EU-Wahl: So antworteten die deutschen Spitzenkandidierenden auf Bürgerfragen | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
EU-Wahl: So antworteten die deutschen Spitzenkandidierenden auf Bürgerfragen
Seit Anfang April und bis zur Wahl des Europäischen Parlamentes am 26. Mai können Bürgerinnen und Bürger alle deutschen Kandidierenden öffentlich auf www.abgeordnetenwatch.de/eu befragen. Bisher wurden insgesamt über 1.600 Fragen an die fast 1.300 Kandidatinnen und Kandidaten gestellt. Davon sind aktuell über eintausend beantwortet, also ca. zwei Drittel aller Fragen.
29 der 40 Spitzenkandidierenden haben aktuell Fragen erhalten. Während besonders die Spitzenkandidierenden der kleineren Parteien auf abgeordnetenwatch.de sehr aktiv sind und Wählerfragen schnell beantworten, verhalten sich die Bewerberinnen und Bewerber auf den ersten Listenplätzen der großen Parteien unterschiedlich auf der Bürgerplattform.
Barley in Spitzenposition
Die meisten Fragen auf www.abgeordnetenwatch.de/eu hat bisher SPD-Spitzenkandidatin und noch amtierende Bundesjustizministerin Katarina Barley erhalten – 69 insgesamt – wovon sie bereits knapp zwei Drittel beantwortet hat. Thematisch dominiert bei Barley wie auch bei allen Fragen die Themen-Kategorie „Demokratie und Bürgerrechte“ (die 23 von den Fragestellenden wählbaren Oberthemen werden von abgeordnetenwatch.de festgesetzt).
Bei der Frage eines Bürgers, wie es sein könne, dass „Regierungschefs wie Orban und Salvini EU-Subventionen gerne mitnehmen aber ansonsten die EU am liebsten abschaffen würden“, antwortet die Sozialdemokratin entschlossen, dass „Mitgliedstaaten mit spürbaren Kürzungen der Zuwendungen aus dem EU-Haushalt sanktioniert werden sollten, wenn sie gegen rechtsstaatliche Standards verstoßen“.
Auf die Frage „Wie steht die SPD zur Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge durch die EU?“ bleibt Barley aktuell noch eine Antwort schuldig.
Persönliche Frage an Ska Keller
Von den anderen Spitzenkandidierenden der bereits im EU-Parlament vertretenen Parteien hat Grünenpolitikerin Ska Keller aktuell die meisten Fragen bekommen. Auf 76 Prozent der mehr als 35 an sie gestellten Fragen hat Keller bisher reagiert.
Die Themen sind bei ihr und auch bei ihrem Co-Spitzenkandidaten Sven Giegold, der bisher 18 Fragen erhielt und 8 davon beantwortete, breit gefächert: Seenotrettung im Mittelmeer, Flüchtlingspolitik, Umweltschutz, Demokratisierung des Europäischen Parlaments, u.v.m. Beide antworten meistens entsprechend ihres Wahlprogramms.
Auf eine Frage hin erzählt Ska Keller allerdings auch von ihren persönlichen Erfahrungen als Politikerin: „Ausweislich Ihres Lebenslaufs haben Sie sich bisher vornehmlich in der Politik aufgehalten. Sehen Sie die Gefahr, dass man dadurch den Kontakt zum wirklichen Leben verliert?“.
Keller: „Im Rahmen meiner Arbeit bin ich in ganz Deutschland und Europa unterwegs und tagtäglich mit Menschen und Organisationen in Kontakt, die sich mit verschiedensten Themen, großen oder kleinen Problemen des 'wirklichen Lebens', wie Sie es nennen, an mich wenden“. Gerade dieser direkte Kontakt und die Beschäftigung mit den verschiedenen Problembereichen sei der Co-Vorsitzenden der Grünen/EFA-Fraktion wichtig, um stets den direkten Bezug dazu, wofür sie kämpfe, zu behalten.
Programmpassende Antworten der FDP
Ähnlich wie Keller steht FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer da, die mit aktuell 21 Antworten auf 28 Fragen eine Quote von 75 Prozent erreicht. Passend zum liberalen Wahlprogramm ist Beer in ihren Antworten an die Bürgerinnen und Bürger gegen eine EU-weite Finanztransaktionssteuer, für mehr Mehrheitsentscheidungen anstelle von Einstimmigkeit bei außen- und sicherheitspolitischen Themen sowie für mehr Integration der EU-Institutionen und -Mitgliedstaaten.
Beer bleibt allerdings bei einigen Fragen vage, wie etwa bei der Frage, ob sich die FDP für ein Exportverbot von Kleinwaffen und zugehöriger Munition einsetzen wird. Die Kandidatin spricht in ihrer Antwort lediglich von einer „Harmonisierung der aktuell unterschiedlichen Rüstungsexportregeln in Europa (…) durch eine europaweite Rüstungsexport-Verordnung, die gemeinsame hohe Standards setzt“.
