Ein pikantes Lobbyschreiben aus Bayern an die Bundesregierung, eine Rekordspende an die Grünen und ein Lobbyverband, der den Parteien den Geldhahn zudreht: Das sind drei der Themen in diesem Newsletter.
Die Übersicht:
- Fragwürdige Lobby-Schützenhilfe aus Bayern
- Autolobby bestellt, Bundesregierung liefert
- Bundesweiter Volksentscheid über Lobbyregister – wir brauchen Sie
- Vom Kanzleramt zu Facebook: Wenn Büroleiter:innen die Seiten wechseln
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen an Grüne und CDU / Lobbyverband dreht Parteien den Geldhahn zu
- Wahlen in BaWü & RLP: Das sind Ihre Kandidierenden – und dafür stehen sie
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Interne Mail – Wie das Verkehrsministerium die Maut-Aufklärung erschweren wollte
Um hohe Strafzahlungen der EU abzuwenden, hat der LKW-Hersteller MAN intensive Lobbyarbeit bei der Bundesregierung betrieben. Recherchen von abgeordnetenwatch.de zeigen nun, dass der Konzern dabei Schützenhilfe aus der bayerischen Landesregierung erhielt: Der Wirtschaftsminister persönlich setzte sich bei der Bundesregierung für die Interessen von MAN ein. Wenig später trat die Bundesregierung in Brüssel auf die Bremse – wie von dem Unternehmen gewünscht.
Lobbyerfolg bei CO2-Grenzwerten: Bayerische Landesregierung und MAN schwächten EU-Strafzahlungen ab
Autolobby bestellt, Bundesregierung liefert
© | Thomas Ulrich / Pixabay |
Vor einiger Zeit versuchte das Bundeskanzleramt, ein brisantes Lobbyschreiben vor abgeordnetenwatch.de unter Verschluss zu halten – und schreckte dabei auch vor einer Lüge nicht zurück. Das Dokument sei leider nicht auffindbar, behauptete die Regierungszentrale damals auf unsere Anfrage. Das aber stimmte nicht.
Was das Kanzleramt verbergen wollte, war ein Schreiben, in dem sich die bayerische Staatskanzlei des damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) zum Anwalt der Autoindustrie machte, und das mit Erfolg: Wenig später setzte die Bundesregierung auf EU-Ebene weitgehend das durch, was die Lobbyallianz aus Autoindustrie und bayerischer Staatsregierung zuvor gefordert hatte.
Nun sind wir auf einen ähnlichen Fall gestoßen (s.o.). Erneut bekam ein Fahrzeughersteller bei seiner Lobbyarbeit gegenüber dem Kanzleramt Schützenhilfe aus der bayerischen Landesregierung. Erneut lieferte die Bundesregierung wenig später in Brüssel.
Die beiden Fälle zeigen, dass Lobbyeinfluss auf politische Entscheidungen oftmals nur dann sichtbar wird, wenn wir oder andere ihn aufdecken. Deswegen möchten wir Sie bitten: Unterstützen Sie uns dabei, verborgenen Lobbyismus an die Öffentlichkeit zu bringen – nur öffentlicher Druck wird zu strengeren Lobbyregeln führen!
Fördern können Sie uns bereits ab 5 Euro im Monat, ihr Förderbeitrag ist steuerlich absetzbar.
Bundesweiter Volksentscheid über Lobbyregister - wir brauchen Sie
© | abstimmung21 |
Seit Monaten streiten Union und SPD über die Einführung eines Lobbyregisters – inzwischen ist auch ein Scheitern nicht mehr ausgeschlossen.
Wir wollen das Lobbyregister zu einem wichtigen Wahlkampfthema machen. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung.
Am 26. September, dem Wahltag, organisiert die Initiative Abstimmung 21 die erste bundesweite Volksabstimmung in Deutschland. Landesweit können die Menschen dann über vier Themen abstimmen: Klimawende 1,5 Grad, die Einführung bundesweiter Volksentscheide sowie zwei weitere Themen, die über Petitionsplattformen ermittelt werden.
Helfen Sie mit, dass das Thema "Lobbyregister" eines dieser Themen wird und im September auf dem Abstimmungszettel steht. Zeichnen Sie dafür unsere Petition "Schluss mit geheimem Lobbyismus! Lobbyregister jetzt!" (Weiterleitung auf Change.org)
Informationen zur Initiative Abstimmung 21 finden Sie hier.
Vom Kanzleramt zu Facebook: Wenn Büroleiter:innen die Seiten wechseln
© | Papiertrümmer / Flickr / CC BY 2.0 |
Dass die neue Facebook-Lobbyistin ausgerechnet aus dem Bundeskanzleramt kommt, hat in der vergangenen Woche für Aufsehen gesorgt (wir berichteten). Denn Julia Reuss, die für Facebook den Austausch zu politischen Entscheidungsträger:innen organisieren soll, arbeitete bislang ausgerechnet als Büroleiterin von Digital-Staatsministerin Dorothee Bär. Reuss ist außerdem die Lebenspartnerin von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der auch für digitale Infrastruktur zuständig ist.
