Kandidaten-Check Hessen: So denken die Direktkandidierenden vor der Landtagswahl | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
Kandidaten-Check Hessen
So denken die Direktkandidierenden vor der Landtagswahl
Pflege, Infrastruktur, Bildung, Videoüberwachung: Was denken die Kandidatinnen und Kandidaten zur hessischen Landtagswahl über diese und andere Themen?
Im großen Kandidaten-Check für Hessen hat abgeordnetenwatch.de alle Direktkandidierenden in den 55 Wahlkreisen gebeten, zu 19 landespolitisch relevanten Thesen Stellung zu beziehen. So kann sich jeder selbst mit den Wahlkreis-Kandidatinnen und -Kandidaten vergleichen und herausfinden, mit wem davon man am ehesten übereinstimmt.
Unsere Auswertung bietet nun Einblicke in die Stimmungslage der Parteien. Es wird sichtbar, welche Koalitionen denkbar sind und wo ein Thema besonders umstritten ist. Wie sehen die hessischen Direktkandidierenden das Nachtflugverbot in Frankfurt? Sind sie eher für oder gegen eine kostenlose KiTa-Betreuung? Wie soll der Fachkräftemangel in der Pflege angegangen werden?
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels (16.10.) haben sich 335 von 413 Direktkandidierenden beteiligt (81%). Eine Auswertung der Teilnahme finden Sie am Ende des Artikels.
Sie wollen den Kandidaten-Check für Ihren Stimmkreis auch durchspielen? Hier geht’s lang!
These 1: In Hessen soll es mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen geben.
Bei der Frage nach mehr Videoüberwachung gibt es keine eindeutige Mehrheit über alle Parteien hinweg. 37% aller teilnehmenden Kandidierenden fordern mehr Videoüberwachung, 43% lehnen dies ab, ein Fünftel positioniert sich neutral.
Eindeutiger wird es, sortiert man nach Parteien: 100% der CDU-Kandidierenden und 84% von der AfD stimmen zu, ebenso wie 51% der FDP und 50% der Freien Wähler. Linke und Grüne lehnen mit jeweils 92% und 83% mehrheitlich den Ausbau der Videoüberwachung ab. 63% der SPD-Kandidierenden wählen bei dieser These “neutral”.
These 2: Kinder sollen grundsätzlich an einer gemeinsamen Schule unterrichtet werden.
Fast die Hälfte aller teilnehmenden Kandidierenden fordert, die hessischen Schülerinnen und Schüler an einer gemeinsamen Schule zu unterrichten, während 38% dies ablehnen und weiter auf unterschiedliche Schulformen setzen möchten. 18% nehmen eine neutrale Position ein.
Die Linke mit 92% und die Grüne mit 85% stimmten am häufigsten zu, während es 100% der CDU-Kandidierenden ablehnen. Es folgen die FDP mit 90% und die AfD mit 86% Ablehnung. Die Kandidierenden der SPD positionieren sich mit 60% erneut mehrheitlich neutral.
These 3: Strafverfolgungsbehörden sollen Online-Durchsuchungen durchführen und das Nutzungsverhalten von Privatpersonen im Internet überwachen dürfen (sog. "Staatstrojaner").
Die dritte These des Kandidaten-Checks weist erstmals eindeutige Mehrheiten auf: 69% aller teilnehmenden Kandidierenden lehnen Onlinedurchsuchungen von Privatpersonen ab, nur 14% stimmen zu.
Die meisten Anhänger findet der sogenannte Staatstrojaner bei der aktuell regierenden CDU (87% Zustimmung), alle anderen Parteien lehnen ab - bis auf die SPD, die auch hier mit 56% “neutral” weder zustimmt noch ablehnt.
These 4: Am Bau der Stromtrasse Suedlink soll auch gegen den Widerstand der Bevölkerung festgehalten werden.
Die Stromtrasse Suedlink spaltet die Hessen und auch die Parteien: 50% der teilnehmenden Kandidierenden lehnen den Bau ab - ebenso wie ein Großteil der hessischen Bevölkerung.
Die größte Ablehnung kommt mit 91% von der AfD, gefolgt von den Freien Wählern (81%) und der Linken (75%). Die grünen Kandidierenden stimmen mit 77% am häufigsten dem Bau zu. Die SPD-Kandidierenden positionieren sich zu 58% neutral, einige verweisen auf den Plan, die Trasse unterirdisch verlegen zu lassen oder eine Strecke zu finden, die in der Bevölkerung größeren Anklang findet.
These 5: Es soll ein verbindliches Lobbyregister geben, in dem u.a. Kontakte zwischen Interessenvertretern und Politikern veröffentlicht werden.
Eine der höchsten Zustimmungsraten erhält die Forderung nach einem verbindlichen Lobbyregister. 85% aller teilnehmenden Kandidierenden wünschen sich mehr Transparenz im Lobbyismus.
Während nur 17% der FDP-Kandidierenden für das Lobbyregister stimmten, sind alle anderen Parteien mit großer Mehrheit dafür: Die Grünen und die SPD mit 100%, Die Linke mit 98%, die Freien Wähler mit 92%, die AfD mit 89% und die CDU mit 74%.
