Dieser Tage muss sich Finanzminister Christian Lindner öffentlich mit einer ungewohnten Materie auseinandersetzen: seinen privaten Finanzen. Es geht um dienstliche und private Kontakte des Ministers zu einer Karlsruher Bank, für die sich derzeit die Staatsanwaltschaft interessiert. Und es geht um Unterlagen, die das Finanzministerium seit Monaten vor abgeordnetenwatch.de zurückhält. Mehr dazu in diesem Newsletter. Außerdem: Am Silvestertag ist eine der höchsten Parteispenden der Geschichte eingegangen. Und: Bundeskanzler Olaf Scholz hat Angaben zu seiner Beteiligung an der taz löschen müssen.
Unsere Themen:
- Christian Lindner, die BBBank und ein Immobilienkredit
- Dokumente im Giftschrank
- +++ Großspenden-Ticker: Millionen-Spende am Silvestertag +++
- Kanzler Scholz muss Eintrag zu taz-Beteiligung entfernen
- Diskrete Lobbytreffen | Zweckentfremdung von Corona-Hilfen | Lobbyerfahrungen eines Ex-Abgeordneten: Aus unseren Sozialen Netzwerken
- Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus: Jetzt Kandidierende befragen
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten angeklickter Link im letzten Newsletter: Gabriel, Tauber, Kahrs und Co.: Die diskreten Lobbyjobs der Ex-Abgeordneten
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Christian Lindner, die BBBank und ein Immobilienkredit
Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft derzeit Ermittlungen gegen Finanzminister Christian Lindner. Anlass ist ein Grußwort des Ministers für eine Bank, die seinen Hauskauf finanziert. Dokumente, die Aufschluss über den Austausch zwischen Lindner und der Bank geben könnten, hält das Finanzministerium gegenüber abgeordnetenwatch.de seit Monaten zurück – eine Mail verschwieg es sogar.
Lindners dienstliche Kontakte zu dem Geldhaus sind auch deswegen problematisch, weil er in der Vergangenheit Geld von der BBBank erhalten hat. Allein in den Jahren 2017 und 2019 bekam Lindner laut seiner Bundestagsseite für Vorträge bei der Bank ("Exklusive Abende") insgesamt zwischen 35.000 und 73.000 Euro. Mehr:
Finanzministerium verschwieg Kommunikation zwischen Bank und Christian Lindner
(Lesen Sie außerdem: Antrag abgelehnt – Lindners SMS mit Porsche-Chef Blume bleiben unter Verschluss)
Dokumente im Giftschrank
Diese Woche enthüllte der Investigativreporter Hans-Martin Tillack, dass Bundesministerien heikle Unterlagen systematisch vor Einsichtnahme abschotten. Demnach werden Dokumente oftmals nicht zu den offiziellen Akten genommen. Das hat zur Folge, dass Auskunftsanträge von Journalist:innen und anderen Interessierten ins Leere laufen.
Im Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) existiert sogar eine schriftliche Anleitung: Ausgerechnet Schriftstücke mit hoher politischer Brisanz sollen als "nicht aktenrelevant" eingestuft werden, so der Welt-Journalist. Mit anderen Worten: Was im Justizministerium für "brisant" gehalten wird, landet im Giftschrank. Auch Dokumente zu Lobbykontakten könnten in diese Kategorie fallen.
Vor einigen Jahren hatte ein Beamter eines Ministeriums gegenüber dem SPIEGEL zugegeben, dass Dokumente bewusst ausgesiebt würden, wenn ein Auskunftsantrag von Journalist:innen eingeht. "Es gab immer einen Giftschrank im Ministerium, aber der ist mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) größer geworden", berichtete der Beamte. Einige Kolleg:innen würden brisante Vorgänge gar nicht mehr verakten. Niemand wolle Ärger bekommen, weil eine heikle Unterlage herausgegeben wird.
Dieses systematische Verstecken von Dokumenten könnte erklären, warum auch abgeordnetenwatch.de von Bundesministerien regelmäßig die Antwort erhält: "Zu Ihrem Antrag liegen im Ministerium keine amtlichen Aufzeichnungen vor." Das war zuletzt bei unserem Antrag zu den Lobbyaktivitäten von Sigmar Gabriel der Fall. Der Ex-Vizekanzler und langjährige SPD-Vorsitzende ist seit 2022 als Aufsichtsratschef beim Stahlkonzern Thyssen Krupp Steel tätig. Nach unseren Recherchen führte er in den Monaten nach Amtsantritt mindestens sechs Gespräche mit hohen Stellen im Kanzleramt. Einmal traf er sich im Kanzleramt sogar mit Olaf Scholz (SPD) – Thema der Unterredung: die Stahlindustrie. Doch zu keinem von Gabriels Lobbygesprächen will das Kanzleramt in den offiziellen Akten etwas gefunden haben.
