Über Jahre hinweg hat ein CSU-Bundestagsabgeordneter gegen die Transparenzregeln verstoßen – und das unter den Augen der Bundestagsverwaltung. Außerdem in diesem Newsletter: Julia Klöckner und die Nähe zur Lebensmittelindustrie
Unsere Themen in der Übersicht:
- Abgeordneter verheimlichte jahrelang Nebeneinkünfte – mit dem Wissen des Bundestages
- Verstöße gegen Transparenzpflichten: Kaum was zu befürchten
- Julia Klöckner und die Nähe zur Lebensmittelindustrie
- Corona-Maßnahmen, Grundsicherung, Bundeswehreinsatz – so stimmten Ihre Abgeordneten
- Interner Lagebericht zu Corona: Wie die Bundesregierung die wirtschaftliche Situation beschreibt
- Fragen und Antworten des Monats
Meist geklickter Artikel aus dem vorherigen Newsletter: Fragwürdiger Auftrag an FDP-Großspenderin – warum ein digitales Schulprojekt in NRW seit Monaten auf Eis liegt
Abgeordneter verheimlichte jahrelang Nebeneinkünfte – mit dem Wissen des Bundestages
© | Henning Schacht / CC BY-SA 3.0 de |
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger hat jahrelang Nebeneinkünfte vor der Öffentlichkeit verborgen, ohne dass es für ihn spürbare Konsequenzen hatte. Straubinger arbeitete bis letzten Herbst als Generalvertreter der Allianz-Versicherung, ist Beirat eines Sparkassenverbandes und Landwirt – in allen Fällen meldete er Nebeneinkünfte verspätet, teilweise überschritt er die Frist um mehrere Jahre. Die wiederholten Verstöße waren der Bundestagsverwaltung seit 2011 bekannt, doch erst jetzt erhielt Straubinger vom Bundestagspräsidenten eine formale Rüge. Recherchen von abgeordnetenwatch.de zeigen unterdessen, dass sich Verstöße durch Abgeordnete gegen die Transparenzpflichten in den letzten Jahren häufen. Dass immer mehr Fälle ans Licht kommen, könnte auch mit einer unserer Klagen zu tun haben. Mehr:
Abgeordneter verheimlichte jahrelang Nebeneinkünfte – mit dem Wissen des Bundestages
Lesen Sie außerdem: Einkünfte nicht gemeldet – wie wir die Lüge der CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Strenz nachwiesen (Archiv)
Verstöße gegen Transparenzpflichten: Kaum was zu befürchten
Stellen Sie sich das einmal bei Ihrer Arbeit vor: Ein Kollege verstößt immer wieder gegen Vorgaben, einmal, zweimal, dreimal – und es passiert: nichts.
So lief es offenbar jahrelang im Deutschen Bundestag. Der CSU-Bundestagsabgeordneten Max Straubinger scherte sich einfach nicht um das Abgeordnetengesetz und die Verhaltensregeln, sondern hielt die Meldung seiner Nebeneinkünfte teilweise mehrere Jahre zurück. Hin und wieder bekam er einen schriftlichen Hinweis von der Bundestagsverwaltung, die Verhaltensregeln doch bitte einzuhalten – und hielt sich wieder nicht daran.
Die Wahrheit ist: Abgeordnete haben derzeit kaum etwas zu befürchten. Im äußersten Fall droht ihnen eine Geldstrafe, doch eine solche wurde überhaupt erst ein einziges Mal verhängt (im Fall der CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Strenz, deren Geheimhaltung von Nebeneinkünften wir 2017 nachwiesen).
Was es deswegen braucht ist Öffentlichkeit. Es wirkt abschreckend, wenn Politiker:innen damit rechnen müssen aufzufliegen. Es wirkt abschreckend, wenn die Menschen in ihrem Wahlkreis erfahren: Unser Abgeordneter oder unsere Abgeordnete verheimlicht Nebeneinkünfte.
Wir stellen diese Öffentlichkeit her, indem wir Verstöße gegen Transparenzpflichten aufdecken. Unterstützen Sie uns dabei – werden Sie Förder:in von abgeordnetenwatch.de! Mit Ihrer Förderung ermöglichen Sie weitere Recherchen für eine saubere und transparente Politik! (Förderbeiträge für abgeordnetenwatch.de können Sie übrigens von der Steuer absetzen.)
Übrigens: Die allermeisten Abgeordneten halten sich an die Transparenzpflichten. Doch einige wenige tun dies nicht.
Julia Klöckner und die Nähe zur Lebensmittelindustrie
Wieder einmal sieht sich Bundesernährungsministerin Julia Klöckner der Kritik wegen ihrer zu großen Nähe zur Lebensmittelindustrie ausgesetzt. Klöckner trat kürzlich in einer von dem Portal BILD.de organisierten Kochshow mit Fernsehkoch Johann Lafer auf – gesponsert von einer großen Supermarktkette. Bei einer anderen Gelegenheit hatte die Ministerin lobende Worte für den Lebensmittelkonzern Nestlé gefunden, mit dessen Deutschland-Chef sie in einem Video auftrat. Beides passt zu einer Geschichte, die wir vor einiger Zeit recherchiert haben: Klöckner erfreute den Lobbyverband der deutschen Brauereiwirtschaft, indem sie eine Bierwerbung im Internet verbreitete.