These 6: Asylsuchende sollen eher Sach- statt Geldleistungen bekommen.
Etwa drei Fünftel aller teilnehmenden Kandidierenden möchten, dass Asylsuchende eher Geldleistungen erhalten statt mit Sachleistungen versorgt zu werden. Für mehr Sachleistungen plädieren 32%, 10% verhalten sich neutral und fordern z.B. eine Mischung aus beiden Möglichkeiten.
Eher Sachleistungen wünschen sich 100% der CDU- und 98% der AfD-Kandidierenden, bei den Freien Wählern sind es noch 50%. Alle anderen Parteien fordern eher Geldleistungen.
These 7: Alle hessischen Schulen sollen die Betreuung ihrer Schülerinnen und Schüler bis in den späten Nachmittag gewährleisten können.
Ganztagsbetreuung, ja oder nein? Für die hessischen Direktkandidierenden ist die Antwort klar: 83% wünschen sich, dass Schulen eine Nachmittagsbetreuung anbieten.
Fast alle Parteien stimmen mit deutlicher Mehrheit zu. Einzig die CDU-Kandidierenden positionieren sich zu 83% neutral und weisen darauf hin, dass dies für die Schülerinnen und Schüler jedoch nicht zwingend verpflichtend sein solle, es gelte die Wahlfreiheit der Eltern.
These 8: Menschen mit geringem Einkommen sollen weniger für kulturelle Einrichtungen zahlen.
Kultur als für alle Menschen zugängliches Angebot wünschen sich 77% aller teilnehmenden Kandidierenden, nur 5% lehnen dies ab. 18% positionieren sich neutral.
Die höchste Ablehnung für vergünstigte Eintritte kommt mit 18% aus der AfD und 10% aus der FDP. Die CDU-Kandidierenden positionieren sich zu 65% neutral. Grüne, SPD und Linke sind (fast) geschlossen für die Inklusion sozial Schwacher (jweils 100%, 100% und 98% Zustimmung).
These 9: Die Infrastruktur für Radfahrerinnen und Radfahrer in hessischen Innenstädten soll verbessert werden.
Die Verbesserung der Fahrrad-Infrastruktur erhält mit 91% über alle Parteien hinweg die höchste Zustimmung im Kandidaten-Check. Lediglich 2% lehnen dies ab: Jeweils ein Kandidat von Die Linke, der FDP, der Partei Die PARTEI sowie 5 Kandidierende der AfD.
These 10: Das derzeitige Nachtflugverbot von 23 Uhr bis 5 Uhr am Flughafen Frankfurt soll beibehalten werden.
Nicht nur unter Frankfurter Kandidierenden ist das Nachtflugverbot umstritten - auch wenn 72% aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer zustimmten, ergänzten viele, dass im Idealfall die Zeitspanne von auf 22 bis 6 Uhr ausgeweitet werden solle. Am höchsten war die Zustimmung zu einem mind. von 23 bis 5 Uhr dauernden Nachtflugverbot bei der CDU (91% Zustimmung), der SPD (87%) sowie der AfD und der FDP (jeweils 80%).
These 11: Die Landesregierung soll den Bau von Sozialwohnungen vorantreiben.
Die meisten Kandidierenden sind für ein Vorantreiben des sozialen Wohnungsbaus. 87% stimmten der These zu, in allen Parteien gibt es hier eine absolute Mehrheit mit Ausnahme der AfD, wo nur 39% zustimmten, jedoch 43% ablehnten.
These 12: Die Mietpreisbremse soll verschärft werden.
Die zweite These zur Wohnungspolitik erhielt nur knappere Zustimmung als der soziale Wohnungsbau: 57% finden, die aktuell geltende Mietpreisbremse solle verschärft werden. Unter den 35% ablehnenden Kandidierenden befinden sich viele, die die Mietpreisbremse als unwirksam deklarieren und sie daher ganz abschaffen wollen.
These 13: Die KiTa-Betreuung soll ab Geburt grundsätzlich kostenlos sein.
Ab welchem Alter Eltern ihren Nachwuchs in die Betreuung geben, ist ihre eigene Entscheidung. Nach dem Wunsch von fast drei Vierteln aller teilnehmenden Kandidierenden soll diese Entscheidung jedoch keine Frage der Finanzen sein: 72% fordern durchgängig kostenlose KiTa-Betreuung. Viele weisen in ihrer Begründung darauf hin, dass bei entfallenden Gebühren die Qualität dennoch nicht nachlassen dürfe, im Gegenteil sogar ausgebaut werden solle.
Geschlossen dafür stimmten die Kandidierenden der SPD und der Linken, bei den Freien Wählern und den Grünen ist die Zustimmung mit 88% und 87% ebenfalls sehr hoch. Die größte Ablehnung kommt aus der CDU und der AfD, wo 57% und 41% der Kandidierenden die kostenlose Betreuung ablehnen.
These 14: In Hessen soll es mehr staatlich geförderte Programme gegen Rassismus und Antisemitismus geben.
