jahrelang wollte der Bundestag vor uns geheim halten, wie häufig Abgeordnete ihre Nebentätigkeiten nicht korrekt offenlegten. Doch nun musste die Parlamentsverwaltung die Unterlagen herausgeben. Die Zahlen sind desaströs – und stützen eine lang gehegte Vermutung.
Die Themen in der Übersicht:
- Abgeordnete verstießen hundertfach gegen Transparenzvorschriften – ohne Konsequenzen
- Freundliche Grüße vom Bundestagspräsidenten
- Gerhard Schröder: Lobbyismus auf Kosten der Steuerzahler:innen
- Bundeswehreinsatz, Schuldenbremse, Haushalt: So stimmten die Abgeordneten im Bundestag
- Neuer Recherche- und Kampagnenbereich auf abgeordnetenwatch.de
- Freie Stellen: Wir suchen Verstärkung im Campaigning und in der Entwicklung
- Fragen und Antworten des Monats
Abgeordnete verstießen hundertfach gegen Transparenzvorschriften - ohne Konsequenzen
Verspätet gemeldete Bonuszahlungen, verborgene Lobbyjobs: Abgeordnete im Bundestag haben in den vergangenen Jahren hundertfach gegen die Transparenzpflichten verstoßen. Das zeigen interne Zahlen, die der Bundestag nach einer Klage von abgeordnetenwatch.de nun herausgeben musste.
Die Unterlagen stützen eine lang gehegte Vermutung: Weil Abgeordnete keine spürbaren Konsequenzen zu befürchten haben, nimmt die Zahl der Pflichtverstöße seit Jahren stark zu. In der vergangenen Legislaturperiode vervierfachten sich die Fallzahlen. Besonders eklatant ist der Fall eines CSU-Abgeordneten: Rund zwei dutzend Mal konnte er ohne Einschreiten des Bundestagspräsidenten gegen die Transparenzvorschriften verstoßen.
Mehr:
Abgeordnete verstießen hundertfach gegen Transparenzvorschriften – ohne Konsequenzen
Freundliche Grüße vom Bundestagspräsidenten
© | Foto: Gregor Fischer | CC BY 2.0 |
Am Ende ist es eigentlich auch egal, ob man einen Lobbyjob oder eine üppige Bonuszahlung offenlegt oder nicht. Das jedenfalls ist die Erfahrung, die die Abgeordneten des Bundestags in den vergangenen Jahren machen konnten. Spürbare Konsequenzen hatten Verstöße gegen die Transparenzvorschriften fast nie.
Eine Sanktion gab es seit Einführung der Offenlegungspflicht im Jahr 2005 überhaupt erst einmal. 20.000 Euro musste die inzwischen verstorbene CDU-Politikerin Karin Strenz zahlen, weil sie Einkünfte aus einem Lobbyjob geheim gehalten hatte. 2017 machte abgeordnetenwatch.de den Fall publik.
Doch statt abschreckender Strafen läuft es in den meisten Fällen so: Wer seine Nebentätigkeiten oder einen Zusatzverdienst nicht korrekt offenlegt, erhält vom Bundestagspräsidenten erst mal einen freundlichen Hinweis, man möge sich künftig doch bitte an die Transparenzpflichten halten. Mehr als 450 Mal hat es bislang eine solche Erinnerung an die Einhaltung der Verhaltensregeln gegeben. Das geht aus den Unterlagen des Bundestags hervor, die wir in einem jahrelangen Rechtsstreit herausklagen mussten.
Abgeordnete werden die Transparenzpflichten erst dann ernst nehmen, wenn es nicht bei freundlichen Hinweisen bleibt. Deswegen drängen wir seit Jahren darauf, dass dem Präsidenten bzw. der Präsidentin des Bundestags die Zuständigkeit über die Prüfung der Nebentätigkeiten entzogen wird. Was es braucht, ist ein unabhängiges Gremium, das Verstößen konsequent nachgeht und auf abschreckende Sanktionen drängt.
Dabei möchten wir Sie um Ihre Unterstützung bitten. Ohne Druck von Außen werden Abgeordnete auch weiterhin ihre Lobbyjobs und Nebeneinkünfte nicht korrekt offenlegen. Durch eine regelmäßige Förderung ermöglichen Sie weitere Recherchen, Klagen und Kampagnenarbeit für eine transparente und saubere Politik. Fördern können Sie uns bereits ab 5 Euro im Monat, Ihre Beiträge sind steuerlich absetzbar.
Gerhard Schröder: Lobbyismus auf Kosten der Steuerzahler:innen
© | picture alliance/photothek | Thomas Trutschel |
Der Name Gerhard Schröder fällt gerade häufiger. Vergangene Woche zum Beispiel sorgte eine Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage für Schlagzeilen. Danach hatte Schröder für sein Altkanzler-Büro im letzten Jahr 407.000 Euro aus der Staatskasse erhalten – ungeachtet mehrerer Lobbyjobs in der russischen Energiewirtschaft und bei einem deutschen Versicherungsmakler.
