Der kurze Draht von Lobbyakteuren ins Kanzleramt, ein neuer Fall von nachgemeldeten Nebentätigkeiten – und abgeordnetenwatch.de im TV: Diese und andere Themen lesen Sie im folgenden Newsletter.
Die Übersicht:
- Lobbykontakte: Der kurze Draht ins Kanzleramt
- Merkels Handynummer
- ZDF, SPIEGEL, Monitor: So machen wir auf Missstände aufmerksam
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen an CDU, FDP und Grüne +++
- FDP-Abgeordneter meldete zehntausende Euro nach
- Wahltag in Sachsen-Anhalt: Diese Tools geben Ihnen eine letzte Wahlhilfe
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Zahlreiche Abgeordnete verbargen Lobbyjobs
Lobbykontakte: Der kurze Draht ins Kanzleramt
© | picture alliance/dpa | Rainer Jensen |
Bei Bundeskanzlerin Angela Merkel sind nur wenige Gespräche unter vier Augen mit Lobbyist:innen bekannt. Interne Unterlagen zeigen, warum: Die Kanzlerin wird oftmals von ihrem Beratungsstab abgeschirmt – selbst internationale Großkonzerne wie Facebook scheitern seit Jahren damit, einen Termin zu erhalten. Mehr Erfolg haben Lobbyakteure, die den inoffiziellen "Dienstweg" wählen.
Merkels Handynummer
© | Thomas Ulrich / Pixabay |
Im September 2019 ging im Bundeskanzleramt eine Lobbymail ein, die ungewöhnlich war – denn sie begann mit einem Bedauern: Leider habe es bei der zuvor verschickten Nachricht "auf die Mobil-Nr. von Frau Bundeskanzlerin" einen Fehler bei der Anrede gegeben.
Das Malheur mit der Anrede war Karl-Theodor zu Guttenberg unterlaufen, früher Bundesverteidigungsminister, heute Lobbyist und Geschäftsmann mit einem kurzen Draht in die Regierungszentrale. Wenn Guttenberg für ein Unternehmen einen Kontakt zur Kanzlerin herstellen will, schickt er seiner früheren Chefin kurzerhand eine Nachricht aufs Mobiltelefon. So jedenfalls war es in diesem Fall, wo er für das Skandalunternehmen Augustus Intelligence einen Kontakt zu Merkel vermittelte (diese Firma kennen Sie womöglich aus der Amthor-Affäre).
Dass Lobbyisten wie Karl-Theodor zu Guttenberg im Verborgenen schalten und walten können, kommt in aller Regel nur durch Recherchen von uns und anderen ans Licht. Transparenzverpflichtungen gibt es keine – und Union und SPD haben mit ihrem kürzlich beschlossenen Lobbyregister dafür gesorgt, dass das so bleibt. Auch in Zukunft müssen Lobbyakteure nicht offenlegen, mit welchen Politiker:innen sie in Kontakt stehen, um politische Entscheidungen im eigenen Interesse zu beeinflussen.
Weil die Große Koalition keine Transparenz bei den Lobbykontakten will, müssen wir Transparenz mit unseren Mitteln herstellen – mit Recherchen. Machen Sie weitere Recherchen möglich und werden Sie jetzt Förder:in von abgeordnetenwatch.de. So bilden Sie gemeinsam mit uns ein unverzichtbares Gegengewicht zu geheimem Lobbyismus. Unterstützen können Sie uns schon ab 5 Euro im Monat, Ihre Förderbeiträge sind übrigens steuerlich absetzbar.
