Haben Sie schon einmal von sogenannten "Funktionszulagen" gehört? Das sind weithin unbekannte und umstrittene Bonuszahlungen, die zahlreiche Abgeordnete über ihre Fraktionen erhalten. Nun liegen neue Zahlen vor – es geht um mehrere Millionen Euro allein für das Jahr 2019. Außerdem in diesem Newsletter: Wie ein 500 Millionen-Euro-Forschungsprojekt ausgerechnet in die Heimat der Bundesforschungsministerin kam.
Unsere Themen:
- Fraktionen zahlten Abgeordneten 4,5 Millionen Euro an fragwürdigen Boni
- Guttenberg-Firma lobbyierte für Wirecard auch bei deutschem Botschafter in Peking
- Immer wieder Guttenberg
- Wie eine Millionen-Förderung in die Heimat von Forschungsministerin Anja Karliczek kam
- Lobbyregister-Pläne der GroKo: Etikettenschwindel statt voller Transparenz
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Freiwillige Transparenzoffensive - Abgeordnete stellen Steuerbescheid und Lobbytreffen ins Netz
Was viele nicht wissen: Zahlreiche Abgeordnete erhalten neben ihren Diäten noch großzügige Extra-Zahlungen für ihre Fraktionsposten. Vergangenes Jahr beliefen sich die Boni auf insgesamt 4,5 Millionen Euro, wie aus den Bilanzen der Bundestagsfraktionen hervorgeht. Die Zulagen sind allerdings rechtlich fragwürdig und in den meisten Fällen verfassungswidrig. Eine abgeordnetenwatch.de-Umfrage zeigt nun, dass sich die meisten Fraktionen großzügig über Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts hinweg setzen. Juristisch zu befürchten haben sie allerdings nichts: Gegen die unrechtmäßige Verwendung der Mittel müssten die Fraktionen selbst vorgehen.
Fraktionen zahlten Abgeordneten 4,5 Millionen Euro an fragwürdigen Boni
Guttenberg-Firma lobbyierte für Wirecard auch bei deutschem Botschafter in Peking
Der Name Karl-Theodor zu Guttenberg fiel in den vergangenen Wochen häufiger, wenn es um Lobbyaffären ging. Nun zeigen Recherchen von abgeordnetenwatch.de: Guttenbergs Firma betrieb für das Skandalunternehmen Wirecard Lobbyarbeit beim deutschen Botschafter in Peking. Das geht aus internen Unterlagen der Botschaft hervor, die uns das Auswärtige Amt herausgeben musste. Guttenbergs Unternehmen Spitzberg Partners fädelte für zwei Wirecard-Manager unter anderem Treffen und Telefonate mit deutschen Diplomaten ein. Die Botschaft wandte sich schließlich an die Behörden in Peking, um Wirecard beim Markteintritt in China zu unterstützen.
Guttenberg-Firma lobbyierte für Wirecard auch bei deutschem Botschafter in Peking
Über unsere Recherche berichtete auch der SPIEGEL.
Immer wieder Guttenberg
© | picture alliance / dpa | Tobias Hase |
Immer wieder Guttenberg. Erst im August hatten wir aufgedeckt, dass der frühere Verteidigungsminister für eine US-Investmentbank einen Kontakt zur Bundesregierung vermittelte. Dann enthüllten wir ein Lobbytreffen zwischen Guttenberg und Bundeskanzlerin Angela Merkel, das die Bundesregierung gegenüber dem Bundestag geheim hielt. Und nun der neuste Fall: Eine Firma Guttenbergs ging beim deutschen Botschafter in Peking für den Skandalkonzern Wirecard Klinken putzen.
Dass Lobbyisten wie Karl-Theodor zu Guttenberg im Verborgenen schalten und walten, kommt in aller Regel nur durch Recherchen ans Licht. Diese Recherchen sind ungemein wichtig: Sie erzeugen einen Handlungsdruck, dem sich unsere Abgeordneten irgendwann nicht mehr entziehen können. Bestes Beispiel dafür ist die Amthor-Affäre, deren Enthüllung durch Journalist:innen dazu geführt hat, dass die GroKo um die Einführung eines Lobbyregisters nicht mehr herumgekommen ist.
