Normalerweise sind es Lobbyist:innen, die sich mit einer Bitte an die Politik wenden, doch am 28. Juni war es umgekehrt. An diesem Tag bat Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Porsche-Chef per SMS um "argumentative Unterstützung" in Sachen E-Fuels. Lindners Textnachricht ist die einzige von mehr als einem Dutzend SMS, die bislang im Zusammenhang mit #Porschegate öffentlich geworden ist – und dabei soll es auch bleiben: Das Finanzministerium hat vor kurzem einen Auskunftsantrag von uns abgelehnt. Mehr dazu in diesem Newsletter. Außerdem: Die CDU hat ihre sechste Großspende in diesem Jahr erhalten.
Unsere Themen:
- Antrag abgelehnt – Lindners SMS bleiben unter Verschluss
- Wie die Bundesregierung Transparenz aushebelt
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisung an die CDU +++
- Lindner-Kredit | Gut vernetzte Lobbyagentur | Lücken im Lobbyregister: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
- Bundeswehreinsatz im Irak: So stimmten die Abgeordneten
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten angeklickter Link im letzten Newsletter: Verkehrsministerium will Lobbyisten vor Transparenz bewahren
Antrag abgelehnt – Lindners SMS mit Porsche-Chef Blume bleiben unter Verschluss
© | picture alliance/dpa | Michael Kappeler |
15 SMS haben sich Christian Lindner und Porsche-Chef Blume allein im Juni und Juli hin und her geschickt. Das Finanzministerium hält die Textnachrichten für inhaltlich wenig relevant bzw. privat und hat einen Auskunftsantrag von abgeordnetenwatch.de vor kurzem abgelehnt. Auch das Verkehrsministerium von Volker Wissing will Unterlagen zu seinen Porsche-Terminen nicht herausgeben.
Antrag abgelehnt – Lindners SMS mit Porsche-Chef Blume bleiben unter Verschluss
Wie die Bundesregierung Transparenz aushebelt
© | picture alliance / dpa | Wolfgang Kumm |
Von Angela Merkel ist bekannt, dass sie als Kanzlerin bevorzugt per SMS kommunizierte. Der Austausch per Textnachrichten hat für Regierungsmitglieder einen unschätzbaren Vorteil: Im Gegensatz zu E-Mails werden SMS nicht öffentlich. Trotz vielfacher Bemühungen von Journalist:innen ist es bis heute nicht gelungen, über das Informationsfreiheitsgesetz an Merkels SMS zu kommen. Genauso verhält es sich jetzt mit den Textnachrichten von Finanzminister Christian Lindner in Sachen Porschegate: Sein Ministerium will sie nicht an uns herausgeben.
Warum aber können das Finanzministerium und das Kanzleramt die SMS von Lindner und Merkel erfolgreich unter Verschluss halten? Sie behaupten einfach, die Textnachrichten seien nicht "aktenrelevant" – und was nicht in einer Akte steht, so die Argumentation, muss auch nicht herausgeben werden. Ob eine SMS tatsächlich aktenrelevant ist oder nicht, ist allerdings nicht nachprüfbar. Am Ende entscheiden darüber die Betroffenen selbst, also in diesem Fall Angela Merkel und Christian Lindner persönlich.
Für Lobbyist:innen ist das natürlich ein Anreiz, um mit Regierungsmitgliedern diskret per SMS oder Messengern zu kommunizieren. Bisher ist kein Fall bekannt, in dem eine Behörde eine Textnachricht auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes herausgegeben hat. Anders ist es bei E-Mails, die Lobbyist:innen an die Kanzlerin oder ein anderes Regierungsmitglied geschrieben haben – sie wurden schon häufig öffentlich. Vielfach ließ sich so ein versuchte Lobbyeinfluss belegen, zum Beispiel hier (Sigmar Gabriel für die Deutsche Bank), hier (Karl-Theodor zu Guttenberg für Wirecard) und hier (Philipp Amthor für Augustus Intelligence).
Und damit wären wir beim Bundesverkehrsministerium (BMDV) von Volker Wissing.
Das BMDV will Unterlagen zu Lobbykontakten grundsätzlich unter Verschluss halten. Nicht einmal Kalendereinträge zu Treffen sollen bekannt werden (wir berichteten). Das Ministerium behauptet, Lobbykontakte seien ein so zentraler und schützenswerter Bestandteil des Regierungshandelns, dass entsprechende Dokumente nicht herausgegeben werden dürfen. Die Begründung dafür ist abenteuerlich, denn sie lautet: Wenn Porsche oder ein anderer Lobbyakteur damit rechnen muss, dass sein Gespräch mit dem Ministerium bekannt wird, wird er künftig keinen Kontakt mehr zur Bundesregierung aufnehmen.
Setzt sich das Verkehrsministerium mit dieser Auffassung durch, wären Lobbykontakte künftig der öffentlichen Kontrolle weitgehend entzogen. Um dies zu verhindern, haben wir nun offiziell Widerspruch gegen die Entscheidung des Ministeriums eingelegt.
Dass die Lobbyaktivitäten von Porsche und Co. als schutzwürdig deklariert werden, ist gefährlich: Wenn Ministerien keine Unterlagen zu Lobbykontakten mehr herausgeben müssten, würde Lobbyismus vollkommen in einer Dunkelkammer verschwinden. Sollte das Ministerium von Volker Wissing unseren Widerspruch ablehnen, werden wir eine Klage prüfen.
