bei einem Flug in der Regierungsmaschine, so schilderte es einmal ein Unternehmer, böte sich eigentlich immer die Gelegenheit, der Bundeskanzlerin oder Minister:innen persönlich "zu erzählen, wo gerade der Schuh drückt". Welche Lobbyakteure durften Angela Merkel und andere Kabinettsmitglieder in den vergangenen Jahren ins Ausland begleiten? Wir haben die Passagierliste ausgewertet. Mehr dazu im folgenden Newsletter.
Unsere Themen:
- Lobbyismus über den Wolken
- Bundestagsdokumente unter Verschluss
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Zahlung an die FDP +++
- Betäubungslose Ferkelkastration: Wie das Landwirtschaftsministerium der Agrar-Lobby nachgab
- Corona-Abstimmung: So votierten Ihre Abgeordneten
- Fragen und Antworten des Monats
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Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Regierungsmitglieder zu einem Staatsbesuch aufbrechen, befinden sich in ihrem Schlepptau nicht selten zahlreiche Lobbyist:innen. Eine Liste der Delegationsmitglieder, die wir zusammen mit dem Nachrichtenportal t-online ausgewertet haben, zeigt nun, welche Unternehmen von Merkel und den Minister:innen im Regierungsflieger mitgenommen wurden. An Bord waren unter anderem die Chefs von Siemens, Daimler und Volkswagen oder der Fleischunternehmer Clemens Tönnies. Für sie dienen die Reisen nicht nur dazu, lukrative Auslandsgeschäfte abzuschließen, sondern auch zum diskreten Austausch mit Merkel oder den Minister:innen. Im Gegensatz zu einem Lobbytermin im Kanzleramt oder den Bundesministerien, existieren zu den Gesprächen über den Wolken keine schriftlichen Aufzeichnungen.
Lobbyismus über den Wolken: Diese Wirtschaftsbosse reisten mit der Bundesregierung ins Ausland
Bundestagsdokumente unter Verschluss
Ohne Recherchen von abgeordnetenwatch.de und anderen kämen viele dubiose Parteispenden und Vorgänge nicht ans Licht. Was aber passiert nach diesen Enthüllungen? Bei Verstößen gegen das Parteiengesetz ist die Bundestagsverwaltung zuständig. Doch geht sie den Vorwürfen entschieden nach, so, wie man es von einer Prüfbehörde erwarten würde?
Vor gut eineinhalb Jahren haben wir Prüfunterlagen der Parlamentsverwaltung angefordert, die eine Antwort auf diese Frage liefern könnten. Nun aber hat die Verwaltung unseren Antrag abgelehnt, wieder einmal. Es geht um Dokumente zu einer Reihe fragwürdiger Vorgänge:
- die Annahme illegaler Parteispenden aus Aserbaidschan durch die CDU (sie blieb straffrei),
- Parteispenden des Waffenherstellers Heckler & Koch an CDU und FDP zur Zeit der schwarz-gelben Koalition,
- die Vermarktung hochrangiger Politiker:innen von SPD und CDU an zahlungskräftige Unternehmen (die als „Rent-a-Sozi"- bzw. "Rent a Rüttgers"-Affäre" Schlagzeilen machte),
- den sogenannten „Goldverkauf“ der AfD,
- die existenzbedrohende Strafzahlung gegen die Satirepartei Die Partei, die nachträglich von drei Gerichten für rechtswidrig erklärt wurde.
Dass die Parlamentsverwaltung die Prüfdokumente unter Verschluss hält, kommt nicht ganz überraschend. Sie beruft sich auf ein Gerichtsurteil, das sie in einem mehr als vier Jahre langem Rechtsstreit gegen abgeordnetenwatch.de durchgesetzt hatte. Im Juni entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass der Bundestag keine Unterlagen zur Parteienfinanzierung herausgeben muss – weder an abgeordnetenwatch.de noch an Bürger:innen oder Medien. Die Folge: Die Öffentlichkeit kann und wird nicht erfahren, ob und wie die Bundestagsverwaltung dubiosen Parteispenden und anderen Vorgängen nachgeht.
Gegen dieses fatale Urteil haben wir vor kurzem Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Denn wenn selbst Journalist:innen keine Einsicht in die Prüftätigkeit einer Behörde wie der Bundestagsverwaltung bekommen, wird die öffentliche Kontrolle ausgehebelt.
Die Prüfung von dubiosen Parteispenden darf nicht in einer Dunkelkammer stattfinden! Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit – unsere Recherchen, Transparenzklagen und öffentliche Aktionen. Werden Sie Förder:in von abgeordnetenwatch.de. Dies geht schon ab 5 Euro pro Monat und Ihre Förderung ist von der Steuer absetzbar.
