Für Dutzende Lobbyist:innen öffnen sich die Türen zum Bundestag ohne Probleme. Am Empfang zeigen sie ihren Hausausweis vor – und dürfen passieren. Welche Interessenorganisationen sich im Bundestag frei bewegen können, hat die Bundestagsverwaltung nun nach einem Antrag von abgeordnetenwatch.de offengelegt.
Die Themen im Überblick:
- Diese Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
- Wie wir den Lobbyzugang zum Bundestag erschwerten – und warum das nicht reicht
- Lobby-Einfluss: EU fordert von Deutschland strikte Maßnahmen
- Bestechungsverdacht, Rüstungskonzern, Nebeneinkünfte: Neues aus unseren Sozialen Kanälen
- Zeugnisnoten: So reagierten die Bundestagsabgeordneten auf Fragen aus der Bevölkerung (Teil II)
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Abgeordnete als Lobbyisten
Diese Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
© | Sharon Ang / Pixabay |
Seit Jahren werden die Zugangsregeln für Lobbyist:innen zum Bundestag eingeschränkt. Nach wie vor verfügen aber dutzende Interessenorganisationen über einen der begehrten Hausausweise. Aufschluss über die Inhaber gibt nun eine Liste, die der Bundestag auf Antrag von abgeordnetenwatch.de herausgeben musste. Aufgeführt sind darin unter anderem Verbände der Immobilien-, Rüstungs- und Pharmalobby. Die Jahresausweise ermöglichen ihnen, sich frei in den Parlamentsgebäuden zu bewegen. Zugang haben sie beispielsweise zu den Abgeordnetenbüros, dem Parlamentsrestaurant oder den Fraktionsräumen.
Diese Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
Wie wir den Lobbyzugang zum Bundestag erschwerten – und warum das nicht reicht
© | DBT/Thomas Trutschel/photothek.net |
Es ist noch nicht lange her, da betätigten sich Fraktionen als Türöffner für Lobbyist:innen. Und das ging so: Die Fraktionsführung bestätigte Konzernen und Interessenverbänden, dass diese zur Ausübung ihrer Lobbyarbeit häufig den Bundestag betreten mussten. Mit einer solchen Bestätigung konnten die Lobbyakteure dann einen Hausausweis erhalten – und damit einen ungehinderten Zugang zu den Büros von Abgeordneten.
2014 machten wir die intransparente Hausausweisvergabe publik. Doch welchen Unternehmen und Lobbyverbänden die Fraktionen einen Zugang zum Parlament verschafft hatten, hielt der Bundestag uns gegenüber geheim. Wir zogen vor Gericht, gewannen und erhielten die Hausausweisliste. Erstmals erfuhr die Öffentlichkeit, wer im Bundestag ungehindert ein und aus ging – von Rüstungskonzernen und Großbanken bis zu Autokonzernen und Beratungsunternehmen.
Die Konsequenzen aus der Klage waren enorm. Nach der einsetzenden öffentlichen Diskussion über den Lobbyzugang zu den Abgeordneten stoppte der Bundestag wenig später die Geheimvergabe über die Fraktionen. Konzerne, Kanzleien und Agenturen durften fortan keine Zugangskarten mehr beantragen, dieses Recht haben seitdem nur noch Verbände und Vereine. Aber auch für sie ist es nach einer Verschärfung der Zugangsregeln zu Jahresbeginn deutlich schwerer geworden, in die Büros der Abgeordneten zu kommen.
Es wäre naiv zu denken, dass es deswegen weniger Lobbyeinfluss gäbe. Wer nicht mehr so leicht in den Bundestag kommt, trifft sich mit den Abgeordneten nun eben im Café oder im Restaurant. Lobbyismus findet weiterhin statt – im Verborgenen.
Die Politik weigert sich bis heute, Lobbykontakte transparent zu machen. Wer wann mit wem zu welchem Thema spricht, bleibt unsichtbar, es sei denn, es kommt durch Recherchen von abgeordnetenwatch.de und anderen ans Licht. (Als Beispiel seien hier die Aktivitäten von Sigmar Gabriel genannt, der im Interesse der Deutschen Bank bei der damaligen Kanzlerin Angela Merkel lobbyierte).
Die Erfahrung zeigt, dass es ohne öffentlichen Druck keine wirksamen Transparenzpflichten geben wird. Deshalb möchten wir Sie um Unterstützung bitten: Helfen Sie uns dabei, Handlungsdruck auf die Politik zu erzeugen – durch Recherchen und öffentlichkeitswirksame Aktionen. Schon eine Förderung von 5 Euro im Monat hilft uns dabei sehr. Ihren Förderbeitrag können Sie übrigens von der Steuer absetzen.
Im Namen des gesamten Teams vielen Dank für Ihre Unterstützung
Gregor Hackmack und Boris Hekele
Vorstandsmitglieder
Lobby-Einfluss: EU fordert von Deutschland strikte Maßnahmen
© | picture alliance/Keystone| Peter Klaunzer |
Lobbyakteure haben hierzulande aus Sicht der EU noch immer zu viel Einfluss auf die Politik. Die Kommission fordert deswegen von Deutschland schärfere Vorschriften – unter anderem zu Wechseln von Ex-Politiker:innen in die Wirtschaft. Auch Recherchen von abgeordnetenwatch.de kommen in dem aktuellen EU-Bericht vor: mit Fällen von nicht korrekt gemeldeten Nebentätigkeiten.