ZDF, SPIEGEL, Monitor: So machen wir auf Missstände aufmerksam
© | Screenshot: abgeordnetenwatch.de |
Ein Teil unserer Arbeit besteht darin, öffentliches Bewusstsein für Missstände in der Politik zu schaffen. Das Ziel: Handlungsdruck auf Politiker:innen zu erzeugen, damit sie diese Missstände abstellen. In den vergangenen Tagen haben wir Millionen Menschen aufmerksam machen können. Einige Beispiele:
Die ZDF-Dokumentation "Missbrauch der Macht: Wie anfällig ist unsere Politik?" thematisierte unsere Recherchen zu den teils horrenden Nebenverdiensten von Abgeordneten und den Transparenzschlupflöchern. Unsere Kollegin Clara Helming erklärt das in der Doku an einem Beispiel: "Es gibt Abgeordnete, die verdienen als Berater 15.000 Euro im Monat von einem 'Mandant 1'. Doch wir erfahren nicht, wer sich dahinter verbirgt." ZDF-Mediathek: "Missbrauch der Macht: Wie anfällig ist unsere Politik?" (Video, 30 Minuten)
Das ARD-Politmagazin Monitor hat vergangene Woche unsere Recherche zu nicht gemeldeten Lobbyjobs aufgegriffen: "Viele Abgeordnete meldeten ihre Tätigkeiten für Lobbyorganisationen erst, als sie von abgeordnetenwatch.de danach gefragt wurden." In dem Beitrag kritisiert unsere Kollegin Léa Briand: "Viele Abgeordnete gehen lasch mit den Transparenzregeln um, weil sie nichts zu befürchten haben." ARD-Mediathek: "Maskendeals und Nebeneinkünfte: Was bleibt vom Transparenzversprechen?" (Video, 6 Minuten)
Im Interview mit dem SPIEGEL haben wir erläutert, warum die Pflichtverstöße durch Abgeordnete System haben – und welche Gegenmaßnahmen erforderlich sind. SPIEGEL.de: "Das ist kein 'Fall Baerbock', das hat System" (€)
In der ZDF heute-show ging es um unsere Kritik daran, dass Abgeordnete sich am Ende selbst kontrollieren – und von einer unabhängigen Prüfkommission nichts wissen wollen. Auch unsere erfolgreiche Klage gegen den Bundestag kam zu Sprache. Damit hatten wir Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble dazu gebracht, die Anzahl seiner internen Ermahnungen von Abgeordneten mitzuteilen. Youtube (Video: 11:25 Minuten)
Durch Recherchen, Klagen und öffentliche Aktionen haben wir in den letzten Jahren viel erreicht. Beispiele haben wir auf unserer Erfolge-Seite zusammengetragen.
+++ Großspenden-Ticker: Über 500.000 Euro für CDU, FDP und Grüne +++
© | Pixabay |
CDU, FDP und Grüne haben in den vergangenen Tagen mehrere Großspenden von wohlhabenden Privatpersonen und aus der Wirtschaft erhalten.
Bei der CDU gingen 100.000 Euro vom Lobbyverband der chemischen Industrie ein, der unter anderem die Interessen von BASF und Bayer vertritt. Eine weitere Spende über 100.000 Euro kam von dem Unternehmer Thomas Frank Maximilian Toporowicz. Der CDU-Großspender wird im Handelsregister als Geschäftsführer der Werbeagentur DDAS und der Vermögensverwaltungsgesellschaft TopTrust GmbH geführt.
Die FDP meldete 100.000 Euro von dem Unternehmer Tobias Hagenmeyer. Dieser entstammt der Unternehmerfamilie Hagenmeyer (vormals Getrag) und ist als Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft THI Holdings GmbH tätig. Eine Spende in Höhe von 200.000 Euro bekam die FDP von dem Unternehmer Stephan Schambach. Der Gründer der Intershop Communications AG gilt als einer der Vorreiter in Sachen Internethandel.
Auf das Konto der Grünen wurden 60.000 Euro von dem Unternehmer Frank Hansen überwiesen. Hansen ist Mitgesellschafter des väterlichen Betriebs für Kunststoffverpackungen sowie Zustifter der Bewegungsstiftung.
Seit Jahresbeginn sind 19 meldepflichtige Großspenden von mehr als 50.000 Euro eingegangen. Davon stammten 16 von Privatpersonen, zwei Spenden kamen von Interessenverbänden bzw. Unternehmen. Von Großspenden profitierten bislang folgende Parteien:
- Grüne: insgesamt 1,6 Mio. Euro
- FDP: insgesamt 1,15 Mio. Euro
- CDU: insgesamt 750.000 Euro
Eine Großspende muss unverzüglich auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden, wenn sie über 50.000 Euro liegt. Zahlungen unterhalb dieser Schwelle werden erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich – Spenden aus dem laufenden Superwahljahr höchst wahrscheinlich also erst 2022.
Nach dem Willen von SPD, Grünen und Linkspartei sollen hohe Parteispenden künftig sehr viel früher veröffentlicht werden. Doch eine Verschärfung der Transparenzregeln ist zuletzt gescheitert: CDU und CSU lehnen einen entsprechenden Gesetzentwurf ihres Koalitionspartners SPD ab.
FDP-Abgeordneter meldete zehntausende Euro nach
Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de hat ein weiterer Bundestagsabgeordneter seine Nebeneinkünfte nicht fristgerecht veröffentlicht. Der FDP-Politiker Thomas Hacker hatte in den Jahren 2019 und 2020 Beratungshonorare von mindestens 26.500 Euro erhalten, die aber erst Ende April 2021 auf seiner Bundestagsseite erschienen. Abgeordnete müssen ihre Bruttoeinkünfte innerhalb von drei Monaten nach Eingang melden.
Nachdem wir Hackers Nachmeldung in einem Artikel öffentlich gemacht hatten, griff die Lokalzeitung aus dem Wahlkreis des FDP-Abgeordneten den Vorgang auf und stieß auf weitere lange Zeit nicht gemeldete Einkünfte. So hatte Hacker nach Angaben des Nordbayerischen Kuriers mindestens 45.000 Euro, die er zwischen 2018 und 2020 als Stadtrat von Bayreuth erhalten hatte, ebenfalls erst vor kurzem transparent gemacht.