78% der teilnehmenden Kandidierenden fordern einen Ausbau der staatlich geförderten Programme gegen Rassismus und Antisemitismus, 10% verhalten sich neutral, nur 12% lehnen den Ausbau ab.
Piraten, SPD und Linke stimmen jeweils geschlossen für den Ausbau, die Grünen (98%) und Die PARTEI (94%) folgen dicht dahinter. Auch CDU (78%), Freie Wähler (69%), ÖDP (67%) und FDP (66%) wünschen sich hier mehrheitlich eine Stärkung. Einzig Kandidierende aus der AfD lehnen dies mehrheitlich mit 68% ab oder verhalten sich mit weiteren 18% neutral.
These 15: Afghanistan ist ein sicheres Herkunftsland, in das Abschiebungen möglich sind.
Ein Viertel der teilnehmenden Kandidierenden stimmt der These zu, dass Abschiebungen nach Afghanistan möglich sind. Fast alle stammen dabei aus der AfD (insgesamt 93% Zustimmung) und der CDU (96%). 68% der FDP-Kandidierenden positionieren sich neutral und verweisen in ihren Begründungen auf die Zuständigkeit des Bundes in diesem Fall. Auch bei den Freien Wählern wählten 56% der Kandidierenden neutral aus und schließen mögliche Abschiebungen nach Einzelfallprüfung nicht aus. Mit jeweils 100% lehnen Linke und Grüne Abschiebungen grundlegend ab, vielfach mit dem Verweis auf die starke militärische Präsenz, weshalb die Sicherheit Geflüchteter nicht gewährleistet werden könne.
These 16: Menschen mit sehr hohem Einkommen zahlen derzeit ausreichend Steuern.
29% glauben, dass Gutverdienende aktuell ausreichend Steuern zahlen, während eine Mehrheit von 57% diese These ablehnt. 14% positionieren sich neutral, viele von ihnen verweisen hierbei darauf, dass es vor allem notwendig sei, die Steuerschlupflöcher für diese Gruppe zu schließen.
Während die Kandidierenden aus FDP und CDU mit jeweils 93% und 91% Zustimmung die Steuern für ausreichend halten, lehnt Die Linke geschlossen ab, dicht gefolgt von den Kandidierenden der SPD mit 90% sowie den Grünen mit 88%. Bei der AfD und den Freien Wählern positioniert sich jeweils etwa ein Drittel (34% und 33%) in dieser Frage neutral.
These 17: Zeitlich befristete Arbeitsverträge sind erforderlich, damit Unternehmen flexibel sein können.
An der Frage zeitlich befristeter Arbeitsverträge scheiden sich die Geister - und zwar vor allem an der Parteilinie. 98% der teilnehmenden FDP-Kandidierenden stimmen zu, dass Befristungen für die Flexibilität eines Unternehmens notwendig sind, immerhin auch noch 83% der CDU. Die Grünen - aktuell Teil einer Koalition mit der CDU - positionieren sich mit großer Mehrheit (75%) neutral. Linke und SPD (jeweils 92% und 83%) lehnen Befristungen ab und verweisen auf die schwierige Lage der Arbeitnehmerinnen und -nehmer.
These 18: Es sollen verstärkt Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben werden.
Nicht nur bundesweit, auch in Hessen beschäftigt der gravierende Fachkräftemangel in der Pflege die Politik. Eine knappe Mehrheit aller Kandidierenden wünscht sich, dass Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben werden, 26% lehnen dies ab, 22% verhalten sich neutral. Egal ob dafür oder dagegen - viele weisen in ihren Begründungen darauf hin, dass ein Anwerben maximal eine kurzfristige Lösung sein könne, besser jedoch der Pflegeberuf attraktiver gestaltet und besser vergütet werden müsse, damit sich mehr Menschen aus dem Inland für den Beruf interessieren.
Die höchste Zustimmung für die Forderung kommt mit 96%, 90% und 87% aus der CDU, der FDP und von den Grünen, die höchste Ablehnung aus der AfD (68% Ablehnung) und der Linken (63%).
These 19: Dieselfahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß sollen nicht mehr in den Innenstädten fahren dürfen.
Sollen Dieselfahrzeuge in Innenstädten fahren dürfen, auch wenn Schadstoffgrenzwerte überschritten werden? Nur 21% stimmten den Fahrverboten zu, während 62% sie ablehnten. Heiß diskutiert wurde, dass der Autofahrer nicht benachteiligt werden dürfe, sondern stattdessen die Hersteller zur Verantwortung gezogen werden sollten. Gesundheit und Umweltschutz waren die größten Argumente für die Fahrverbote.
Die höchste Zustimmung fanden die Fahrverbote bei der Linken (46% Zustimmung) und Die PARTEI (81%), die höchste Ablehnung bei der CDU (96% Ablehnung), der AfD (95%) und der FDP (88%).
Beteiligungsquoten der Parteien (Stand 16. Oktober - 11 Uhr)
Die Teilnahme ist den Direktkandidierenden seit dem 28. August möglich. Die Teilnahme ist bis kurz vor der Wahl möglich. Wir haben dazu alle Direktkandidierenden per Mail angeschrieben, um ihnen die Teilnahme per Onlineformular zu ermöglichen.