Wenn der unscheinbar wirkende Verein "Die Familienunternehmer e.V." zu seiner Jahrestagung einlädt, kommen der Bundeskanzler, der Finanzminister und der Wirtschaftsminister. Recherchen von abgeordnetenwatch.de und ZEIT ONLINE geben nun Einblick in das Vorgehen des mächtigen Vereins, der sich intern damit brüstet, "meinungsbildend" auf Parteien eingewirkt zu haben.
Außerdem in diesem Newsletter: Wie die Mail eines US-Rüstungskonzerns ungewollt zu strengeren Regeln im Bundestag führte.
Die Übersicht:
- Dr. Oetker, Henkel und Co.: Die Lobbymacht der "Familienunternehmer"
- Wie die "Familienunternehmer" Politik und Öffentlichkeit beeinflussen
- Mail von US-Rüstungskonzern führt ungewollt zu strengeren Regeln im Bundestag
- Bundeswehreinsätze und AKW-Laufzeiten: So stimmten die Abgeordneten
- Transparenzverweigerung von Wissing und Lindner | "Rechtstreue" Minister:innen | Wahlrecht-Ärger: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
- Bremen-Wahl: Stellen Sie jetzt Fragen an Ihre Kandidierenden
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: 100.000 Euro von der DVAG – Ominöse Spendenübergabe an CDU-Chef Friedrich Merz
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Dr. Oetker, Henkel und Co.: Die Lobbymacht der "Familienunternehmer"
© | picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte |
Mit scharfer Rhetorik und guten Kontakten in die Politik bekämpft der Lobbyverein "Die Familienunternehmer e.V." Gesetzesvorhaben der Regierung. Abgeordnete beklagen das aggressive Vorgehen des Verbandes, hinter dem zahlreiche Weltkonzerne stehen. Interne Dokumente, die abgeordnetenwatch.de und ZEIT ONLINE ausgewertet haben, offenbaren seine Strategien und Kampagnen.
Die Lobbymacht der "Familienunternehmer"
Den Artikel von ZEIT ONLINE finden Sie hier (€).
Wie die "Familienunternehmer" Politik und Öffentlichkeit beeinflussen
Interne Protokolle von Lobbyverbänden lesen sich manchmal wie eine Art Tagebuch: Niedergeschrieben sind dort Dinge, die man nicht unbedingt mit der Öffentlichkeit teilen möchte. So ist es auch bei dem Verein "Die Familienunternehmer e.V.".
Der Name klingt nach Dorfbäckerei oder Fleischereibetrieb, doch die "Familienunternehmer" sind einer der mächtigsten Lobbyverbände des Landes. 3 Millionen Euro jährlich gibt er für Lobbyarbeit aus; den Gremien gehören Leute von Konzernen wie Dr. Oetker, Henkel und Miele an.
In den Protokollen macht der Verein keinen Hehl daraus, wie er Politik und Öffentlichkeit beeinflusst. Vor der Bundestagswahl 2021 fürchtete der Verbandspräsident, dass eine “Gerechtigkeitsdebatte” wieder Fahrt aufnehmen könnte. Grund dafür waren Berichte von OECD und IWF, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinander gehe – unter anderem auch, weil sich der Reichtum des Landes in den Händen einiger weniger konzentriere. Der Verband beschloss, ein “Gegengutachten” in Auftrag zu geben und ein “Unternehmer-Gesicht in einschlägigen Diskussionen zu positionieren”. Mit einer international tätigen PR-Firma plante man außerdem eine Kampagne, die die Vermögenssteuer schlecht machen sollte, "unterfüttert mit einer Anti-grün-rot-roten Kampagne".
An einer anderen Stelle brüstet sich der Verband, dass eigene Forderungen im GroKo-Koalitionsvertrag von 2017 “verankert werden konnten” – und dass man "meinungsbildend" auf FDP und Teile von CDU/CSU eingewirkt habe.
Die "Familienunternehmer" sind so einflussreich, dass bei der Jahrestagung in zwei Wochen die wichtigsten Kabinettsmitglieder erscheinen werden: Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck werden die Veranstaltung schmücken, es wird Fotos geben.
Weitgehend unsichtbar ist dagegen, bei wem der Verein Einfluss nimmt. Gesprächspartner:innen in und außerhalb der Politik erzählten uns, dass der Lobbyverband zum Teil aggressiv auftrete. Abgeordnete würden sich mit ihren Äußerungen plötzlich zurückhalten, weil der Verein bei ihnen interveniert habe. Ein Ampel-Politiker sagt, die “Familienunternehmer” gingen teilweise “aggressiver vor als die Waffen- und Chemieindustrie”.
Wir werden weiter recherchieren und die Methoden von mächtigen Lobbyakteuren transparent machen. Wenn Sie neue Recherchen ermöglichen möchten, unterstützen Sie uns jetzt mit einer Spende (diese ist steuerlich absetzbar).
Mail von US-Rüstungskonzern führt ungewollt zu strengeren Regeln im Bundestag
© | Fred PO | Flickr | CC BY-SA 2.0 |
Letzten September lud der Rüstungskonzern Lockheed Martin Abgeordnete zu einem Lobbyabend mit 4-Gänge-Menü ins Reichstagsgebäude. Dokumente zeigen: Der Waffenbauer selbst schickte der Bundestagsverwaltung einen Hinweis darauf, dass mit der Veranstaltung etwas nicht stimmte. Das hat nun Konsequenzen.
