Warum die Bayern am Tag der Landtagswahl gleich sieben Kreuze machen können

Wenn am 15. September die Landtagswahl in Bayern stattfindet, können die Wählerinnen und Wähler gleich sieben Kreuze machen. Der Grund: Neben der Wahl ihres Stimm- bzw. Wahlkreiskandidaten stimmen die Bayern per Volksentscheid über fünf Verfassungsänderungen ab.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 24.07.2013

von Frank Rehmet, Mehr Demokratie e.V.

In Bayern und Hessen hat das Wort "Volkssouveränität" eine besondere Bedeutung: Nur diese beiden Bundesländer kennen das "obligatorische" Verfassungsreferendum, das in der Schweiz auf allen politischen Ebenen seit mehr als 100 Jahren praktiziert wird. Im Klartext: Alle Verfassungsänderungen, die das Parlament verabschiedet, kommen zwingend (obligatorisch) zum Volksentscheid, so sehen es die Landesverfassungen vor.

Dies ist der gesetzliche Hintergrund, weshalb es in Bayern am Tag der Landtagswahl (15.09.2013) zu gleich fünf Volksabstimmungen kommt. Über jede Vorlage wird dabei einzeln abgestimmt. Es entscheidet jeweils die relative Mehrheit der Abstimmenden.

Die fünf zur Abstimmung gestellten Themenbereiche lauten:

  • Staatsziel gleichwertige Lebensverhältnisse: In der Verfassung wird klargestellt, dass dies für ganz Bayern gilt, und zwar für ländliche und städtische Gebiete gleichermaßen.
  • Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes: Die Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl wird als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen.
  • Angelegenheiten der Europäischen Union: Der Landtag kann die Staatsregierung in ihren Aufgaben bei der Übertragung von Gesetzgebungszuständigkeiten Bayerns auf die Europäische Union durch Gesetz binden. Außerdem hat die Staatsregierung Stellungnahmen des Landtags zu EU-Vorhaben, die Gesetzgebungszuständigkeiten Bayerns unmittelbar betreffen, maßgeblich zu berücksichtigen. Die Pflicht der Staatsregierung, den Landtag in Angelegenheiten der Europäischen Union zu informieren, wird ausdrücklich in die Verfassung aufgenommen.
  • Schuldenbremse ab 2020: In der Verfassung wird, wie schon nach dem Grundgesetz, ab dem Haushaltsjahr 2020 verboten, neue Schulden aufzunehmen (keine Nettokreditaufnahme). Von dem Verbot kann nur abgewichen werden, um einer negativen konjunkturellen Entwicklung entgegen zu wirken. Eine Kreditaufnahme ist ansonsten nur bei Naturkatastrophen und anderen außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, um die Handlungsfähigkeit des Landes zur Krisenbewältigung zu gewährleisten. In diesen Fällen ist eine entsprechende Tilgungsregelung und Rückführung binnen eines angemessenen Zeitraums vorzusehen.
  • Finanzangelegenheiten der bayerischen Gemeinden: Der nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bestehende Anspruch der Gemeinden und Gemeindeverbände gegen das Land auf eine angemessene Finanzausstattung wird in der Verfassung ausdrücklich wiedergegeben. Er ist abhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Staates.


Die Anzahl der obligatorischen Verfassungsreferenden steigt somit in Bayern von bislang 9 auf 14 und in ganz Deutschland von bislang 20 auf 25 an. Dies ist praktizierte Volkssouveränität.


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