Der Ala-Too-Platz in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. Foto: Irene2005/Flickr/
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Könnte so etwas wie abgeordnetenwatch.de in Kirgisistan funktionieren? Dass Bürger und Politiker in einen öffentlichen Austausch treten, dass die Nebentätigkeiten der Volksvertreter transparent und Parteispenden kritisch hinterfragt werden?
In Kirgisistan, das flächenmäßig in etwa so groß ist wie Westdeutschland, leben rund 5,5 Mio. Menschen. Auf dem Papier ist das zentralasiatische Land eine parlamentarische Demokratie, die allerdings geprägt ist vom Phänomen des "politischen Tribalismus". Gemeint ist damit die Bildung der Regierung auf der Grundlage von Stammesbeziehungen. Ein solches System führt dazu, dass die Politiker, die an die Macht gelangen, ihre Wahlversprechen oftmals ignorieren, weil sie sich in erster Linie dem Wohlstand und der Bevorzugung ihrer Clans verpflichtet fühlen. Und so kommt es, dass nicht selten politisch Unerfahrene in Machtpositionen gelangen, die dazu die Probleme des Landes nicht interessieren.
Dies ist nicht die einzige Eigenheit der kirgisischen "Demokratie". Haben Sie schon einmal von einem Wahl-Karussell gehört? Das Prinzip des Karussells ist die Bestechung einer Gruppe von Wählern, die von Wahlbüro zu Wahlbüro gefahren werden, wo sie für einen Kandidaten oder eine bestimmte Partei unter verschiedenen Namen wählen. Bei der Bürgermeisterwahl in der Hauptstadt Bischkek wurde 2012 eine solcher Wahlbetrug aufgedeckt.
Solche Machenschaften fördern die Unzufriedenheit vieler Menschen. Vertrauensverlust in die politischen Eliten, gepaart mit Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption führten schon zweimal in der kurzen Geschichte des Landes zum politischen Umsturz. 2005 wurde das Regime bei der sog. "Tulpenrevolution" gestürzt. Die neue Regierung versprach, alle Probleme zu lösen. Doch weil die Ankündigungen alsbald vergessen waren und sich die Lebensbedingungen vieler Menschen eher verschlechterten als verbesserten, kam es fünf Jahre später erneut zur Revolution.
Ein Grund für die politische Instabilität ist die unentwickelte Kultur der politischen Beteiligung in friedlicher Form. Wahlen werden nicht als effektives Mittel betrachtet, um kompetente Repräsentanten des Volkes auszuwählen. Viele Bürger gehen zur Wahl, weil sie es gewohnt sind - der allergrößte Teil der Bevölkerung bleibt allerdings zu Hause. Bei der Bürgermeisterwahl in der Hauptstadt Bischkek gaben 2012 gerade einmal 30% der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.
Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit den politischen Eliten hat zuletzt wieder zugenommen, Drohungen über eine erneute Revolution machen die Runde.
Welchen Ausweg gibt es aus diesem Kreislauf? Meiner Meinung nach brauchen die Menschen in Kirgisistan neue Methoden, um auf die Politik einzuwirken. So eine Gelegenheit konnte eine Internetplattform analog zu "abgeordnetenwatch.de" sein. Sie gäbe Bürgern die Chance, den Politikern wichtige Fragen zu stellen und ihre Positionen zu wichtigen politischen Entscheidungen in Erfahrung zu bringen. Das ist genau das, was in Kirgisistan fehlt. Der Austausch zwischen Wählern und Gewählten würde das Vertauen in die Abgeordneten fördern und diese stärker in die Verantwortung nehmen.
Kirgisistan ist allerdings noch nicht bereit für ein solches Projekt. Solange das Land die unseligen Traditionen und die destruktiven Gepflogenheiten der Gegenwart nicht überwindet, bleibt das Risiko eines erneuten Staatsstreiches.