Die Bundesregierung behindert Transparenz zu ihren Lobbykontakten, Union und FDP erhalten hohe Spenden aus der Wirtschaft – und zwei Ereignisse ließen die Zahl der nachgemeldeten Nebeneinkünfte sprunghaft ansteigen. Außerdem: Die 3. Folge unseres Politik-Podcasts "Unter der Lupe" ist da. Mehr zu diesen und anderen Themen im folgenden Newsletter.
Die Übersicht:
- Bundesregierung will Transparenzkampagne ausbremsen
- Restaurantbesuch mit dem Rüstungslobbyisten
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Spenden von Sixt, DVAG und BMW-Erben +++
- ARD-Doku "Die Abgeordneten und der Druck der Lobbys" mit abgeordnetenwatch.de
- Nebentätigkeiten: Maskenaffäre und Baerbock-Debatte ließen Nachmeldungen sprunghaft ansteigen
- "Unter der Lupe": Neue Podcast-Folge zu Abstimmungen im Parlament
- Zeugnisnoten: So reagierten die Bundestagsabgeordneten auf Fragen aus der Bevölkerung (Teil II)
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Das verdienen Ihre Abgeordneten im Bundestag nebenher
Bundesregierung will Transparenzkampagne ausbremsen
© | picture alliance/dpa | Kay Nietfeld |
Mit welchen Konzernen und Lobbyverbänden trafen sich Regierungsmitglieder? Um das herauszufinden, haben wir im Juni zusammen mit FragDenStaat die Transparenzkampagne "Lobbyregister selbstgemacht" gestartet. Nun zeigt sich: Die Bundesregierung will die Aktion ausbremsen. Auf die 800 Auskunftsanträge, mit denen Bürger:innen Unterlagen zu Lobbytreffen verlangten, reagierten Ministerien mit mehrseitigen juristischen Schreiben und der Androhung von Gebühren. Am Ende könnten wir uns vor Gericht wiedersehen.
Bundesregierung will 800 Auskunftsanträge zu ihren Lobbykontakten ausbremsen
Anhand von internen Regierungsunterlagen haben wir kürzlich publik gemacht, warum es im gerade beschlossenen Lobbyregister keine Offenlegungspflichten für die Lobbykontakte der Regierung gibt: Das Bundeskanzleramt und das Innenministerium haben dies hinter den Kulissen verhindert. Lesen Sie hier noch einmal unsere Recherche.
Restaurantbesuch mit dem Rüstungslobbyisten
© | Simplex2 | Wikimedia | CC BY-SA 3.0 |
Vor einiger Zeit speisten vier Herren im vornehmen Restaurant "Bristol Grill" (Foto) am Berliner Kurfürstendamm. Einer von ihnen war ein Lobbyist des Rüstungskonzerns Rheinmetall, zwei andere Teilnehmer des Abendessens waren hochrangige Vertreter aus dem Verteidigungsministerium. Was die Männerrunde zu besprechen hatte, ist bis heute unbekannt: Notizen oder andere Aufzeichnungen gebe es nicht, erklärte das Ministerium auf unsere Anfrage.
Solche diskreten Lobbytreffen werden in der Regel nur zufällig bekannt, meist durch parlamentarische Anfragen wie in diesem Fall durch die Linkspartei. Dies soll nach dem Willen der Bundesregierung auch so bleiben. Erst verhinderten Kanzleramt und Innenministerium, dass ihre Lobbykontakte im kürzlich beschlossenen Lobbyregister veröffentlicht werden müssen. Nun versucht die Regierung, unsere Kampagne "Lobbyregister selbstgemacht" auszubremsen, mit der wir frühere Lobbytreffen aufdecken wollen.
Die Transparenzblockade werden wir nicht hinnehmen. Sollte uns die Bundesregierung Unterlagen zu ihren Lobbykontakten vorenthalten, werden wir dagegen vor Gericht ziehen. Dass ein Rüstungslobbyist mit Regierungsmitgliedern zu Abend isst, darf nicht erst durch Zufall ans Licht kommen.
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+++ Großspenden-Ticker: Hohe Spenden von Sixt, DVAG und BMW-Erben +++
Die Unions-Parteien und die FDP haben in den vergangenen Tagen mehrere Großspenden erhalten:
- CSU: 121.381 Euro vom Autovermieter Sixt GmbH & Co.
- CDU: je 50.001 Euro von den BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt.
- CDU: 300.000 Euro von der Droege Group AG, einem international tätigen Beratungs- und Investmentunternehmen.
- FDP: 200.000 Euro von der Gröner Family Office GmbH, hinter der der Berliner Immobilienentwickler Christoph Gröner steht.