Keine Antwort von EVP-Spitze Manfred Weber
Die Spitzen von CDU und CSU haben im Durchschnitt weniger Fragen der Wählerinnen und Wähler beantwortet. Während Manfred Weber (CSU, 29 Fragen) und David McAllister (CDU, 5 Fragen) keine einzige Frage beantwortet haben, schneidet Markus Ferber (CSU-Listenplatz 3) mit 100 Prozent beantworteten Fragen am besten innerhalb der Union ab.
Die Fragen an Manfred Weber sind vor allem europäisch bzw. international – somit dürften ihn die deutschen Bürgerinnen und Bürger als Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei wahrnehmen, wie von ihm und der Union forciert. Weber strebt das Amt des EU-Kommissionspräsidenten an. Zwei Fragen befassen sich zum Beispiel mit der Position Webers zum Eintritt der Fidesz-Partei aus Ungarn ins nächste EU-Parlament, andere mit Korruptionsfällen wie z.B. in Rumänien.
Die Linke und der Preis des Brexit
Martin Schirdewan und Özlem Demirel von der Linkspartei sind zwar auf Listenplatz 1 und 2 ganz vorn gesetzt, haben aber trotzdem mit je 5 und 4 Fragen nicht die meisten Fragen ihrer Partei erhalten. Überholt werden sie von den linken EU-Parlamentarierinnen Cornelia Ernst und Martina Michels mit je 16 und 9 Fragen (88 bzw. 89 Prozent Antwortquote).
Auf eine Frage zu den Kosten des Brexit-Verfahrens für die Steuerzahlerinnen und –zahler antwortet Kandidatin Demirel, dass „bislang das Verfahren die EU-Steuerzahlern (…) keine größeren Ausgaben gekostet hat, sieht mal von den eigens zur Behandlung des Brexit einberufenen EU-Gipfeln und Personalkosten für die befassten Beamten und Angestellten ab. Durch die mit dem Brexit-Hin-und-Her entstandenen Unsicherheit in der Wirtschaft und damit verbundenen Belastungen gibt es unterschiedliche Schätzungen, die in dreistellige Milliarden-Beträge reichen“. Einige Stellungnahmen gehen laut Demirel aber davon aus, dass Deutschland oder auch Frankreich bisher wirtschaftlich in einigen Branchen vom Brexit-Prozess profitiert hätten.
Auch Katarina Barley und Hildegard Bentele (CDU) haben diese Frage erhalten. Die SPD-Spitzenkandidatin antwortet vorsichtiger als Demirel und befindet, „das Chaos um den Brexit" lasse sich "nicht konkret beziffern“. Bentele hat die Frage bisher nicht beantwortet.
AfD lässt auf sich warten
Die Spitzenkandidaten der AfD lassen die Bürgerinnen und Bürger aktuell warten: Weder Jörg Meuthen (Platz 1) noch Guido Reil (Platz 2) haben die jeweils elf und drei an sie gestellten Fragen beantwortet. Meuthen wurde u.a. von einem Bürger gefragt, welche Maßnahmen er als erforderlich ansehe, "um den europäischen Kulturkreis vor der Überfremdung durch Rassisten und Rechtsradikale zu bewahren".
Nicolas Fest von Listenplatz 6 (100 Prozent Antwortquote) antwortet auf die Frage „Sie plakatieren ja 'Freiheit statt Brüssel'. Warum wollen Sie dann aber nach Brüssel?“, dass „politische Systeme sich friedlich nur von innen verändern lassen“.
Anders als seine ehemaligen Parteikollegen ist der Spitzenkandidat der Liberal-Konservativen Reformer, Bernd Lucke, beim Reagieren auf an ihn gestellte Fragen sehr aktiv, aktuell hat er alle der 12 an ihn gestellten Fragen beantwortet.
„Was gedenken Sie gegen die Ausbreitung des Borkenkäfers zu tun?“
Bei der Satirepartei Die PARTEI hat sich hingegen EU-Abgeordneter und Parteivorsitzender Martin Sonneborn bisher zu keiner an ihn gestellten Frage geäußert, ebenso wie Nico Semsrott, der auf Platz 2 ebenfalls ein Mandat anstrebt.
Bei den anderen kleineren Parteien, die zwischen 15 und 30 Kandidierenden aufstellen – 8 Parteien insgesamt – ist die Lage differenzierter: Die Spitzenkandidierenden, die Fragen erhalten haben, haben diese mit einer Antwortquote über 80 Prozent fast alle beantwortet. So wie z.B. der ehemalige griechische Finanzminister Yannis Varoufakis von Demokratie in Europa (18 Fragen) oder der Volt-Vertreter Damian Boeselager, der sich mit einigen sehr ausführlichen, detaillierten Antworten auszeichnet.