Warum die Ernährungsministerin eine Bierwerbung im Internet verbreitete (Archiv)
Corona-Maßnahmen, Grundsicherung, Bundeswehreinsatz – so stimmten Ihre Abgeordneten
Der Bundestag hat in den vergangenen Tagen über mehrere wichtige Themen abgestimmt. Die Abgeordneten beschlossen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie, darunter eine dauerhafte Meldepflicht von COVID-19-Infektionen sowie die Kostenübernahme der Tests durch die Krankenversicherungen. Ebenfalls angenommen wurde die Beteiligung Deutschlands an einem Corona-Stabilitätsmechanismus, der Euro-Staaten absichern soll, die mit der finanziellen Bewältigung der Pandemie überfordert sind.
Darüber hinaus stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten für eine Beteiligung der Bundeswehr an einem EU-geführten Einsatz im Mittelmeer, mit dem der Seeraum überwacht und das Waffenembargo gegen Libyen kontrolliert werden soll. Keine Mehrheit fand ein Grünen-Antrag zur Erhöhung des Regelsatzes der Grundsicherung. Wie Ihre Wahlkreisabgeordnete abstimmten, haben wir hier für Sie zusammengetragen (PLZ eingeben):
Interner Lagebericht zu Corona: Wie die Bundesregierung die wirtschaftliche Situation beschreibt
© | Pixabay |
„Corona-Folgen für die Wirtschaft: Nackte Zahlen, blanker Horror“ – unter dieser Überschrift berichtete der SPIEGEL kürzlich über ein internes Regierungspapier. In dem Lagebericht beschreiben die Beamt:innen die aktuelle Situation "mit drastischen Worten", so der SPIEGEL. Doch wie in den allermeisten Fällen üblich, zitierten die Journalisten zwar aus dem ihnen vorliegenden Dokument, doch öffentlich machten sie es nicht. Wir machen den internen Lagebericht nun für die Allgemeinheit zugänglich.
Interner Lagebericht zu Corona: Wie die Bundesregierung die wirtschaftliche Situation beschreibt
Fragen und Antworten des Monats
- Virologen | FDP-Chef Christian Lindner kritisierte kürzlich in einer Diskussionssendung, dass Virologen teils gegensätzliche Aussagen träfen. Namentlich nannte er den Virologen Prof. Christian Drosten von der Berliner Charité. Ein Fragesteller schreibt an den FDP-Chef: „Es wirkte so, als hätten Sie nicht die vollständige Podcast-Quelle [von Drosten] gelesen/gehört, sondern Ihre Meinung nur basierend auf einem BILD-Artikel dazu gegründet. Denken Sie, dass es angemessen und der Sache förderlich ist, Herrn Prof. Drosten (bzw. die Wissenschaft insgesamt) basierend auf schnellem BILD-Halbwissen derart zu diffamieren?“
- Himmel und Hölle | Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding antwortet einem Bürger zum Thema Termingeschäfte mit einem Gleichnis. „Da fällt mir ein Dialog ein, dessen Urheberschaft ich nicht parat habe: Fragt einer (dessen frühere berufliche Aufgabe mir entfallen ist) den Pfarrer hinter vorgehaltener Hand und ganz privat: „Herr Pfarrer, ich würde so gern mein Gold mit hinüber nehmen. Können Sie da nichts für mich machen?“ Der Pfarrer antwortet. „Könnte ich vielleicht schon, aber bei Ihnen würde es doch ohnehin gleich schmelzen.“ Der SPD-Politiker hat auch noch einen Wunsch für den Fragesteller parat: „Auch wenn Sie nun ausgerechnet im Zusammenhang mit Termingeschäften den 'Weg zur Hölle' assoziieren, wünsche ich Ihnen, dass Sie in den Himmel kommen.“
- Rechtsanwaltskanzlei | Ein Bürger fragt Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD), warum die Parlamentsverwaltung zur Abwehr einer Auskunftsklage von abgeordnetenwatch.de eine namhafte Großkanzlei beauftragt habe und so Steuergelder verschwende. Oppermann schreibt, es gehe in dem Rechtsstreit um eine für das Parteienrecht „sehr bedeutsame Grundsatzfrage“. Es sei daher legitim, „wenn der Deutsche Bundestag den gesamten Instanzenzug ausschöpft, um Rechtssicherheit zu gewinnen. Dazu gehört im Übrigen auch, dass er für eine optimale Prozessvertretung sorgt.“ (Hintergrundlektüre zur Transparenzklage von abgeordnetenwatch.de: Wie der Bundestag Unterlagen zu Parteispenden unter Verschluss halten wollte).
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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