von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet werben Konzerne, Verbände und Lobbyagenturen gezielt um Vertraute von Politiker:innen. Nun gibt es einen interessanten neuen Fall.
Übersicht:
- Spahn-Vertrauter arbeitet für Lobbyagentur – mit Großkunden aus der Gesundheitswirtschaft
- Ex-Mitarbeiter:innen von Abgeordneten: An der Quelle
- Schwere Waffen für die Ukraine: So stimmten die Abgeordneten
- +++ Großspenden-Ticker: Reichster Deutscher überweist CDU 65.000 Euro +++
- Gabriels vergessene Russland-Kontakte | Neuer Lobbyjob von Baerbocks Ehemann | Kritik an laxen Transparenzregeln: Nachrichten in Kürze
- Wahltag in NRW: Diese Tools geben Ihnen eine letzte Wahlhilfe
- In eigener Sache: Freie Campaigning-Stelle | Verstärkung in der Recherche
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Text im letzten Newsletter: Joschka Fischer, Roland Koch oder Rudolf Scharping – Die Lobbyaktivitäten der ehemaligen Regierungsmitglieder
Spahn-Vertrauter arbeitet für Lobbyagentur – mit Großkunden aus der Gesundheitswirtschaft
© | picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Kira Hofmann |
Ein politischer Vertrauter, Berater und Spin-Doctor des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn arbeitet seit April als "Special Advisor" für die Berliner Lobbyagentur Miller & Meier. Zu deren Kunden gehören nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de mehrere Pharmakonzerne wie Lilly Deutschland GmbH und Merck Sharp & Dohme (MSD). Auch mit einer eigenen Beratungsfirma ist der frühere Büroleiter und Mitarbeiter im Gesundheitsministerium inzwischen aktiv. Schwerpunkt des Unternehmens: Finanzen, Sicherheit – und Gesundheit.
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Spahn-Vertrauter arbeitet für Lobbyagentur – mit Großkunden aus der Gesundheitswirtschaft
Unternehmen oder Verbände nehmen immer wieder Vertraute von einflussreichen Fachpolitiker:innen unter Vertrag. Die Investmentlobby etwa verpflichtete vor einiger Zeit den Büroleiter eines CDU-Finanzexperten, auch die Transport- und Digitallobby rekrutierte enge Mitarbeiter von Abgeordneten. Einige Wirtschaftsverbände machen gar keinen Hehl daraus, warum Mitarbeiter:innen von Abgeordneten die perfekten Lobbyisten sind.
Seitenwechsel: Lobbyakteure rekrutieren Büroleiter:innen von Abgeordneten (Archiv)
An der Quelle
© | Papiertrümmer / Flickr / CC BY 2.0 |
Nehmen wir Sebastian Oys, auch wenn Ihnen dieser Name wahrscheinlich nicht viel sagt. Oys ist Lobbyist beim Bundesverband Investment und Asset Management (BVI), der im Auftrag von Blackrock, JP Morgan und anderen Investmentfirmen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen will. Ein Geheimnis ist das nicht, der BVI räumt es im Lobbyregister selbst ein: "Wir begleiten ein Gesetz von der politischen Idee bis zu seiner Verabschiedung und später in seiner praktischen Anwendung. An sämtlichen politischen und legislativen Stationen eines Gesetzes wirken wir auf dessen praxisgerechte Ausgestaltung hin." Ausgesprochen hilfreich ist es da, dass BVI-Lobbyist Oys einen engen Draht hat zu einem, der an der Ausgestaltung eben jener Gesetze mitwirkt: Der CDU-Finanzexperte Fritz Güntzler. Mehr als fünf Jahre arbeitete Oys in Güntzlers Bundestagsbüro, zuletzt als Büroleiter, bevor es ihn 2019 zur Finanzlobby zog.
Eine kurze SMS, ein Mittagessen im Regierungsviertel, ein parlamentarischer Abend: Wann immer sich Lobbyistinnen und Lobbyisten mit Abgeordneten austauschen, bleibt das für die Öffentlichkeit unsichtbar. Dass einflussreiche Verbände und Konzerne versuchen, politische Entscheidungen im Verborgenen zu beeinflussen, ist gefährlich in einer Demokratie: Die mit dem meisten Geld und den besten Kontakten können ihre Anliegen direkt bei den politischen Entscheidungsträger:innen im Bundestag platzieren. Damit muss Schluss sein.