- FDP: 150.000 Euro von der Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG).
- FDP: 100.000 Euro von dem Unternehmer Walter Wübben, Hauptgesellschafter des Immobilienkonzerns ABG Real Estate Holding.
- FDP: 51.000 Euro von der Unternehmerin Maria-Theresia von Seidlein, Gründerin und Eigentümerin der S&L Mediengruppe, die unter anderem im Bereich Filmverleih aktiv ist.
Eine Großspende muss unverzüglich auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden, wenn sie über 50.000 Euro liegt. Zahlungen unterhalb dieser Schwelle werden erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich – Spenden aus dem laufenden Superwahljahr höchst wahrscheinlich also erst 2022.
abgeordnetenwatch.de fordert eine deutlich frühere Veröffentlichung sowie eine Obergrenze für Parteispenden von Privatpersonen. Lobbyspenden von Unternehmen und Verbänden sollten komplett verboten werden. Wenn Sie derselben Meinung sind, unterschreiben und verbreiten Sie bitte unsere Petition "Lobbyspenden an Parteien verbieten" – über 128.000 Menschen haben bereits mitgemacht.
ARD-Doku "Die Abgeordneten und der Druck der Lobbys" mit abgeordnetenwatch.de
© | Screenshot: abgeordnetenwatch.de |
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wollte für diese Dokumentation kein Interview geben: "Geld. Macht. Politik. Die Volksvertreter und der Druck der Lobbys" heißt ein sehenswerter Film, der am vergangenen Montag in der ARD ausgestrahlt wurde. Klöckners Absage ist nicht verwunderlich. Denn die Nähe ihres Ministeriums zur Lebensmittelindustrie ist eines der Beispiele, an dem die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft aufgezeigt wird. Die Doku greift außerdem Recherchen von abgeordnetenwatch.de zu den teils horrenden Nebeneinkünften von Abgeordneten auf. Auch unsere Kollegin Clara Helming (Foto, links) kommt zu Wort. Sie weist auf Transparenzlücken hin und mahnt konsequentere Sanktionen bei Pflichtverstößen durch Abgeordnete an.
Zur ARD-Doku "Die Abgeordneten und der Druck der Lobbys" (ARD-Mediathek, 45 Minuten)
Empfehlenswert ist auch die Dokumentation "Missbrauch der Macht: Wie anfällig ist unsere Politik?", die das ZDF kürzlich sendete. Der Film thematisiert ebenfalls unsere Recherchen. Hier können sie ihn in der ZDF-Mediathek anschauen (30 Minuten)
Maskenaffäre und Baerbock-Debatte ließen Nachmeldungen sprunghaft ansteigen
© | picture alliance / ZB | Britta Pedersen |
Die Maskenaffäre sowie die Debatte um die nachgemeldeten Einkünfte von Grünen-Chefin Annalena Baerbock haben offenbar zahlreiche Abgeordnete aufgeschreckt: Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL besserten in den darauf folgenden Wochen überdurchschnittlich viele Volksvertreter:innen ihre Angaben nach. Vielfach wurde gegen die Meldefristen verstoßen – Konsequenzen hat das wohl nicht.
Maskenaffäre und Baerbock-Debatte ließen Nachmeldungen sprunghaft ansteigen
Neue Baerbock-Nebentätigkeiten: Am Donnerstag dieser Woche erschienen auf der Bundestagsseite der Grünen-Politikerin mehrere neue, unbezahlte Nebentätigkeiten, unter anderem bei einem Lobbyverband für Erneuerbare Energien sowie einer Denkfabrik. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de hatte Baerbock die Veröffentlichungsfrist um mehrere Jahre überschritten und damit ein weiteres Mal gegen die Verhaltensregeln des Bundestags verstoßen. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, die unseren Bericht aufnahm, räumte eine Sprecherin von Baerbock ein, dass die drei Tätigkeiten früher hätten gemeldet werden müssen (Artikel auf ntv.de).
"Unter der Lupe": Neue Podcast-Folge zu Abstimmungen im Parlament
© | abgeordnetenwatch.de |
In der dritten Folge unseres Politik-Podcasts "Unter der Lupe" geht es um Abstimmungen im Parlament: Wie wichtig ist die Fraktionsdisziplin? Wann werden Abstimmungen als Gewissensentscheidung freigegeben? Und was hat es mit dem "Hammelsprung" auf sich? Antworten auf diese und andere Fragen geben die Parlamentarischen Geschäftsführer:innen Patrick Schnieder (CDU/CSU) und Katharina Dröge (Grüne) im Gespräch mit unserer Kollegin Josephine Andreoli.