Neu war das üppige Schröder-Budget allerdings nicht: Bereits im Dezember hatten wir zusammen mit der ZEIT erstmals darüber berichtet. Und mehr noch: Nach unseren Recherchen spannte Schröder seine aus Steuermitteln bezahlten Mitarbeiter:innen auch für die Organisation von Lobbyterminen ein.
Lesen Sie hier noch einmal unsere Schröder-Recherche; den ZEIT-Artikel (€) finden Sie hier.
Bundeswehreinsatz, Schuldenbremse, Haushalt: So stimmten die Abgeordneten im Bundestag
© | Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde |
Der Bundestag hat kürzlich über mehrere wichtige Themen abgestimmt. Mit großer Mehrheit beschlossen die Abgeordneten eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Irak. Angenommen wurde außerdem eine Ausnahme von der sogenannten "Schuldenbremse" aufgrund der Corona-Pandemie sowie ein weiterer Nachtragshaushalt. Letzteres ist höchst umstritten: Die Ampelkoalition will nicht genutzte Kredite für die Corona-Krise in Höhe von 60 Milliarden Euro in einen Sonderfonds für Klimaschutz und Transformation übertragen. Die CDU/CSU-Fraktion hält das für verfassungswidrig und erwägt eine Beschwerde in Karlsruhe.
Wie die 736 Abgeordneten gestimmt haben, können Sie bei uns nachschauen:
Weitere namentliche Abstimmungen seit der Bundestagswahl finden Sie hier auf unserer Abstimmungsseite.
Neuer Recherche- und Kampagnenbereich auf abgeordnetenwatch.de
© | abgeordnetenwatch.de |
Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen: Auf unserer Website hat sich in dieser Woche einiges getan. Um unsere Recherchen und unsere Kampagnenarbeit stärker hervorzuheben und auch optisch klarer voneinander abzusetzen, haben wir auf abgeordnetenwatch.de zwei neue Bereiche geschaffen:
Unter dem Menüpunkt "Recherchen" finden Sie von nun an alle exklusiven Recherchen, übersichtlich gegliedert nach den Themen Lobbyismus, Parteispenden, Nebentätigkeiten, Korruption und Informationsfreiheit.
Unter dem neuen Menüpunkt "Kampagnen" haben wir unsere Arbeit für strenge Transparenz- und Anti-Korruptionsgesetze zusammen mit den Petitionen gebündelt.
Im neuen "Blog" von abgeordnetenwatch.de berichten wir künftig über uns als Transparenzinitiative; das können beispielsweise Auskunftsklagen oder technische Neuentwicklungen auf der Plattform sein. Schauen Sie gerne mal vorbei.
Freie Stellen: Wir suchen Verstärkung im Campaigning und in der Web-Entwicklung
Interesse an einer spannenden und sinnstiftenden Tätigkeit in einem sympathischen Team? Wir suchen Verstärkung in den Bereichen Campaigning und Web-Entwicklung und haben folgende Vollzeit-Stellen ausgeschrieben:
- Mitarbeiter:in Campaigning (Büro Berlin)
- Fullstack Web-Entwickler:in (Büro Berlin)
Darüber hinaus suchen wir eine Werkstudent:in für die vorbereitende Buchhaltung in unserem Hamburger Büro (10 Stunden/Woche):
- Werkstudent:in für die vorbereitende Buchhaltung (Büro Hamburg)
Wir wertschätzen Vielfalt und begrüßen alle Bewerbungen – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer und sozialer Herkunft, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter sowie sexueller Orientierung und Identität.
Fragen und Antworten des Monats
- AfD | Im Januar hatte der damalige AfD-Chef Jörg Meuthen seinen Parteiaustritt bekannt gegeben und dies mit "totalitären Anklängen" in der Partei begründet. Ein Bürger will von dem nun parteilosen Europaabgeordneten wissen: "Herr Meuthen, was meinen Sie, sollte man jetzt anstatt der AfD wählen?" Eine Antwort von Meuthen liegt noch nicht vor – Sie können diese hier abonnieren.
- Impfstoffe | Frage eines Bürgers an Gregor Gysi (Linke): "Können Sie sich in diejenigen hineinversetzen, die auf einen Totimpfstoff warten (meist verimpft in der Welt) und bis dahin massivem psychischen Druck ausgesetzt sind? Was tun Sie für diese Menschen?" Antwort des Linken-Politikers: "Im Unterschied zu Ihnen bin ich kein Virologe und kann deshalb die Wirkung des Impfstoffes so nicht einschätzen." Auf jeden Fall sei er aber gegen eine Impfpflicht, insofern stimme er mit dem Fragesteller überein, so Gysi.
- Politiker:in | "Klar kannst Du es schaffen, Politiker zu werden", schreibt der Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic dem 14-jährigen Marlon, der sich in seiner Frage als schüchtern beschreibt. Der SPD-Politiker erzählt in seiner Antwort, dass er selbst kein Wort Deutsch sprach, als er im Alter von 15 Jahren nach Deutschland kam. "Als Ausländer, der erst Deutsch lernen musste, habe ich dann einen Hauptschulabschluss geschafft und danach eine Ausbildung gemacht." Er hoffe, dass er von Marlon irgendwann mal als Politiker lesen werde.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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