Mit unserer Arbeit gehen wir gegen Lobbyismus im Geheimen vor – mit Recherchen, öffentlichkeitswirksamen Aktionen und der Forderung nach strikten Transparenzpflichten für Lobbykontakte. Wir möchten Sie deshalb bitten: Stärken Sie die Zivilgesellschaft mit einer Förderung von abgeordnetenwatch.de. Dies geht bereits ab 5 Euro im Monat, ihre Förderbeiträge können Sie steuerlich absetzen.
Schwere Waffen für die Ukraine: So stimmten die Abgeordneten
© | Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde |
Mit großer Mehrheit hat der Bundestag umfassende Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine beschlossen, was die Lieferung schwerer Waffen einschließt. 586 Abgeordnete stimmten für den fraktionsübergreifenden Antrag, 100 dagegen, sieben enthielten sich.
Das Abstimmungsverhalten aller Parlamentarier:innen finden Sie hier auf unserer Seite.
+++ Großspenden-Ticker: Reichster Deutscher überweist CDU 65.000 Euro +++
Der Unternehmer Klaus-Michael Kühne hat der CDU Anfang Mai eine Spende in Höhe von 65.000 Euro überwiesen. Kühne ist Mehrheitseigentümer des Logistikkonzerns Kühne + Nagel, Investor beim Hamburger SV und mit geschätzt 44 Milliarden Dollar der wohlhabendste Deutsche (Forbes).
Seit Jahresbeginn gab es insgesamt vier meldepflichtige Großspenden: Drei gingen an die CDU und hatten einen Gesamtwert von 265.000 Euro, eine Zahlung in Höhe von 100.000 Euro erhielt die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) von einer Privatperson.
Spenden oberhalb des Grenzwertes von 50.000 Euro müssen unverzüglich beim Bundestag gemeldet und auf der Internetseite des Parlaments veröffentlicht werden.
Gabriels vergessene Russland-Kontakte | Neuer Lobbyjob von Baerbocks Ehemann | Kritik an laxen Transparenzregeln: Nachrichten in Kürze
- Vergessene Kontakte von Sigmar Gabriel: Gegenüber der New York Times behauptete der ehemalige Wirtschafts- und Außenminister, er habe Repräsentanten von Gazprom und des russischen Staates lediglich zwischen 2014 und 2016 getroffen. Korrekt ist das nicht: Mit Gazprom-Chef Miller sprach er auch 2017, ebenso mit dem russischen Präsidenten Putin in einem Vieraugengespräch, wie wir hier auf Twitter zeigen. In seiner Antwort an die New York Times drohte Gabriel der Journalistin überdies mit rechtlichen Schritten. Dies tat auch schon gegenüber abgeordnetenwatch.de – als wir ihn nach seinem Ausscheiden aus der Politik nach seinen Lobbyaktivitäten gefragt hatten.
- Neuer Lobbyjob von Baerbocks Ehemann: Daniel Holefleisch, Ehemann von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), ist seit Anfang Mai Partner der Agentur MSL. Die Agentur betreibt Lobbyarbeit für Facebook, Nestlé, Coca-Cola und andere Großkonzerne, wie wir hier bei Twitter zeigen. Es sei "vertraglich ausgeschlossen", dass Holefleisch für seinen Arbeitgeber Kontakt zur Leitungsebene des Auswärtigen Amtes oder Annalena Baerbock aufnehme, so MSL.
- Internationale Kritik an laxen Transparenzregeln: Die Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit (OSZE) fordert Deutschland in einem aktuellen Bericht zu strikten Maßnahmen für mehr Transparenz auf. Insbesondere vor Wahlen könne die Öffentlichkeit nicht ausreichend nachvollziehen, von wem Parteien finanziert werden. Was die Wahlbeobachter:innen konkret von Deutschland fordern, haben wir hier auf unserer Website zusammengetragen.