In den vergangenen Wochen waren verspätet gemeldete Nebeneinkünfte durch mehrere Abgeordnete öffentlich geworden, unter anderem bei der Grünen-Abgeordneten Annalena Baerbock und Karl Lauterbach von der SPD.
Recherchen von abgeordnetenwatch.de hatten außerdem gezeigt, dass zahlreiche Abgeordnete ihre Tätigkeiten für Lobbyorganisationen nicht beim Bundestagspräsidenten gemeldet hatten. Dies betraf vor allem Politiker:innen von CDU und CSU, aber auch FDP, Grüne und SPD. Mehr: Zahlreiche Abgeordnete verstießen gegen Transparenzvorschriften
Spürbare Konsequenzen haben diese Verstöße gegen die Transparenzvorschriften meist keine. Deswegen fordern wir eine unabhängige Kommission, die den Pflichtverstößen nachgeht und diese mit abschreckenden Sanktionen belegt.
Wahltag in Sachsen-Anhalt: Diese Tools geben Ihnen eine letzte Wahlhilfe
Sind Sie noch unschlüssig, wem Sie bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am heutigen Sonntag Ihre Stimme geben wollen? Wir haben drei Wahlhilfen für den allerletzten Moment:
- Mit unserem Kandidierenden-Check finden Sie heraus, welche Kandidierenden in Ihrem Wahlkreis ähnlich wie Sie denken. Dafür müssen Sie nichts weiter tun, als Ihre Postleitzahl einzugeben und 20 politische Thesen zu beantworten. Zum Kandidierenden-Check
- Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert der Wahl-o-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Nach der Beantwortung von 38 Thesen erfahren Sie, mit welcher Partei Sie inhaltlich die meisten Übereinstimmungen haben. Zum Wahl-o-Mat
- Schauen Sie auch gerne nochmal in unserem Wahlportal für Sachsen-Anhalt vorbei. Dort lässt sich sehen, ob und wie die Kandidierenden auf Fragen aus der Bevölkerung geantwortet haben. Zum Frage- und Antwortportal auf abgeordnetenwatch.de
Bitte gehen Sie zur Wahl – nur so können Sie dazu beitragen, dass transparente, kompetente und bürgernahe Politiker:innen ins Parlament gewählt werden! Die Wahllokale sind bis um 18 Uhr geöffnet.
Fragen und Antworten des Monats
- Nebeneinkünfte | "Sehr geehrter Herr Blume," schreibt ein Bürger an den CSU-Generalsekretär Markus Blume, "warum fordern Sie jetzt lautstark in der BILD von den Grünen die Nebeneinkünfte offenzulegen? War es nicht Ihre Partei, die den Antrag der Grünen nach Offenlegung der Nebeneinkünfte kategorisch abgelehnt hat?" Mit Bezug auf die Maskenaffäre fügt der Fragesteller noch hinzu: "Wenn man die letzten Monate betrachtet, weiß man sicher warum." Eine Antwort von Blume steht noch aus.
- Tiertransporte | Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter zeigt sich in einer Antwort empört über "unerträgliche" Tiertransporte. "Ich sehe in Tieren Mitgeschöpfe, welche ich nicht essen möchte und die hierfür auch nicht tausende kilometerweit transportiert werden sollten. Für mich ganz persönlich ist der Verzicht auf Fleischkonsum mein persönlicher Beitrag für eine nachhaltigere Gesellschaft." Ein gesetzliches Verbot von Tiertransporten werde er "mit absoluter Überzeugung unterstützen".
- Rauchen | Gefragt nach seinem Engagement gegen das Rauchen beschreibt der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding ganz plastisch, was seine persönlichen Leitlinien sind: "Wenn es Reiche und Arme gibt, stehe ich auf der Seite der Armen. Wenn es Gesunde und Kranke gibt, stehe ich auf Seiten der Kranken. Wenn es Starke und Schwache gibt, kümmere ich mich um die Schwachen. Wenn nun aber ein Reicher krank ist, kümmere ich mich um den Reichen. Wenn jemand süchtig ist stehe ich an seiner Seite, ohne die Sucht zu unterstützen, ihre Ursachen aber zu bekämpfen. Wenn jemand seine egoistischen Privatinteressen auf Kosten der Gemeinschaft verfolgt, stehe ich auf der Seite der Gemeinschaft. Wenn jemand seine egoistischen Gewinninteressen auf Kosten Einzelner oder Gruppen verfolgt, stehe ich auf Seiten der Übervorteilten. Sie erkennen schnell, warum Ihre Beobachtung richtig ist."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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