Dass Konzerne und Lobbyverbände Vertraute von einflussreichen Politiker:innen anwerben, ist nach unseren Recherchen kein Einzelfall. So nahm unter anderem die Investmentwirtschaft den Büroleiter eines CDU-Finanzexperten unter Vertrag, auch die Transport- sowie die Digitallobby rekrutierten enge Mitarbeiter:innen von Abgeordneten.
Seitenwechsel: Lobbyverbände rekrutieren Büroleiter:innen von Abgeordneten (Archiv)
+++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen an Grüne und CDU / Lobbyverband dreht Parteien den Geldhahn zu
Die Grünen haben die höchste Einzelspende ihrer Geschichte erhalten. Anfang der Woche ging bei der Partei eine Überweisung in Höhe von 500.000 Euro ein. Die Spende stammt von dem Berliner Antonis Schwarz, einem Erben des Pharmaunternehmens Schwarz Pharma, das die Gründerfamilie 2006 verkauft hatte. Der Deutsch-Grieche gründete 2014 in Griechenland das von abgeordnetenwatch.de inspirierte Frageportal Vouliwatch.
Auch die CDU erhielt eine hohe Spende. Der Unternehmer Arend Oetker überwies der Partei Anfang Februar 100.000 Euro. Einige Tage zuvor hatte die CDU bereits dieselbe Summe von der Geschäftsfrau Barbara Braun-Lüdicke erhalten, die unter anderem im Aufsichtsrat des Pharmakonzerns B. Braun sitzt.
Keine finanzielle Unterstützung können Parteien in Zukunft vom Lobbyverband Südwestmetall erwarten. Der Interessenverband hatte in den vergangenen Jahren mehrere Millionen Euro an CDU, SPD, FDP und Grüne überwiesen und will seine Zahlungen nun einstellen. Angesichts der finanziellen Situation vieler Mitgliedsunternehmen in der Corona-Krise seien Parteispenden "nicht mehr zu vermitteln".
2019 hatte bereits der Autokonzern Daimler einen Parteispenden-Stopp beschlossen. Dies hatte damals bei einigen Politiker:innen Empörung ausgelöst. So nannte etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß die Daimler-Abkehr von Parteispenden „verantwortungslos, Demokratie gefährdend, dumm“.
Wahlen in BaWü & RLP: Das sind Ihre Kandidierenden – und dafür stehen sie
© | abgeordnetenwatch.de |
Wer kandidiert zur Landtagswahl in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in Ihrem Wahlkreis? Über unser Wahlportal finden Sie dies ganz leicht heraus – die Eingabe Ihrer Postleitzahl genügt. Dort können Sie Ihre Kandidierenden beispielsweise dazu befragen, wie diese zu Themen stehen, die für Sie wahlentscheidend sind. Und Sie können nachlesen, was die Kandidierenden auf die Fragen anderer Menschen Ihres Wahlkreises geantwortet haben.
Zu Ihren Kandidierenden in Baden-Württemberg
Zu Ihren Direktkandidierenden in Rheinland-Pfalz
Kommenden Dienstag startet außerdem unser großer Kandidierenden-Check. Mit diesem können Sie spielerisch herauszufinden, mit welchen Kandidierenden Sie die meisten Übereinstimmungen zu 19 wichtigen Themen haben.
Fragen und Antworten des Monats
- Corona-Feiertage | Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Kapschak hält den Vorschlag eines Bürgers, "nach Bewältigung der Corona-Pandemie einfach für ganz Deutschland eine Woche Feiertag auszurufen", für durchaus diskussionswürdig. Grundsätzlich habe er Sympathien für den Ansatz, schreibt Kapschak in seiner Antwort. "Allerdings erwähnen Sie richtigerweise schon, dass es hierzu sicherlich Gegenwind von Arbeitgeberseite geben würde. Das muss nicht zwangsläufig ein Hinderungsgrund sein." Aus Kapschaks Sicht wären die positiven psychologischen Aspekte nicht von der Hand zu weisen – "insbesondere da wir in der Pandemiebekämpfung derzeit sehr viel mit möglichen Strafen und weniger mit positiven Anreizen arbeiten".
- Lindner-Aussagen | Ein Fragesteller konfrontiert FDP-Chef Christian Lindner mit dessen widersprüchlichen Aussagen zum Thema Grundrechte in der Corona-Pandemie: "Sie wünschen zunächst keine Sonderrechte für Geimpfte, um eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu vermeiden, aber drei Monate später möchten Sie Freiheitsbeschränkungen für Geimpfte möglichst schnell aufheben? Bitte erklären Sie mir den Widerspruch." Lindner antwortet, er behalte es sich als Politiker vor, seinen Standpunkt zu ändern, "wenn mich andere Argumente mehr überzeugen" - und erläutert ausführlich die Gedankengänge, die zu seiner Meinungsänderung führten.
- Corona-Frisuren | Wie schaffen es Personen des öffentlichen Lebens, immer frisch frisiert zu sein – wo doch die Friseursalons seit Dezember geschlossen sind? Das fragt sich ein Bürger in einem Schreiben an CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Ziemiak antwortet: "Wie Sie bei meinen öffentlichen Auftritten sehen können, besuche ich keinen professionellen Friseur. Für andere Personen des öffentlichen Lebens kann ich leider keine stellvertretende Auskunft geben."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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