„Liebe Angela“, schrieb ein alter Bekannter im vergangenen September an die Bundeskanzlerin, "eine Freude, Dich so guter Dinge zu sehen." Die freundliche Mail, die wir erstmals öffentlich machen, birgt politische Brisanz. Denn sie belegt ein Lobbytreffen zwischen der Kanzlerin und Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, das vom Kanzleramt bislang geheim gehalten wurde. Mehr dazu in diesem Newsletter.
Die Themen in der Übersicht:
- Bundesregierung hielt brisantes Lobbytreffen geheim
- Nie ans Licht gekommen
- Note "Mangelhaft": Unser Offener Brief zu den Lobbyregister-Plänen der GroKo
- Online-Diskussion: Stellen Sie Ihre Fragen an zwei Lobbyisten
- Freiwillige Transparenzoffensive: Abgeordnete stellen Steuerbescheid und Lobbykontakte ins Netz
- Fragen und Antworten des Monats
Meist aufgerufener Artikel im vergangenen Newsletter: Millionen aus anonymen Quellen – wer bezahlt unsere Abgeordneten?
Bundesregierung hielt brisantes Lobbytreffen geheim
© | Foto: picture alliance / dpa | Rainer Jensen |
Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich bei Kanzlerin Angela Merkel stärker für das umstrittene Unternehmen Augustus Intelligence eingesetzt als angenommen. Das New Yorker Startup steht im Mittelpunkt der Amthor-Affäre. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de traf Guttenberg die Kanzlerin am 3. September 2019 zu einem bislang unbekannten Gespräch über die Firma, bei der er unterschiedliche Posten innehatte. Wir veröffentlichen hierzu erstmals interne Dokumente aus dem Kanzleramt.
Durch unsere Recherchen steht nun der Verdacht im Raum, die Bundesregierung habe die brisante Unterhaltung bewusst gegenüber dem Bundestag verheimlicht. Die Opposition verlangt Aufklärung.
Bundesregierung hielt brisantes Lobbytreffen geheim
Unsere Recherche wurde unter anderem vom SPIEGEL und dem Tagesspiegel aufgenommen:
Nie ans Licht gekommen
© | benben / Flickr / CC BY-NC-SA 2.0 |
Nun könnte man sagen: Ja, es ist empörend, dass das Kanzleramt ein Lobbytreffen unter den Teppich kehrte - doch zum Glück soll es ja bald ein Lobbyregister geben! Die bittere Wahrheit ist aber: Die Groko-Pläne für ein Lobbyregister sind derart erbärmlich, dass das brisante Gespräch zwischen Guttenberg und Merkel auch mit dem geplanten Lobbyregister nie ans Licht gekommen wäre.
Was ist das für ein Lobbyregister, mit dem Lobbyarbeit weiter in einer Dunkelkammer stattfinden kann?
Der kürzlich durchgesickerte Groko-Entwurf (s.u.) hat uns empört, weil er voller Schlupflöcher ist. Wenn sich CDU/CSU und SPD mit ihrem Plan durchsetzen, werden wir auf Jahre mit einem Etikettenschwindel leben müssen: Ein Gesetz, auf dem zwar "Lobbyregister" steht, bei dem aber keines drinsteckt.
Dies gilt es nun gemeinsam abzuwenden. Die Zeit drängt, denn in den nächsten Wochen wollen Union und SPD Nägel mit Köpfen machen und ihren Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Helfen Sie uns dabei, das Schmalspur-"Lobbyregister" der Groko zu verhindern und statt dessen strenge Transparenzregeln für Lobbyakteure durchzusetzen! Werden Sie jetzt Förder:in von abgeordnetenwatch.de (schon ab 5 Euro im Monat und steuerlich absetzbar). Auf diese Weise ermöglichen Sie weitere Recherchen und öffentlichen Druck.
Note "Mangelhaft": Unser Offener Brief zu den Lobbyregister-Plänen der GroKo
© | Papiertrümmer / Flickr / CC BY 2.0 |
Als kürzlich der Entwurf von Union und SPD für ein Lobbyregister an die Öffentlichkeit gelangte, wurden unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Denn das Lobbyregister a la Groko ist weitgehend wirkungslos gegen geheimen Lobbyismus, da wesentliche Transparenzmaßnahmen fehlen: Lobbytreffen können weiter im Verborgenen stattfinden, Lobbyakteure dürfen Angaben zu ihren Ausgaben unter Verschluss halten - und die Bundesregierung ist sogar ganz ausgeklammert.
