vielleicht hätten Sie gerade noch ein paar Minuten. Nach zwölf bewegten Monaten haben wir für Sie in diesem Newsletter unsere interessantesten Recherchen aus 2019 zusammengetragen.
Ganz herzlichen Dank, dass Sie unsere Arbeit verfolgt haben. Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben frohe Festtage. Kommen Sie gut ins neue Jahr!
Die Themen in der Übersicht:
Spendete ein Investor an die CDU, um schneller bauen zu dürfen?
Wie wir eine Bundestagsabgeordnete der Lüge überführten
Recherchiert: Die Lobbykontakte der GroKo
Das verdienen Ihre Abgeordnete nebenher
Die Werbeauftritte von Landwirtschaftsministerin Klöckner
Auszeichnung: abgeordnetenwatch.de ist der relevanteste Politik-Blog Deutschlands
Unsere Transparenzklage gegen den Bundestag: Finale 2020 in Leipzig
Teil II unseres Jahresrückblicks folgt in einigen Tagen.
An dieser Geschichte haben wir gemeinsam mit dem SPIEGEL mehrere Wochen gearbeitet. Warum spendet eine niederländische Firma aus einem Industriegebiet bei Amsterdam mehrere zehntausend Euro an die CDU? Die Antwort darauf klingt ungeheuerlich: Um Türen aufzuhalten, müsse man bestimmte Leute unterstützen, berichtete der Geschäftsführer der Firma ganz offen – die Gelder seien an die Berliner CDU im Bezirk Lichtenberg gegangen. Genau dort will der Großspender über zwischengeschaltete Firmen tausende Wohnungen und Büros bauen. Politische Schützenhilfe bekam er dafür: von der CDU.
Um die letzten Tage im Bundestagswahlkampf zu überstehen, belog die CDU-Abgeordnete Karin Strenz im Herbst 2017 die Öffentlichkeit. Sie behauptete, ihre Tätigkeit für eine aus Aserbaidschan finanzierte Lobbyfirma korrekt gemeldet zu haben. Durch abgeordnetenwatch.de-Recherchen kam jedoch ans Licht, dass Strenz die Unwahrheit gesagt hatte. Wir konnten nachweisen, dass ihre dubiose Nebentätigkeit monatelang vor der Öffentlichkeit verborgen geblieben war – ein schwerer Verstoß gegen die Verhaltensregeln des Bundestages. Unsere Recherche hatte zur Folge, dass die CDU-Abgeordnete in diesem Jahr eine 20.000 Euro-Strafe an den Bundestag zahlen musste. Es war das aller erste Mal, dass ein Ordnungsgeld wegen eines Verstoßes gegen die Meldepflichten verhängt wurde.
Lobbyspenden an Parteien
Mal ganz direkt gefragt: Finden Sie es normal, dass unsere Parteien Geld von Lobbyisten annehmen dürfen – und zwar unbegrenzt? Letztes Jahr flossen aus der Wirtschaft Großspenden in Höhe von 1,8 Mio. Euro auf Parteikonten. Aus dem laufenden Jahr sind bislang einige wenige Zahlungen bekannt, u.a. vom Immoblienkonzern Wohninvest an die FDP (100.000 Euro) und dem Chemieunternehmen Evonik an CDU und SPD (jeweils 80.000 Euro).
Wie will die Politik den Konzernen eigentlich enge Grenzen setzen, wenn sie von ihnen Geld annimmt?
Parteispenden aus der Wirtschaft gefährden die Unabhängigkeit der Politik – damit wollen wir uns nicht abfinden. Mit unseren Recherchen decken wir Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik auf, wenn nötig ziehen wir auch vor Gericht. Gegen den Bundestag klagen wir gerade Prüfdokumente zu Parteispenden ein. In 1. und 2. Instanz haben wir bereits gewonnen, im nächsten Früjahr steht die entscheidende Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an (s.u.).
Recherchiert: Die Lobbykontakte der GroKo
Ein Anruf vom VW-Chef, ein Treffen mit dem Vattenfall-Lobbyisten: Von diesen und anderen Lobbykontakten unserer Regierung bekommt die Öffentlichkeit normalerweise nichts mit. abgeordnetenwatch.de hat hunderte Treffen und Telefonate der Bundesregierung mit Konzernen und Interessenorganisationen zusammengetragen und ausgewertet. Dabei zeigt sich unter anderem, wie Lobbyisten vom kurzen Draht zu ihren Parteifreunden in den Ministerien profitieren. Die Angaben zu den Lobbykontakten stammen aus dutzenden Antworten der Bundesregierung auf Parlamentarische Anfragen der Linksfraktion. Weil die Regierung unvollständige Angaben machte, droht ihr eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
Die Lobbykontakte der GroKo (mit Liste)
Über unsere Recherche berichtet auch die Süddeutsche Zeitung:
"Abgeordnetenwatch veröffentlicht Übersicht mit Hunderten Lobbykontakten"
120.000 Euro von einem Pharmakonzern, über 300.000 Euro als „Strategieberater“: Einige Bundestagsabgeordnete haben nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL in dieser Wahlperiode beträchtliche Nebeneinkünfte erhalten. Zu den Topverdienern gehören mehrere prominente Volksvertreter:innen, darunter die Ex-Minister Peter Ramsauer (Foto) und Ulla Schmidt. Was verdienen Ihre Abgeordnete?