Dass Unterlagen zu Lobbygesprächen von der Bundesregierung entweder versteckt oder gar nicht erst angefertigt werden, ist gleichermaßen skandalös. Noch schlimmer wird es dadurch, dass Kontakte mit Lobbyist:innen überhaupt erst durch Recherchen von abgeordnetenwatch.de und anderen oder durch Anfragen der Opposition ans Licht kommen. Gegen eine gesetzliche Offenlegungspflicht für Lobbykontakte wehrt sich die Ampelregierung beharrlich.
Wir werden den ungebremsten Lobbyeinfluss im Verborgenen mit unseren Mitteln bekämpfen: Wir werden unsere Kampagnenarbeit für die Einführung von strengen Lobby-Gesetzen unermüdlich fortsetzen. Und wir werden mit Recherchen neue Fälle öffentlich machen, bei denen Konzerne und Interessengruppen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen wollen.
Lobbyeinfluss im Verborgenen gefährdet die Akzeptanz unserer Demokratie. Mit einer Spende für abgeordnetenwatch.de können Sie ein wirksames Zeichen für Transparenz und gegen geheimen Lobbyismus setzen. Ihre Spende ist steuerlich absetzbar.
+++ Großspenden-Ticker: Millionen-Spende am Silvestertag +++
Kurz vor dem Jahreswechsel sind mehrere Großspenden bei Parteien eingegangen.
Die höchste Zuwendung erhielt die Partei "Team Todenhöfer" von ihrem Gründer Jürgen Todenhöfer. Laut Veröffentlichung auf der Bundestagsseite überwies Todenhöfer am letzten Tag des Jahres den Betrag von 1.751.132 Euro. "Team Todenhöfer" war unter anderem zur Bundestagswahl 2021 angetreten und hatte 0,5 Prozent der Stimmen erreicht. Parteichef Todenhöfer hatte von 1972 bis 1990 für die CDU im Bundestag gesessen.
Weitere Spenden in einem Gesamtwert von mehr als einer halben Million Euro schüttete der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie aus. Davon erhielt die CSU 350.000 Euro, jeweils 50.001 Euro gingen an SPD, FDP und Grüne.
Im Jahr 2022 haben die Parteien insgesamt mehr als 3,5 Mio. Euro an Großspenden erhalten. Diese verteilen sich wie folgt:
- Team Todenhöfer: 1.751.132 Euro
- CDU: 570.000 Euro
- CSU: 350.000 Euro
- DKP: 350.000 Euro
- Grüne: 340.000 Euro
- FDP, SPD, Grüne, Volt: jeweils 50.000 Euro
(Hier auf Mastodon und Twitter erläutern wir, warum Medien bei den Großspenden nicht frühzeitig eine Jahresbilanz ziehen sollten, wie es alljährlich geschieht.)
Kanzler Scholz muss Eintrag zu taz-Beteiligung entfernen
© | picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber |
Hält Olaf Scholz beträchtliche Anteile an der taz-Genossenschaft? Diesen Eindruck erweckte der SPD-Politiker auf seiner Bundestagsseite. Nach mehreren Anfragen von abgeordnetenwatch.de verschwand der Eintrag kürzlich. Warum?
Diskrete Lobbytreffen | Zweckentfremdung von Corona-Hilfen | Lobbyerfahrungen eines Ex-Abgeordneten: Aus unseren Sozialen Netzwerken
Neben unserer Website liefern wir auch bei Twitter, Mastodon, Instagram und Facebook Hintergründe zu unseren Recherchen und zu aktuellen Themen. Hier aktuelle Beispiele:
- Diskrete Lobbytreffen: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Willsch hat etliche Lobbytreffen in einem diskreten Club eingefädelt. Die als "Info Lunch" getarnten Lobbyevents in der "Parlamentarischen Gesellschaft" direkt neben dem Bundestag ließ sich die Wirtschaft in den vergangenen Jahren womöglich hunderttausende Euro für Bewirtung und Raummiete kosten, berichtet das Portal The Pioneer. Hier haben wir zusammengefasst, wie die Masche funktionierte (Mastodon / Twitter). Die Pioneer-Recherche finden Sie hier (€).