+++ Großspenden-Ticker: Hohe Zahlung an die FDP +++
Erstmals seit Jahresbeginn hat die FDP eine meldepflichtige Großspende erhalten. Am 18. November ging bei der Partei eine Zahlung über 51.000 Euro von dem Unternehmer Harald Christ ein. Christ führt unter anderem eine Beratungsagentur und ist geschäftsführender Gesellschafter einer Beteiligungsgesellschaft. Vergangenes Jahr machte sein Austritt aus der SPD Schlagzeilen, für die er lange Zeit als Mittelstandsbeauftragter des Parteivorstandes tätig war. Christ schloss sich der FDP an, deren Bundesschatzmeister er seit kurzem ist.
Eine Parteispende muss unverzüglich auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden, wenn diese über 50.000 Euro liegt. Zahlungen unterhalb dieser Schwelle werden erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich.
Eigentlich sollte die betäubungslose Kastration von Ferkeln seit Anfang 2019 verboten sein. Doch die umstrittene Praxis wird bis heute angewandt – ganz legal. Interne Unterlagen, die das Bundeslandwirtschaftsministerium an abgeordnetenwatch.de herausgeben musste, belegen nun erstmals, wie sich Ministerien und Behörden für die Interessen der Agrarwirtschaft einsetzten. Ein Paradebeispiel für einseitigen Lobbyismus.
Betäubungslose Ferkelkastration: Wie das Landwirtschaftsministerium der Agrar-Lobby nachgab
Mit großer Mehrheit hat der Bundestag eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. In das Gesetz aufgenommen wurden unter anderem Abstandsgebote, Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen, Bestimmungen zur Maskenpflicht, Reisebeschränkungen und der Anspruch für Versicherte sowie nicht Versicherte auf Testungen und Impfungen.
Fragen und Antworten des Monats
- Corona-Test | Eine alleinerziehende Mutter schildert dem SPD-Landtagsabgeordneten Markus Stein ihre verzweifelte Lage: Vom Gesundheitsamt habe sie die Auskunft bekommen, sich ungeachtet ihrer Symptome zu einem Corona-Test einzufinden – doch sie verfüge über kein Auto, um verantwortlich zum Amt zu gelangen. Der Abgeordnete verspricht in seiner Antwort Unterstützung: "Diese Situation ist absolut unzufriedenstellend. Ich werde mal sehen, was ich erreichen kann und hake bei den Verantwortlichen für die Nummer 116117 und dem örtlichen Gesundheitsamt nach. Wenn Sie nicht adäquat zum Testverfahren kommen, muss der Test irgendwie zu Ihnen, soviel ist klar!" Einen Tag später ergänzt der SPD-Politiker in einer weiteren Antwort, er habe inzwischen von der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz zugesichert bekommen, das Anliegen der Bürgerin zu prüfen.
- Abgeordneten-Pensionen | Ein Bürger konfrontiert den Bundestagsabgeordneten Markus Kurth (Grüne) mit dessen Zwischenruf in einer Bundestagsdebatte. Kurth habe auf die Feststellung eines Linken-Abgeordneten, Parlamentarier:innen hätten nach zwei Wahlperioden "einen deutlich höheren Versorgungsanspruch als Arbeitnehmer, die 45 Jahre zum Durchschnittslohn gearbeitet haben", mit den Worten "Zu Recht!" reagiert. "Mich würde interessieren, wie Sie zu dieser Aussage kommen?", so der Fragesteller. "Wieso ist es gerechtfertigt, dass Abgeordnete einen höheren Pensionsanspruch haben als Normalbürgerinnen und Normalbürger?" Kurths Antwort steht noch aus.
- Langhaarige | Mit einem eher ungewöhnlichen Anliegen wendet sich ein Fragesteller an die Linken-Parteichefin Katja Kipping: "Werden Sie als Abgeordneter etwas gegen die Diskriminierung von Langhaarigen tun, zum Beispiel durch eine Langhaarigen- und Barttragenden-Mindest-Quote in Medien und Werbung?" Denn stets würden glattrasierte und kurzhaarige Männer gezeigt, dies schaffe eine gesellschaftlich verlangte Norm. Kipping antwortet, ihre Fraktion setze sich gegen alle Formen von Diskriminierung ein, allerdings sei systematische Diskriminierung "aber durchaus etwas anderes als Normierung und Anpassungsdruck". Mit einem Augenzwinkern merkt Kipping an: "Wir sind die Fraktion mit dem höchsten Anteil langhaariger Männer, der mit mehr als 15 Prozent auch deutlich über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegt."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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