Die ersten Listenplätze der ÖDP, die mit 96 Kandidierenden nach CDU und FDP die drittgrößte Liste aus Deutschland aufstellt (gemeinsam mit SPD, ebenfalls 96 Kandidierende), sind ebenso fleißig mit einer Antwortquote über 95 Prozent.
Ähnlich reagieren die Spitzenkandidierenden der MLPD. Die Freien Wähler erhielten trotz 25 Wahlbewerberinnen und -bewerber weniger als fünf Fragen und beantworteten bisher fast keine.
Die Humanisten Spitzenreiter
Die 15 Kleinstparteien, die weniger als zehn Kandidierenden zur Wahl stellen, verhalten sich gemischt auf der Frageplattform.
Mit über 85 Fragen an ihre zwei Spitzenkandidierenden heben sich die Humanisten hier von den anderen ab. Robin Thiedmann und Fabienne Sandkühler liegen damit auf jeweils Platz 4 und 5 der meist gefragten Streiterinnen und Streitern auf der gesamten EU-Wahlplattform. Über 90 Prozent der Fragen beantworteten sie bisher davon.
Bis auf die Bayernpartei, deren Spitzenkandidat Florian Weber alle seine 26 Fragen beantwortet hat, erhielten die Kleinstparteien-Spitzen zwischen null und neun Fragen. Darunter befindet sich unter anderem Patrick Breyer, Spitzenkandidat der im Europäischen Parlament vertretenen Piraten, der acht von neun Fragen beantwortet hat.
Bis zum 26. Mai können alle EU-Kandidierenden befragt werden.
Verhalten der Spitzenkandidierenden (1. Platz) auf www.abgeordnetenwatch.de/eu - Tabellarische Zusammenfassung (nach gestellten Fragen geordnet, zum 22. Mai 2019, 09:00 Uhr CET)
Name
Partei
Anzahl gestellter Fragen
Anzahl beantworteter Fragen
Antwortquote (in %)
Barley, Katharina
SPD
69
44
64
Thiedmann, Robin
Die Humanisten
43
39
91
Keller, Ska
Die Grünen
37
28
76
Weber, Manfred*
CDU/CSU
29
0
0
Beer, Nicola
FDP
28
21
75
Weber, Florian
Bayernpartei
26
26
100
Krüger, Claudia
Aktion Partei für Tierschutz
24
23
96
Buchner, Klaus
ÖDP
19
17
89
Varoufakis, Yannis
Demokratie in Europa
18
16
89
Buschmann, Martin
Tierschutzpartei
14
13
93
Sonneborn, Martin
Die PARTEI
14
0
0
Gärtner, Lisa
MLPD
13
6
46
Lucke, Bernd
Liberal-Konservative Reformer
12
12
100
Meuthen, Jörg
AfD
11
0
0
Boeselager, Damian
Volt
10
8
80
Breyer, Patrick
Piraten
9
8
89
Geuking, Helmut
Familien-Partei
8
8
100
Bechtold, Gina
Partei für die Tiere
6
5
83
Harms, Olaf
DKP
5
5
100
Schirdewan, Martin
Die Linke
5
4
80
Müller, Ulrike
Freie Wähler
5
0
0
Blenk, Karl-Heinz
Bündnis Grundeinkommen
2
2
100
Gericke, Arne
Bündnis C
2
1
50
Pyak, Chris
Neue Liberale
1
1
100
Haverbeck-Wetzel, Ursula
Die Rechte
1
0
0
Kalmbacher, Jochem-Frank
Die Violetten
1
0
0
Müller, Margot
Die Frauen
1
0
0
Rombeck, Christian
Demokratie DIREKT!
1
0
0
Samardzhidi, Sergey
LIEBE
1
0
0
Voigt, Udo
NPD
1
0
0
Armstroff, Klaus Dieter
Der dritte Weg
0
0
0
Azbak, Caffer
Menschliche Welt
0
0
0
Ditfurth, Jutta
ÖkoLinX
0
0
0
Fleck, Helmut
Ab jetzt...Demokratie durch Volksabstimmung
0
0
0
Mosmann, Thomas
Tierschutzallianz
0
0
0
Schulz, Michael
Die Grauen
0
0
0
Vandreier, Christoph
Sozialistische Gleichheitspartei
0
0
0
Werth, Felix
Partei für Gesundheitsforschung
0
0
0
Wlecke, Ulrich
Graue Panther
0
0
0
Yildiz, Haluk
Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit
0
0
0
*Da die CDU und die CSU die einzigen Parteien mit Landeslisten sind, haben wir nur den EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber in unsere Tabelle übernommen.