Im großen Kandidaten-Check für Bayern hat abgeordnetenwatch.de alle Direktkandidierenden in den 91 Stimmkreisen gebeten, zu 20 landespolitisch relevanten Thesen Stellung zu beziehen. So kann sich jeder selbst mit den Stimmkreis-Kandidatinnen und -Kandidaten vergleichen und herausfinden, mit wem davon man am ehesten übereinstimmt.
Unsere Auswertung bietet nun Einblicke in die Stimmungslage der Parteien. Es wird sichtbar Koalitionen denkbar sind, welches Thema besonders umstritten ist. Wie sehen die bayerischen Direktkandidierenden die Kreuzpflicht? Sind Münchner Kandidaten eher für oder gegen eine dritte Startbahn am Flughafen der bayerischen Hauptstadt? Wie soll der Fachkräftemangel angegangen werden?
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels haben sich 795 von 1.031 Direktkandidierenden beteiligt. Eine Auswertung der Teilnahme finden Sie am Ende des Artikels.
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These 1: In jedem Eingangsbereich einer bayerischen Behörde soll ein Kreuz hängen.
Etwa zwei Drittel der teilnehmenden Kandidierenden lehnen die Kreuze im Eingangsbereich von bayerischen Behörden ab. 18% stimmen zu, 17% positionieren sich neutral. Im Detail:98% der CSU-Kandidierenden stehen hinter der Entscheidung und auch immerhin noch 63% der Bayernpartei und 40% der AfD. Alle anderen Parteien lehnen die Kreuzpflicht mehrheitlich ab. Eine Ausnahme bilden die Kandidierenden der Freien Wähler: Während zwar nur 25% für eine Kreuzpflicht und 34% dagegen sind, entscheiden sich 41% für eine neutrale Position. SPD und Grüne sind mit 88% und 90%, die Linke sogar mit 97% einheitlich gegen die Kreuzpflicht positioniert.
These 2: Nach 35 Beitragsjahren sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Grundrente erhalten.
Drei Viertel der teilnehmenden Kandidierenden sind für eine Grundrente nach 35 Beitragsjahren. 13% bzw. 12% positionieren sich neutral oder lehnen die Grundrente in dieser Form ab. Viele Befürworter fordern in ihrer Begründung zusätzlich, dass auch Pflegejahre oder Elternzeit als Beitragszeit gezählt werden solle. Linke und Grüne stimmen mit jeweils 96% fast vollständig zu, die höchste Ablehnungsquote findet sich bei den Kandidierenden aus der FDP (29%) sowie bei den Freien Wählern (24%).
These 3: Es soll an jeder bayerischen Grundschule eine verpflichtende Ganztagsbetreuung bis zum späten Nachmittag geben.
Die verpflichtende Ganztagsbetreuung ergibt ein gemischtes Bild: Zwei Fünftel sind dafür, ein Drittel dagegen, ein Viertel positioniert sich neutral. Viele Kandidierenden wünschen sich ein überall verfügbares Angebot einer Ganztagsbetreuung - also eine Verpflichtung der Schulen -, lehnen eine Verpflichtung der Familien, das Angebot zu nutzen, jedoch ab. Die höchste Zustimmung erfährt die Forderung bei den Kandidierenden der Linkspartei (88% Zustimmung), die höchste Ablehnung bei der CSU (86% Ablehnung).
These 4: Menschen mit sehr hohem Einkommen zahlen derzeit ausreichend Steuern.
Eine Mehrheit (57%) der Kandidierenden findet nicht, dass Menschen mit sehr hohem Einkommen derzeit ausreichend Steuern zahlen. Besonders hervorgehoben wurde in den Begründungen, dass mit höherem Einkommen auch die Möglichkeiten wachsen, Steuern gezielt nicht zu zahlen, etwa durch Steuerschlupflöcher und fehlende Kontrollen. 25% empfinden den aktuellen Spitzensteuersatz als ausreichend, 17% positionieren sich neutral. Die höchste Ablehnung kommt dabei von der Linken (99%) gefolgt von SPD und Grünen (jeweils 88%), die höchste Zustimmung von der CSU (94%) gefolgt von der FDP mit 67%.
These 5: In Bayern sollen weniger unbebaute Flächen versiegelt werden.
Eine der Thesen mit der höchsten Zustimmung - 85% aller teilnehmenden Kandidierenden über alle Parteien hinweg wünschen sich einen vorsichtigeren Umgang mit der Neuversiegelung von Flächen. Bei den 11% neutralen Positionen äußerten einige, dass der Neubau von notwendigen Wohnungen gegebenenfalls auch eine Versieglung notwendig mache. Nur 4% sprechen sich gegen die These aus, die meisten davon aus AfD und FDP (jeweils 13% Ablehnung in der Partei).