In einem Offenen Brief haben wir Union und SPD aufgefordert, ein Lobbyregister ohne Schlupflöcher zu beschließen. Initiiert wurde das Schreiben von abgeordnetenwatch.de und LobbyControl, fünf weitere Organisation haben sich angeschlossen.
Keine Freundin eines Lobbyregisters ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wie sie kürzlich bei einer Pressekonferenz hat durchblicken lassen. Vor diesem Hintergrund hat STERN-Reporter Hans-Martin Tillack einen lesenswerten Kommentar geschrieben, in dem auch Recherchen von abgeordnetenwatch.de eine Rolle spielen:
Online-Diskussion: Stellen Sie Ihre Fragen an zwei Lobbyisten
Mit wem ließe sich besser über Lobbyismus sprechen (und streiten), als mit zwei Lobbyisten?! Wir haben deswegen zwei Profis für eine Online-Diskussion gewinnen können: Zum einen den Lobbyisten des Bayer-Konzerns (und früheren Grünen-Abgeordneten) Matthias Berninger, zum anderen John Weitzmann von Wikimedia, der die Interessen eines gemeinnützigen Vereins vertritt. Das Gespräch werden wir in der kommenden Woche aufzeichnen und anschließend als Video veröffentlichen. Haben Sie Fragen, die wir den beiden Interessenvertretern stellen sollen? Dann schicken Sie uns gerne bis Montag, 17 Uhr, eine kurze und prägnante Frage an info@abgeordnetenwatch.de (Betreff: Lobby-Diskussion).
Freiwillige Transparenzoffensive: Abgeordnete stellen Steuerbescheid und Lobbykontakte ins Netz
© | Screenshot: abgeordnetenwatch.de |
Transparenz schafft Vertrauen: Weil ihnen die bestehenden Transparenzpflichten des Bundestages zu lasch sind, stellen zahlreiche Abgeordnete den Steuerbescheid ins Netz und legen ihre Lobbytreffen offen. Doch volle Transparenz geht einigen von ihnen zu weit. Seine finanziellen Verhältnisse mache er gerne öffentlich, sagt ein Parlamentarier, doch seine Lobbytreffen nicht. Denn dann würde niemand mehr ein vertrauliches Gespräch mit ihm als Abgeordneter führen wollen.
Diese Abgeordnete stellen Steuerbescheid und Lobbytreffen ins Netz
Fragen und Antworten des Monats
- Hohenzollern | Wie er zu den Entschädigungsforderungen der Familie Hohenzollern stelle, will ein Fragesteller von dem SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup wissen. Dieser antwortet: "Gar nichts schulden die Republik und das deutsche Volk dieser Familie!" 700.000 Zivillisten, vor allem Kinder, Frauen und alte Menschen, seien im ersten Weltkrieg in Deutschland verhungert, "während die Hohenzollern sich Schlösser bauen ließen. Ein Hohn, hundert Jahre danach gerade dieses Schloss zu beanspruchen." Wie andere Herrscherhäuser habe diese Dynastie "ihre Untertanen ausgeplündert und für ihre Interessen missbraucht, Kriege in Deutschland und Europa angezettelt sowie internationale Krisen geschürt und fremde Völker unterjocht."
- Facebook-Kommentare | Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner geriet kürzlich in die Schlagzeilen, weil er sich während einer Bahnfahrt der Aufforderung eines Schaffners widersetzt hatte, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen – es folgte ein Polizeieinsatz. Auf Brandners Facebookseite kam es anschließend zu einer Diskussion über den Vorgang. Ein Bürger wollte dazu von dem AfD-Politiker via abgeordnetenwatch.de wissen, warum er Menschen, die ihn auf seinem Facebookprofil kritisierten, "jedoch ausdrücklich nicht persönlich beleidigen", blockiere und deren Kommentare lösche. Brandners Antwort: Er moderiere seine Facebookseite "natürlich nicht selbst". Zur Moderationsentscheidung könne er im Einzelfall daher keine Angaben machen.
- Doktortitel | Ein Bürger schreibt dem Linken-Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch: "Dem Wikipedia-Eintrag zu Ihrer Person entnehme ich, dass Sie noch 1990 an der 'Akademie für Gesellschaftswissenschaften' beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in Moskau zum Dr. rer. oec. promoviert wurden." Er interessiere sich für eine Zusammenfassung der Arbeit, "da sie im hiesigen Bibliotheksleihbetrieb nicht erhältlich ist". Der Abgeordnete antwortet: "Die Dissertation kann meines Wissens weiter in Moskau eingesehen werden. Freundliche Grüße, Dr. Dietmar Bartsch"
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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