Zur aktuellen Podcast-Folge "Abstimmungen im Parlament
Alle zwei Wochen erklären Bundestagsabgeordnete in unserem Podcast "Unter der Lupe", wie die parlamentarischen Prozesse und das Leben im Bundestag laufen oder wie sie zu Themen wie Nebeneinkünften, Parteispenden und Lobbyismus stehen. Die insgesamt acht Folgen erscheinen jeden zweiten Mittwoch bis zur Bundestagswahl und sind auf allen Podcast-Plattformen verfügbar.
Bisher erschienen:
Zeugnisnoten: So reagierten die Bundestagsabgeordneten auf Fragen aus der Bevölkerung (Teil II)
© | abgeordnetenwatch.de |
Wie antwortbereit sind Bundestagsabgeordnete, wenn ihnen Bürger:innen öffentlich über abgeordnetenwatch.de Fragen stellen? Pünktlich zum Ferienstart in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben wir die Antwortbilanz der Volksvertreter:innen in Schulnoten umgerechnet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beantwortete alle ihm gestellten Fragen und erhielt dafür ein "sehr gut". Vom früheren FDP-Fraktionschef Hermann-Otto Solms erhielten Fragesteller:innen dagegen keine inhaltlichen Antworten. Wie Solms erhielt auch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) die Note 6 – sie ließ einen Großteil ihrer Fragen unbeantwortet.
Wer erhält ein "sehr gut", wer antwortete "ungenügend"? Finden Sie es hier heraus
Zeugnisse gab es bislang für die Bundestagsabgeordneten aus Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein. Die übrigen Bundesländer folgen mit Beginn der dortigen Schulferien im Laufe des Julis.
Die Antwortquote ist der objektivierbare, messbare Teil beim Austausch zwischen Abgeordneten und Bürger:innen. Wie kompetent und überzeugend die Abgeordneten dabei sind, darauf müssen wir Bürger:innen natürlich eine eigene Antwort finden.
Fragen und Antworten des Monats
- Oman-Reise | Im Dezember 2018 war die CDU-Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer mit zwei Fraktionskollegen in den Oman gereist – auf Einladung des Sultanats. Eine Bürgerin wollte von Kemmer wissen: "Welche Nutzen werden die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Wahlkreis von dem dreitägigen Kurztrip in das arabische Sultanat Oman haben?" Mit gut einem Jahr Verspätung reagierte die CDU-Abgeordnete nun mit einer ausführlichen Antwort. Derartige Einladungen seien "ein üblicher Vorgang". "Aus unzähligen Gesprächen in meinem Wahlkreis weiß ich, dass es den Menschen auch sehr wichtig ist, dass Deutschland gute und freundschaftliche Beziehungen zu anderen Ländern hat und dass die Chancen für Zusammenarbeit gut erkannt und effizient genutzt werden."
- Xavier Naidoo | Was er von dem öffentlich diskutierten Auftrittsverbot für Xavier Naidoo hält, wollte eine Bürgerin von dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Erhard Grundl wissen. Nach Grundls Auffassung dürfe nicht die Politik entscheiden, was gute und was schlechte Kunst ist – "meine Aussage gilt auch im Falle von Xavier Naidoo". "Selbstverständlich aber darf eine Auftrittsankündigung von Herrn Naidoo auch zu einer Diskussion und Auseinandersetzung mit seinen verschwörungstheoretischen Aussagen genutzt werden. Sich gegen eine Absage des Konzertes auszusprechen ist keine Zustimmung zu diesen Aussagen. Vielmehr ist es ein Bekenntnis zu unserem Grundgesetz, das die Kunstfreiheit garantiert."
- Bundestagskandidatur | Als der FDP-Politiker Christian Jung im Mai in den Landtag Baden-Württemberg gewählt wurde, gab er sein Bundestagsmandat auf. Nun kandidiert Jung erneut für den Bundestag – zum Unverständnis einer Bürgerin: "Wie muss ich mir als Wählerin dies denn jetzt vorstellen: Kandidieren Sie für alle zur Verfügung stehenden Wahlen, um sich persönlich abzusichern, wollen Sie zwei Mandate gleichzeitig wahrnehmen oder wollen Sie im Landtag bleiben?" Jung antwortet, die Nominierung für die anstehende Bundestagswahl sei vor der Aufstellung als Landtagskandidat erfolgt. "Sollte ich bei der Bundestagswahl im Herbst wieder über die Landeliste in den Bundestag gewählt werden, werde ich das Mandat nicht annehmen."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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