Vor einiger Zeit trat Ernäherungsministerin Julia Klöckner an der Seite des Nestlé Deutschland-Chefs in einem Video auf. Der Clip brachte Klöckner den Vorwurf der Schleichwerbung ein, weil sie den Lebensmittelmulti für die Unterstützung einer Regierungskampagne für gesündere Lebensmittel lobte. Doch es war nicht das erste Mal, dass die Ernäherungsministerin mit einem werbenden Auftritt in den Sozialen Netzwerken auffiel: Über ihren Twitter-Account hatte Klöckner zuvor die Werbebotschaft eines Bierversands verbreitet (s. Foto). Besonders brisant: Die Ministerin war zu diesem Zeitpunkt auch „Bierbotschafterin“ der deutschen Brauerei-Lobby.
Darüber freuen wir uns riesig! abgeordnetenwatch.de ist laut der dpa-Tochter news aktuell und der Agentur Faktenkontor der relevanteste Polit-Blog Deutschlands. Für die Analyse von insgesamt rund 1.400 Blogs wurden unter anderem die Sichtbarkeit im Internet, Verlinkungen, die Social-Media-Vernetzung und die Blogaktivität der letzten drei Monate berücksichtigt. Neben abgeordnetenwatch.de wurden der GoogleWatchBlog im Bereich IT, die Blogs der Zeitung Die Welt in der Rubrik Medien sowie der juristische Fachblog des Verlagshauses C.H.BECK als besonders relevant bewertet.
Vor einigen Wochen erhielten wir eine "Ladung" vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig: Am 26. März 2020 werden die obersten Verwaltungsrichter:innen darüber urteilen, ob die Bundestagsverwaltung interne Dokumente zu Parteispenden vor abgeordnetenwatch.de geheimhalten darf oder nicht. Die Ausgangslage ist ziemlich eindeutig: In den ersten beiden Instanzen haben wir in allen Punkten gewonnen. Zwei Gerichte haben festgestellt, dass die Transparenzblockade des Bundestages „rechtswidrig“ war. Die Parlamentsverwaltung will die Veröffentlichung der Unterlagen jedoch unter allen Umständen verhindern – deswegen ist sie bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen. Für uns und die Öffentlichkeit sind die Dokumente wichtig, weil wir mit ihnen mehrere fragwürdige Fälle in der Parteienfinanzierung durchleuchten wollen.
Fragen und Antworten aus diesem Jahr
- Geborenes und ungeborenes Leben | Nach seinem Auftritt in einer Diskussionssendung zum Thema Abtreibung schrieb ein Bürger an den CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor: „Es ist sehr schön gewesen, wie Sie sich bei Anne Will kämpferisch für das ungeborenen Leben eingesetzt haben, auch wenn ich da nicht Ihrer Meinung bin. Wann werden Sie sich für bereits geborenes Leben ebenfalls so vehement einsetzen“ – zum Beispiel wenn es um ein Rüstungsexportverbot für Kriegswaffen und um Bootsflüchtlinge im Mittelmeer gehe?
- #FridaysForFuture | Die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker lobt das „beeindruckende“ Engagement eines 16jährigen Klimaaktivisten und der #FridaysForFuture-Bewegung, empfiehlt aber, dies in der Freizeit zu tun. Gleichzeitig richtet Winkelmeier-Becker einen Appell an alle, aktiv zu werden – auch wenn es persönliche Einschränkungen zur Folge hat: „Jeder Einzelne muss bereit sein, etwas dafür zu tun. Das fängt beim täglichen Heizen, Autofahren, Fleischkonsum und sonstigem Kaufverhalten an und hört beim Urlaub mit dem Flugzeug noch lange nicht auf. Hier müssen wir in Zukunft vielleicht auch Einschränkungen akzeptieren, weil viel auf dem Spiel steht! Die Politik muss mehr tun und jeder muss bei sich persönlich anfangen.“
- Gleichberechtigung | „Was wünschen Sie sich zum Thema Gleichberechtigung?“ fragt eine Bürgerin die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch. Die Politikerin antwortet: „Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist in Deutschland eine Tatsache. Daher muss ich mir hierzu nichts wünschen.“
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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Im Namen des gesamten abgeordnetenwatch.de-Teams wünschen wir Ihnen frohe Festtage!