EU kritisiert Lobby-Einfluss in Deutschland – und fordert Maßnahmen
Bestechungsverdacht, Rüstungslobby, Nebeneinkünfte: Neues aus unseren Sozialen Kanälen
Neben unserer Website liefern wir auch bei Twitter, Instagram und Facebook Hintergründe zu aktuellen Themen und zu unseren Recherchen. Hier einige Beispiele aus den vergangenen Tagen:
- Bestechungsverdacht: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den FDP-Bundestagsabgeordneten Friedhelm Boginski wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Hintergrund sind Wahlkampfspenden zur Bundestagswahl 2021 und ein Immobiliengeschäft in seiner Amtszeit als Bürgermeister. Immer wieder kommen Verbindungen zwischen Parteispenden aus der Immobilienwirtschaft und Bauprojekten ans Licht, wie wir hier auf Twitter zeigen.
- Rüstungslobby: Ein Referent des FDP-Verteidigungspolitikers Marcus Faber arbeitet seit Monatsbeginn als Lobbyist ("Government Relations Manager") für den Rüstungskonzern Lockheed Martin. Bei Twitter haben wir weitere Fälle für Seitenwechsel zwischen Politik und Wirtschaft aufgeführt.
- Nebeneinkünfte: Fast auf den Tag genau vor 15 Jahren entschied das Bundesverfassungsgericht: Abgeordnete des Bundestags müssen ihre Nebeneinkünfte transparent machen. Gegen eine Veröffentlichungspflicht hatten seinerzeit mehrere Politiker:innen geklagt, unter ihnen Friedrich Merz, Siegfried Kauder und Otto Schily. In diesem Eintrag auf Twitter zeigen wir, wie die Transparenzpflichten seitdem weiter verschärft wurden (übrigens dank des Drucks aus der Zivilgesellschaft).
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Zeugnisnoten: So reagierten die Bundestagsabgeordneten auf Fragen aus der Bevölkerung (Teil II)
© | abgeordnetenwatch.de |
Wie antwortbereit sind Bundestagsabgeordnete, wenn ihnen Bürger:innen öffentlich über abgeordnetenwatch.de Fragen stellen? Pünktlich zum Ferienstart in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben wir die Antwortbilanz der Volksvertreter:innen in Schulnoten umgerechnet. Die frühere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) beantwortete ebenso wie Linken-Chefin Janine Wissler alle Fragen – für beide bedeutete dies ein "sehr gut". Vom früheren SPD-Außenminister Heiko Maas bekamen Fragesteller:innen dagegen keine inhaltlichen Antworten. Auch Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) reagierte nicht auf Fragen aus der Bevölkerung. In beiden Fällen gab es dafür die Note 6.
Wer erhält ein "sehr gut", wer antwortete "ungenügend"? Finden Sie es hier heraus
Zeugnisse gab es bislang für die Bundestagsabgeordneten aus Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die verbleibenden Länder Bayern und Baden-Württemberg folgen mit Beginn der dortigen Schulferien.
Die Antwortquote ist der objektivierbare, messbare Teil beim Austausch zwischen Abgeordneten und Bürger:innen. Wie kompetent und überzeugend die Abgeordneten dabei sind, darauf müssen wir Bürger:innen natürlich eine eigene Antwort finden.
Fragen und Antworten des Monats
- Russland | Zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den Auswirkungen auf Deutschland schreibt ein Bürger an den SPD-Bundestagsabgeordneten Holger Becker: "Ich und die Mehrheit der Menschen im Weimarer Land und auch auf meiner Arbeit (in Niedersachsen) sind nicht bereit, für die unendliche Doppelmoral von Ihnen und unserer Regierung zu frieren und mehr zu zahlen." Der Abgeordnete antwortet: "Sie suchen nach den wirklichen Gründen dafür, dass diese Dinge geschehen? Dafür, dass ein krimineller Diktator auf Grund einer Mischung aus Größenwahn und geistiger Umnachtung tut, was er tut? Fragen Sie ihn gerne. Hier ist sein Kontaktformular: http://en.kremlin.ru/contacts Sie können ihn sogar auf Deutsch fragen."
- 1. Klasse im ÖPNV | Ein Bürger schreibt an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP): "Täglich fahren tausende steuerfinanzierte Sitzplätze im Nahverkehr leer durch die Republik. Ist eine erste Klasse im Nahverkehr noch sinnvoll und wirtschaftlich, oder kann darauf verzichtet werden?" Eine Antwort von Wissing liegt noch nicht vor. Hier können Sie sich bei deren Eintreffen per Mail benachrichtigen lassen.
- Ehe für alle | "Hallo Frau Winkelmeier-Becker", schreibt ein Bürger an die CDU-Bundestagsabgeordnete, "Sie haben vor genau fünf Jahren nicht für die Ehe für alle gestimmt und dabei 'verfassungsrechtliche Bedenken' angebracht. Wie ist Ihre Einschätzung nun?" In ihrer Antwort schreibt Winkelmeier-Becker: "Ich habe mich damals enthalten und meine Gründe pro und contra in einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung dargelegt. Aus heutiger Sicht würde ich das anders gewichten und für die 'Ehe für alle' entscheiden."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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