- Zweckentfremdung von Corona-Hilfen: Das Verteidigungsministerium hat 154 Millionen Euro zweckentfremdet. Das Ministerium verwendete Geld aus dem Corona-Konjunkturpaket nicht wie vorgesehen für vorgezogene Investitionen, sondern zahlte damit Mieten, Pachten und die Bewachung von Liegenschaften. Herausgekommen ist das durch einen Bericht des Bundesrechnungshofes. Hier fassen wir die Vorwürfe der Prüfbehörde zusammen: Twitter / Mastodon. Den kompletten Rechnungshofbericht können Sie hier nachlesen (pdf).
- Lobbyerfahrungen eines Ex-Abgeordneten: In einem ausführlichen Interview mit dem Hessischen Rundfunk hat der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow geschildert, wie er während seiner Zeit im Parlament Lobbyismus erlebt hat – zum Beispiel in Form von Essenseinladungen oder Karten für ein WM-Spiel. Hier fassen wir einige von Bülows interessanten Aussagen zusammen: Twitter / Mastodon. Das Interview können Sie hier bei HR Info nachhören.
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Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus: Jetzt Kandidierende befragen
© | abgeordnetenwatch.de |
Wer sind die Kandidierenden für das Berliner Abgeordnetenhaus und welche Positionen vertreten sie? Seit dieser Woche können Sie sich auf unserem Frage- und Informationsportal zur Wahl am 12. Februar über alle Wahlbewerber:innen informieren. Außerdem finden Sie dort die Wahlprogramme der Parteien sowie Informationen zum Wahlrecht. Die Wiederholungswahl war wegen gravierender Mängel bei der Durchführung der ursprünglichen Wahl im September 2021 notwendig geworden.
Fragen und Antworten des Monats
- SPD / Krieg: Ein Bürger konfrontiert den SPD-Verteidigungspolitiker Michael Roth mit einem vermeintlichen Widerspruch in seiner Partei zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine: "Sie sehen Deutschland nicht als Kriegspartei. Der designierte Verteidigungsminister Pistorius hingegen sieht eine deutsche Kriegsbeteiligung, wenn auch eine indirekte. Können Sie den Widerspruch aufklären?" Roth beantwortet die Frage nicht direkt. Waffenlieferungen an die Ukraine, so der Abgeordnete, machten Deutschland nicht zur Kriegspartei – "das ist die geltende Rechtsauffassung der gesamten Bundesregierung, die ich ausdrücklich teile."
- Regionalverkehr / 1. Klasse: Warum gibt es im Regionalverkehr noch eine 1. Klasse, fragt ein Bürger Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). In seiner Antwort schreibt der Politiker, eine Abschaffung der 1. Klasse im Nah- und Regionalverkehr biete nur wenig Potential für mehr Beförderungskapazität. Der Wegfall wäre aber verbunden mit dem Nachteil, dass gerade für viele Vielfahrer die Bahn weniger attraktiv würde. "Ferner besteht in sehr vollen Zügen immer die Möglichkeit, mit der ausdrücklichen Zustimmung des Zugbegleitpersonals freie Plätze in der ersten Wagenklasse einzunehmen."
- Elon Musk / Twitter: "Wird jetzt allgemein im Bundestag angeregt, aus Twitter auszusteigen, seit bekanntermaßen ein Alleinherrscher dort das Sagen hat?" will eine Bürgerin von der Grünen-Abgeordneten Tabea Rößner wissen. In ihrer Antwort schreibt die Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, sie sehe die Übernahme von Twitter durch Elon Musk sehr kritisch. Twitter laufe Gefahr, als Plattform für die unternehmerischen Interessen des neuen Eigentümers zu dienen. Es sei aber nicht möglich, vorzuschreiben, welche Plattform Politiker:innen nutzen. "Letztlich wollen Politikerinnen und Politiker Reichweite erzielen, und diese bekommt man nur, wenn man dort unterwegs ist, wo viele andere Menschen auch unterwegs sind." Man könne aber dafür werben, andere Plattformen zu nutzen. Sie selbst sei seit längerer Zeit auch den Kommunikationsdienst Mastodon aktiv.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin (Wahl) | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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