Wahltag in NRW: Diese Tools geben Ihnen eine letzte Wahlhilfe
Sind Sie noch unschlüssig, wem Sie bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am heutigen Sonntag Ihre Stimme geben wollen? Wir haben drei Wahlhilfen für den allerletzten Moment:
- Mit unserem Kandidierenden-Check finden Sie heraus, welche Kandidierenden in Ihrem Wahlkreis ähnlich wie Sie denken. Dafür müssen Sie nichts weiter tun, als Ihre Postleitzahl einzugeben und 20 politische Thesen zu beantworten. Zum Kandidierenden-Check
- Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert der Wahl-o-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Nach der Beantwortung von 38 Thesen erfahren Sie, mit welcher Partei Sie inhaltlich die meisten Übereinstimmungen haben. Zum Wahl-o-Mat
- Schauen Sie auch gerne nochmal in unserem Wahlportal für NRW vorbei. Dort lässt sich sehen, ob und wie die Kandidierenden auf Fragen aus der Bevölkerung geantwortet haben. Zum Frage- und Antwortportal auf abgeordnetenwatch.de
Bitte gehen Sie zur Wahl – nur so können Sie dazu beitragen, dass transparente, kompetente und bürgernahe Politiker:innen ins Parlament gewählt werden! Die Wahllokale sind bis um 18 Uhr geöffnet.
In eigener Sache: Freie Campaigning-Stelle | Verstärkung in der Recherche
- Freie Stelle im Campaigning: Wir möchten unser Kampagnenteam in Berlin verstärken und suchen deshalb zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte und zielorientierte Person, die sich für die Themen Lobbyismus, Parteifinanzen und Transparenz begeistert. Erfahrung im (Online-)Campaigning ist ein großes Plus, aber keine Voraussetzung. Die Stelle ist in Vollzeit – hier geht's zur Ausschreibung.
- Verstärkung in der Recherche: Seit Anfang Mai verstärkt uns die langjährige Journalistin Tania Röttger im Bereich Recherche. Sie kommt vom gemeinnützigen Recherchenetzwerk Correctiv, wo sie das Factchecking-Team leitete.
Fragen und Antworten des Monats
- Rüstungslobby | Die FDP-Verteidigungspolitikerin Maria Agnes Strack-Zimmermann ist neben ihrem Bundestagsmandat in mehreren rüstungsnahen Organisationen wie dem Förderkreis Deutsches Heer aktiv – eine Lobbytätigkeit weist sie von sich. Dies sei wenig überzeugend, entgegnet ein Bürger: "Die Rüstungsindustrie erwartet, auch aufgrund Ihres massiven Druckes, den Sie in Medien ausgeübt haben, ein Riesengeschäft, mit schwerem Gerät, weil nun vorwiegend Ladenhüter in die Ukraine verkauft und geliefert werden." In ihrer Antwort schreibt Strack-Zimmermann, der Austausch mit der Bundeswehr, der Rüstungsindustrie und daran angeschlossenen Verbände gehöre zu ihrem Job. "Sofern alles transparent ist, ist daran auch nichts Anstößiges."
- Waffenlieferungen | Ein Bürger schreibt an den Parlamentarischen Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte: "Sie werfen FDP und Grünen Waffenexzessforderungen vor, da diese der Ukraine helfen wollen, sich gegen die russische Invasion zu verteidigen. Was würden Sie tun, wenn Russland uns angreifen würde?" Eine Antwort von Korte steht noch aus. Sie können diese hier abonnieren.
- Klimawandel | "Wie kann es sein, dass Deutschland sich der Menschenrechte verpflichtet hat, aber über fossile Emissionen und den Klimawandel Menschen des Rechtes auf Leben beraubt?" will eine Bürgerin von der Bundestagsabgeordneten Christina Stumpp wissen. Eine inhaltliche Antwort darauf bleibt die CDU-Politikerin schuldig. "Ich beantworte Anfragen via Abgeordnetenwatch ab dem 1. Januar 2022 nicht mehr über das Portal. Sie können mir bei Interesse Ihr Anliegen jedoch gerne auf meine Bundestagsadresse zukommen lassen."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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