Mail von US-Rüstungskonzern führt ungewollt zu strengeren Regeln im Bundestag
Lesen Sie außerdem zum Thema:
Abgeordneter schleuste Rüstungskonzern in den Bundestag
Bundeswehreinsätze und AKW-Laufzeiten: So stimmten die Abgeordneten im Bundestag
© | Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde |
Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag eine Verlängerung der Bundeswehreinsätze im Südsudan und im Mittelmeer beschlossen.
Namentlich abgestimmt wurde zudem über einen Antrag von CDU/CSU zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Darin fordert die Union, die AKW Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bis zum 31. Dezember 2024 laufen zu lassen. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.
Hier finden Sie heraus, wie die 736 Abgeordneten gestimmt haben:
- Bundeswehreinsatz im Südsudan (angenommen)
- Bundeswehreinsatz im Mittelmeer (angenommen)
- AKW-Laufzeitverlängerung (abgelehnt)
Transparenzverweigerung von Wissing und Lindner | "Rechtstreue" Minister:innen | Wahlrecht-Ärger: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
Neben unserer Website liefern wir auch bei Twitter, Mastodon, Instagram und Facebook Hintergründe zu unseren Recherchen und zu aktuellen Themen. Dies sind aktuelle Beispiele:
- Transparenzverweigerung von Wissing und Lindner: Die Wolfsburger Nachrichten berichteten kürzlich über die "Transparenzverweigerung" (O-Ton) von Volker Wissings Verkehrsministerium und Christian Lindners Finanzministerium gegenüber abgeordnetenwatch.de. In dem lobbykritischen Artikel zitierte die Lokalzeitung vom VW-Stammsitz Wolfsburg ausführlich aus unserer Recherche zu Porschegate. Hier auf Twitter und hier auf Mastodon finden Sie die wichtigsten Stellen aus dem lesenswerten Text. Den ganzen Artikel gibt es hier hinter einer Bezahlschranke.
- "Rechtstreue" Minister:innen: Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit für Sanktionen, wenn Ex-Minister:innen unerlaubt Lobbyjobs ausüben und damit gegen das Gesetz verstoßen. Bemerkenswerte Begründung: Ehemalige Regierungsmitglieder seien grundsätzlich rechtstreue Menschen. So steht es in einem neuen Bericht des Europarates. Hier auf Twitter und hier auf Mastodon lesen Sie, was es damit auf sich hat. Was in dem aktuellen Bericht sonst noch steht, haben wir hier auf unserer Seite zusammengefasst.
- Wahlrecht-Ärger: Wie kam es zur überraschenden Abschaffung der sogenannten "Grundmandatsklausel" im neuen Wahlrecht (was CSU und Linke den Einzug in den nächsten Bundestag kosten könnte)? Nach Recherchen der taz hat sich die CDU/CSU-Fraktion das möglicherweise selbst eingebrockt: Durch Sachverständige, die in einer Bundestagsanhörung gegen die eigenen Interessen argumentierten. Hier auf Twitter und hier auf Mastodon fassen wir die Recherche zusammen. Den vollständigen taz-Artikel können Sie hier lesen.
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Bremen-Wahl: Stellen Sie jetzt Fragen an Ihre Kandidierenden
© | abgeordnetenwatch.de |
Wer sind die Kandidierenden, die zur Bürgerschaftswahl in Bremen antreten – und welche Positionen vertreten sie? Das können Sie auf unserem neuen Wahlportal herausfinden. Zu allen Direktkandidierenden gibt es eine Profilseite, über die Sie Fragen stellen können.
Die Wahlprogramme der Parteien haben wir hier zusammengetragen.
Hinweis: Die AfD ist aufgrund von zwei konkurrierenden Wahllisten nicht zur Bürgerschaftswahl zugelassen worden. Aus diesem Grund sind Kandidierende und das Programm der Partei nicht in unserem Wahlportal zu finden. Hintergründe zur Entscheidung der Landeswahlleitung finden Sie hier beim Weser Kurier.
Fragen und Antworten des Monats
- Selbstbestimmungsrecht: "Sehr geehrter Herr Buschmann", schreibt eine Bürgerin an den Bundesjustizminister und FDP-Abgeordneten, "warum gibt es beim Heiraten nicht auch eine Bedenkzeit von 3 Monaten, wie es beim Selbstbestimmungsgesetz geplant ist?" Für sie sei es nicht nachvollziehbar, warum eine schwerwiegende Entscheidung wie das Heiraten “einfach so in einem Amt möglich ist”, während es für die Änderung des Geschlechtseintrags eine 3-monatige Bedenkzeit brauche. Eine Antwort von Marco Buschmann liegt noch nicht vor. Hier können Sie sich eintragen, wenn Sie per Mail benachrichtigt werden möchten.
- Wahlrecht: "Wieso hält die CDU/CSU den Entwurf zur Wahlrechtsreform für undemokratisch - und was ist an Ihrem Entwurf demokratischer?", will ein Bürger von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei wissen. In seiner Antwort kritisiert Frei, dass durch die Reform künftig nicht mehr alle Wahlkreissieger in den Bundestag einziehen würden. Der CDU-Politiker wirft den Ampel-Parteien vor, "die eigenen Pfründe" sichern zu wollen, da SPD, Grüne und FDP "kaum Direktmandate erringen". Beim Gesetzentwurf von CDU/CSU würden "Wahlkreissieger vor Ort am Ende immer auch in den Bundestag einziehen", so Frei.
- TikTok: "Ist es in Zukunft möglich, dass in Deutschland TikTok verboten wird?" fragt eine Bürgerin den Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP). Eine Antwort steht noch aus. Hier können Sie sich eintragen, wenn Sie per Mail benachrichtigt werden möchten.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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