Lobbydienstleistern wie Guttenberg ist es natürlich ein Dorn im Auge, wenn abgeordnetenwatch.de und andere offenlegen, was eigentlich vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll. Machen Sie weitere Recherchen möglich und werden Sie jetzt Förder:in von abgeordnetenwatch.de. So bilden Sie gemeinsam mit uns ein unverzichtbares Gegengewicht zu geheimem Lobbyismus! Unterstützen können Sie uns schon ab 5 Euro im Monat, Ihre Förderbeiträge sind übrigens steuerlich absetzbar.
Das Bundesforschungsministerium vergab im vergangenen Jahr eine 500 Millionen-Euro-Förderung für ein Batterieforschungszentrum nach Münster – ausgerechnet in den Nachbarwahlkreis von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Interne Unterlagen, die wir erstmals veröffentlichen, belegen ein fragwürdiges Vergabeverfahren mit fehlenden Akten, veränderten Entscheidungskriterien und einer Bevorzugung des Standortes Münster. Die dubiose Mittelvergabe hat nun sogar den Bundesrechnungshof auf den Plan gerufen.
Wie eine Millionen-Förderung in die Heimat von Forschungsministerin Anja Karliczek kam
"Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Lobbyregisters" steht über dem Gesetzentwurf, den Union und SPD kürzlich in den Bundestag eingebracht haben. Doch das Vorhaben ist bei genauerem Hinsehen ein Etikettenschwindel. Mit wem sich Lobbyakteure treffen, bleibt weiterhin geheim. Ebenso wie die Gesetze, auf die Unternehmen, Verbände und Organisationen Einfluss nehmen wollen. Durch den Druck von abgeordnetenwatch.de und anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen hat die GroKo ihren Entwurf zumindest an einer Stelle nachgebessert: Ihr Lobbyregister soll jetzt nicht mehr nur für den Bundestag, sondern auch für die Bundesregierung gelten. Mehr zu den Lücken im Gesetzentwurf:
Lobbyregister-Pläne der GroKo - Etikettenschwindel statt volle Transparenz
Fragen und Antworten des Monats
- Frauke Petry | Frage eines Bürgers an die Bundestagsabgeordnete Frauke Petry (parteilos): "In der Zeit vom 04.03 - 17.06.2020 haben Sie an keiner Abstimmung im deutschen Bundestag teilgenommen. Ihre letzte Frage bei abgeordnetenwatch.de haben Sie am 04.11.2019 beantwortet. Laut dieser Webseite sind Sie auch kein Mitglied eines Ausschusses. Worin sehen Sie Ihre Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete und wie rechtfertigen Sie eine Vergütung i.H. von ca. 10.000€ mtl. gegenüber einem einfachen Arbeitnehmer?" - Eine Antwort Petrys gibt es bislang nicht.
- Moria | Was er denn dafür tue, "dass die unerträgliche Situation der an den Außengrenzen der EU festgesetzten Flüchtenden kurz-, mittel- und langfristig gelöst wird", wollte ein Fragesteller von dem CDU-Europaabgeordneten Markus Pieper wissen. Öffentlich antworten will Pieper darauf nicht: "Aus Gründen des Datenschutzes und der Vertraulichkeit ziehe ich es jedoch vor, in persönlichen Kontakt mit Ihnen zu treten. Ich möchte Sie daher bitten, sich direkt an mich zu wenden und mir Ihre Kontaktdaten zukommen zu lassen."
- Thomas Oppermann | Vermischte der SPD-Abgeordnete Thomas Oppermann sein Bundestagsmandat mit seiner Nebentätigkeit im DFB-Ethikrat, indem er beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ein Gutachten zur Gehaltsobergrenze von Fußballprofis in Auftrag gab? Dies wollte kürzlich ein Fragesteller von Oppermann wissen (wir berichteten). Nun hat der Bundestagsvizepräsident geantwortet: Er halte die Begrenzung von Spielergehältern, Ablösesummen und Beraterhonoraren "auch als Abgeordneter des Deutschen Bundestags für ein wichtiges politisches Thema". Derartigen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, liege auch im Interesse der Steuerzahler:innen. "Daher habe ich den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags um eine Einschätzung gebeten, mit welchen rechtlich zulässigen Mitteln die Gehälter begrenzt werden können."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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