Für ein Lobbyregister ohne Schlupflöcher
Berlin, 24. August 2020
Sehr geehrter Herr Bartke, sehr geehrter Herr Schnieder,
sehr geehrter Herr Frei, sehr geehrter Herr Wiese,
sehr geehrte Abgeordnete der Fraktionen CDU/CSU und SPD,
wir begrüßen es, dass Sie sich als Verhandlungsführer der Koalitionsfraktionen im Grundsatz auf die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters geeinigt haben. Nun haben Sie die historische Gelegenheit, die repräsentative Demokratie in Deutschland in bedeutendem Maße zu modernisieren und zu stärken. Mehr Transparenz in der Interessenvertretung stärkt die Demokratie, macht Politik verständlicher und schafft Vertrauen.
Einen großen Wurf zu schaffen wäre zudem ein wichtiges Signal, auch und gerade in einer Zeit, in der Deutschland mit der EU-Ratspräsidentschaft zusätzlicher Einfluss und eine besondere Ausstrahlung zukommen. Klingt nach hohen Erwartungen? Stimmt. Und: Die beste Option für eine zeitgemäße Demokratie des 21. Jahrhunderts wäre es, diese tatsächlich zu erfüllen. Sie haben die Macht und die Möglichkeiten dazu, bitte nutzen Sie diese!
Damit das Lobbyregister auch tatsächlich zu einem echten Zugewinn an Transparenz und damit Vertrauen in demokratische Entscheidungen führt, sind aus unserer Sicht folgende Punkte von größter Wichtigkeit:
Adressat:innen – Das Lobbyregister sollte nicht die Verfassungsorgane in den Blick nehmen, mit denen Interessenvertretungen in Kontakt treten, sondern die Interessenvertretungen selbst. Dieser Fokus ist sowohl verfassungsrechtlich als auch demokratietheoretisch geboten: Transparenzpflichten sollen von den Akteuren erfüllt werden, deren professionelle Arbeit darauf zielt, politischen Einfluss auf die Arbeit der Verfassungsorgane zu nehmen. Die Verfassungsorgane selbst sollen in ihrer Arbeit hingegen nicht eingeschränkt oder mit zusätzlichen Anforderungen belastet werden.
Gegenstand – Der Bundestag bildet den Kern der Gesetzgebung und ist dementsprechend wichtiges Ziel von Interessenvertretung. Doch ein Lobbyregister muss Lobbyarbeit gegenüber der Legislative und der Exekutive erfassen. Ein Register, das die Interessenvertretung gegenüber der Exekutive ausklammert, würde der politischen Wirklichkeit nicht gerecht und sein Ziel weit verfehlen. Die Ministerien sind als Ziel von Lobby-Bemühungen mindestens ebenso bedeutsam wie das Parlament, da dort die meisten Gesetzentwürfe erarbeitet werden. Darüber hinaus werden in den Ministerien, den ihnen zugeordneten Behörden, im Kanzleramt und im Kabinett Entscheidungen getroffen, die keine Gesetzesform haben, politisch und gesellschaftlich jedoch von weitreichender Bedeutung sind. Ein Lobbyregister, das nur den Bundestag erfasst, setzt zudem beispielsweise für Lobby-Agenturen den Anreiz, Aufträge in Tochterfirmen auszulagern, die die Lobbyarbeit gegenüber den Ministerien durchführen. Damit würde im Ergebnis ein irreführendes Bild der Realität politischer Interessenvertretung entstehen. Dabei ist gerade im Bereich der im Auftrag Dritter handelnden Lobbyfirmen das öffentliche Interesse an einer unverzerrten Darstellung unbestreitbar am größten.
Gesetzliche Regelung – Veröffentlichungs- und Registrierungspflichten gehen mit Eingriffen in Grundrechte einher, die nicht nur gerechtfertigt sein müssen, sondern auch einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, um wirksam zu sein. Ein Lobby-Transparenzgesetz stellt die einzige Möglichkeit dar, alle Interessenvertretungen gleichermaßen effektiv an Transparenzpflichten zu binden.
Verpflichtung – Stellen Sie sicher, dass sämtliche professionell Lobbyarbeit betreibende Akteure registrierungspflichtig sind. Ob Verband, Unternehmen, NGO, Stiftung, Public Affairs-Agentur oder mit Lobbyarbeit beauftragte Anwaltskanzlei: Für alle müssen dieselben Regeln, Pflichten und Rechte gelten.
Aufsicht/Kontrolle – Pflichtverletzungen wie beispielsweise Falschangaben oder Verweigerung der Registrierung müssen Konsequenzen haben. Die registerführende Stelle braucht entsprechende Kompetenzen, um Pflichtverletzungen nachgehen und sanktionieren zu können. Dabei sollte sie institutionell unabhängig und parteipolitisch neutral sein. Ein Vorbild könnte hier Frankreich sein: Die dortige “Hohe Behörde für die Transparenz des öffentlichen Lebens” führt regelmäßig Kontrollen von registrierten wie auch von nicht registrierten Akteuren durch und prüft, ob den Anforderungen des Lobbyregisters Genüge getan wird.
Aussagekräftige Angaben – Zur Bewertung des Umfangs und der Hintergründe der Interessenvertretung gegenüber Bundestag, Ministerien und Bundesregierung sind bestimmte Angaben unerlässlich. Das sind Angaben zu den Auftraggebern und zur Finanzierung, zu den Ausgaben für Lobbyarbeit sowie zu den konkreten Aktivitäten, einschließlich der Angabe, mit welchen Stellen Kontakt aufgenommen wurde. So würde beispielsweise sichtbar, ob und mit welchen Ministerien und Abgeordneten eine sich für eine Änderung eines Gesetzentwurfs bemühende Interessenvertretung bereits im Kontakt stand. Diese Informationen sind auch für die parlamentarische und gesetzgebende Arbeit im Bundestag wichtig und können die Informationsgrundlage für Entscheidungen verbessern. 2/3
Über 400.000 Menschen haben die Forderung von LobbyControl und abgeordnetenwatch.de nach einem vorbildlichen Lobbyregister ohne Schlupflöcher unterzeichnet. Bitte setzen Sie sich für eine offene, nachvollziehbare und damit starke parlamentarische Demokratie ein, denn das kommt am Ende der ganzen Gesellschaft zugute.
Die Initiatoren:
abgeordnetenwatch.de & LobbyControl
Mitgezeichnet von:
Bürgerbewegung Finanzwende, Campact, Democracy International, Mehr Demokratie, Open Knowledge Fundation