel. Im Südsudan geht es unter der Führung der Vereinten Nationen um die Unterstützung des Friedensprozesses. Wie die einzelnen Abgeordneten abgestimmt haben, erfahren Sie hier:
Weitere namentliche Abstimmungen aus der laufenden Legislaturperiode haben wir hier dokumentiert.
Neues zu Lauterbach, Scheuer, Rheinmetall: Lesen Sie mehr von uns in den Sozialen Netzwerken
Neben unserer Website liefern wir auch in den Sozialen Netzwerken Hintergründe zu aktuellen Themen. Dort ergänzen wir außerdem die Berichterstattung anderer Medien durch eigene Informationen. Hier aktuelle Beispiele:
- Verdacht auf Vetternwirtschaft: Der Bundesrechnungshof hat dem Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach vorgeworfen, eine millionenschwere Corona-Impfkampagne unrechtmäßig vergeben zu haben – an eine Werbeagentur, die für die SPD tätig ist. Den Vorgang erklären wir ausführlich und verständlich hier auf Twitter/X. (Weitere Informationen gibt es u.a. auch beim ZDF.)
- Die Firmen des Andreas Scheuer: Was es mit zwei Unternehmen auf sich hat, die der Ex-Minister Anfang des Jahres gegründet hat, zeigen wir hier auf Bluesky. Am Ostermontag gab Scheuer überraschend sein Bundestagsmandat auf. (Informationen zu Scheuers beruflicher Neuorientierung hat u.a. auch n-tv.)
- Der direkte Draht von Rheinmetall: Die engen Verbindungen der Rüstungslobby in den Bundestag und zur Bundesregierung erläutern wir hier bei Mastodon. Aktueller Anlass ist, dass die Mitarbeiterin eines FDP-Abgeordneten gerade als Lobbyistin zu Rheinmetall gewechselt ist.
- Das angebliche Brezel-Verbot – und was Minister Cem Özdemir auf abgeordnetenwatch.de dazu sagt: Das haben wir hier bei Instagram aufbereitet (siehe dazu auch die Rubrik "Fragen und Antworten des Monats" weiter unten im Newsletter).
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Fragen und Antworten des Monats
- Gender-Verbot | Eine Bürgerin fragt den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU): "Inwiefern haben Sie bei ihrer Entscheidung, das Gendern zu verbieten, Schüler:innen mit einbezogen? Wenn die Schule ein offener Raum für Diskurs sein soll, schränkt ein Verbot nicht gerade das ein?" Eine Antwort von Söder liegt noch nicht vor. Hier können Sie sich per Mail benachrichtigen lassen, sobald diese eintrifft (auf "folgen" klicken und Mailadresse eingeben).
- Brezel-Verbot? | "Hallo Herr Özdemir, auf Facebook schreibt [der CDU-Abgeordnete] Klaus Mack, dass Sie die Brezel verbieten wollen. Ist das korrekt?" will ein Bürger von dem Grünen-Minister wissen. Cem Özdemir antwortet: "Wenn sich der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft für ein entsprechendes Verbot einsetzen würde, müsste ich höchstpersönlich ein ernstes Wort mit ihm sprechen ;-)." Eine solche Behauptung gehe zurück auf Falschmeldungen, er wolle Werbung für Brezeln verbieten. Geplant sei jedoch nur ein Verbot von jener Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz, die sich an Kinder richte. "Sie können also beruhigt Ihre Brezel essen, natürlich auch mit Salz. Übrigens: Wenn Salz, dann am besten Jodsalz!"
- Werbe-Verbot | "Haben Sie im Zusammenhang mit einer Bundestagswahl Spenden von der Südzucker AG entgegengenommen?" fragt eine Bürgerin die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl. Hintergrund der Frage ist ein Medienbericht, wonach die Politikerin ihre Meinung zum geplanten Verbot von Werbung für besonders zuckerhaltige Produkte, die sich an Kinder richtet, geändert habe. Im Wahlkreis von Hagl-Kehl betreibt die Südzucker AG eine der größten Zuckerfabriken Deutschlands. Die SPD-Politikerin schreibt in ihrer Antwort, sie nehme “persönlich keinerlei Spenden an”. Im übrigen habe sie ihre Meinung zum “Kinderlebensmittelwerbegesetz” nie verändert.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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