Demokratie braucht eine wachsame Öffentlichkeit. Bitte unterstützen Sie uns dabei, die Arbeit der Regierung zu kontrollieren – mit weiteren Recherchen, Auskunftsanträgen und notfalls auch mit Klagen. Ihre Spenden sind übrigens steuerlich absetzbar.
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+++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisung an die CDU +++
Die CDU hat eine 55.000 Euro-Spende vom Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen erhalten. Es war die sechste Großspende der Partei seit Jahresbeginn.
Parteien müssen Großspenden von mehr als 50.000 Euro unverzüglich bei der Bundestagspräsidentin melden, anschließend werden sie auf der Bundestagswebsite veröffentlicht. In diesem Jahr gab es insgesamt zehn solcher Spenden mit einem Gesamtwert von 690.000 Euro:
- CDU: 420.000 Euro (sechs Großspenden)
- Grüne: 190.000 Euro (drei Großspenden)
- DKP: 80.000 Euro (eine Großspende)
Die Ampel-Koalition will den Betrag, ab dem hohe Spenden sofort gemeldet und veröffentlicht werden müssen, von 50.000 auf 35.000 Euro absenken. Dies steht im Koalitionsvertrag aus dem Dezember 2021. Umgesetzt ist das Vorhaben bislang nicht.
Lindner-Kredit | Gut vernetzte Lobbyagentur | Lücken im Lobbyregister: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
Neben unserer Website liefern wir auch bei Twitter, Instagram und Facebook Hintergründe zu aktuellen Themen sowie zu unseren Recherchen. Hier einige Beispiele aus den vergangenen Tagen:
- Lindner-Kredit: FDP-Chef Christian Lindner hat eine Immobilie in Berlin gekauft - mit einem Millionen-Kredit einer Bank, mit der er als Minister und Abgeordneter zu tun hatte, berichtet der SPIEGEL. Hier auf Twitter zeigen wir das Video, mit dem Lindner für die BBBank als "Markenbotschafter" aufgetreten war und welche Vortragshonorare er als Abgeordneter von der Bank erhielt.
- Gut vernetzte Lobbyagentur: Die Berliner Agentur Republic Affairs wirbt auf ihrer Website damit, "Botschaften und Interessen erfolgreich an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu platzieren". Seit kurzem hilft dabei die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Gisela Manderla, die als Partnerin bei der Agentur eingestiegen ist. Hier auf Twitter zeigen wir, welche weiteren Ex-Politiker:innen für Republic Affairs tätig sind, unter anderem ein ehemaliger FDP-Chef. A propos Gisela Manderla: Vor ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2021 hatte die Verteidigungsexpertin in ihrem Abgeordnetenbüro die Ehefrau eines Rüstungslobbyisten beschäftigt – ausgerechnet als Referentin für Verteidigungspolitik. Unsere damalige Recherche können Sie hier nachlesen.
- Lücken im Lobbyregister: Unsere gemeinsame Recherche mit ZEIT und ZDF Magazin Royale zu den Lobbyjobs von Ex-Abgeordneten hatte mehrere Lücken im Lobbyregister sichtbar gemacht. Hier (Sigmar Gabriel), hier (Peter Tauber) und hier (Johannes Kahrs) zeigen wir auf Instagram Beispiele für die bestehenden Missstände. Unsere Recherche zu den Seitenwechsler:innen können Sie noch einmal hier auf unserer Website nachlesen.
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Bundeswehreinsatz im Irak: So stimmten die Abgeordneten
Der Bundestag hat die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Irak um ein Jahr beschlossen. Mit dem NATO-geführten Einsatz soll das Erstarken des sogenannten Islamischen Staates verhindert werden. Wie die 736 Abgeordneten gestimmt haben, erfahren Sie hier:
Fragen und Antworten des Monats
- Soziale Medien | Ein "Like" auf einer Sozialen Plattform wie Facebook oder Twitter kann eine strafbare Äußerung sein, hat kürzlich das Landgericht Meiningen geurteilt. Wie sie zu dieser Entscheidung stehe, wollte ein Bürger von der FDP-Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr wissen. Die Politikerin schreibt in ihrer Antwort, es sei ihr ein wichtiges Anliegen, für effektive Strafverfolgung zu sorgen und gleichzeitig die Bürgerrechte zu wahren. "Ganz persönlich und grundsätzlich bin ich insoweit schon der Auffassung, dass im Einzelfall auch ein Like strafwürdiges Unrecht sein kann."
- Linkspartei | Ein Bürger fragt Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali: "Dulden Sie den Teil Ihrer Partei, der unsere Gesellschaftsordnung überwinden will?" Er selbst stimme zwar in Vielem mit Inhalten der Partei überein, doch der Flügel, der die parlamentarische Demokratie überwinden wolle, mache die Linke für ihn ebenso unwählbar wie das Zaudern gegenüber dem russischen Präsidenten Putin. In ihrer Antwort geht Mohamed Ali nur indirekt auf die Frage ein. Ihre Partei habe "den von Wladimir Putin befohlenen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sofort verurteilt. Wir fordern unter anderem einen Waffenstillstand und den vollständigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine."
- Russland | "Sehr geehrte Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann", schreibt ein Bürger an die FDP-Verteidigungspolitikerin, "russische Kriegsmaschinerie vernichtet in der Ukraine Kraftwerke etc. Weshalb werden in Europa russische Botschaften nicht von Versorgung abgeschnitten?" Strack-Zimmermanns fällt kurz und knapp aus: "Weil in der Europäischen Union grundsätzlich die Rechtsstaatlichkeit gilt."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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