These 6: Asylsuchende sollen an der bayerisch-österreichischen Grenze zurückgewiesen werden, wenn sie bereits in einem anderen EU-Land registriert sind.
38% der teilnehmenden Kandidierenden wollen Asylsuchende bereits an der Grenze abweisen, wenn sie bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. 47% lehnen dies ab, 15% positionieren sich neutral. Der bevorzugte Umgang mit Geflüchteten entscheidet sich entlang der Parteilinien: Bei AfD und CSU sind 100% bzw. 98% der Kandidierenden für die Zurückweisung, bei der Bayernpartei noch 92%, bei der FDP noch 52%. Die höchste Ablehnung erfährt die These bei den Grünen (90% Ablehnung) und der Linken (88%). SPD und ÖDP sind ebenfalls mehrheitlich dagegen, mit 70% und 60% Ablehnung.
These 7: Bayern soll Unternehmen fördern, die ihren Unternehmensstandort von Metropolregionen in den ländlichen Raum verlagern.
Etwas mehr als zwei Drittel der teilnehmenden Kandidierenden sprechen sich für eine staatliche Intervention aus, damit mehr Unternehmen in den ländlichen Raum umziehen. 15% sind dagegen, 17% neutral. Viele merken an, dass hierbei die vorher erwähnte Flächenversiegelung zu bedenken sei. Auch müsse, wenn Unternehmen umzögen, an eine erweiterte Infrastruktur im ländlichen Raum gedacht werden, etwa bei Schulen, ÖPNV oder dem Internetausbau. Während bei der ÖDP überwiegend aus Umweltschutzgründen nur 32% für die staatliche Maßnahme stimmen, gibt es die höchste Zustimmung bei den Freien Wählern (91%) und der CSU (90%) und den Grünen (83%).
These 8: Aufgrund der Ernteausfälle durch die Dürre in diesem Sommer sollen Bauern finanziell entschädigt werden.
Im Agrarland Bayern sprechen sich zwei Drittel aller Kandidierenden für eine Soforthilfe aus, 15% sind dagegen, 21% neutral. Zahlreiche Kandidierende aus allen Lagern sind in jedem Fall dafür, dass die Agrarpolitik stärker auf nachhaltigen Landbau und Bodenschutz setzen müsse. Während die CSU vollständig für die Soforthilfe ist, sind immerhin noch 87% der Grünen und 83% bzw. 82% der Bayernpartei und Linken ebenfalls dafür. 56% der SPD-Kandidierenden befürworten die Maßnahme, gleichzeitig haben sich aber auch 35% neutral positioniert.
These 9: Es soll ein verbindliches Lobbyregister geben, in dem u.a. Kontakte zwischen Interessenvertretern und Politikern veröffentlicht werden.
Das Ergebnis ist eindeutig: 87% aller Kandidierenden sind für ein verbindliches Lobbyregister! Nur 7% lehnen es ab, 6% sind neutral. Ablehnung und neutrale Positionen gibt es nahezu ausschließlich in der CSU und der FDP: 71% der CSU-Kandidierenden und 20% aus der FDP lehnen das Lobbyregister ab, neutral verhalten sich 24% (CSU) und 27% (FDP).
These 10: Die Polizei soll Telefone auch ohne richterlichen Beschluss abhören dürfen.
Das Ergebnis ist besonders eindeutig: Trotz der Ausweitung der Polizeikompetenzen soll der sogenannte Richtervorbehalt beim Abhören eines Telefons nicht angetastet werden. 94% über alle Parteien hinweg möchten ihn beibehalten und lehnen die These daher ab. Die meiste, aber immer noch geringe Zustimmung kommt aus der CSU (8%) und der regionalen Partei Die Franken (10%).
These 11: Lehrerinnen und Lehrer an bayerischen Schulen sollen grundsätzlich unbefristet beschäftigt werden.
In Bayern ist es in vielen Schulen gängige Praxis, dass Lehrerinnen und Lehrer am Ende des Schuljahres entlassen und zum neuen Jahr wieder eingestellt werden. 86% der Kandidierenden halten diese Praxis weder für die Schulkinder noch für die Lehrer*innen für praktikabel und fordern Abhilfe - auch die aktuell noch allein regierende CSU (84% Zustimmung). Nur 7% lehnen ab, 7% verhalten sich neutral. Am ehesten lehnen AfD-Kandidierende (22% Ablehnung) und Bewerber*inenn aus der FDP (15%) die Entfristung ab.
These 12: Die dritte Startbahn des Flughafens München soll gebaut werden, obwohl der Bürgerentscheid sich dagegen ausgesprochen hatte.
Drei Viertel der teilnehmenden Kandidierenden sprechen sich dafür aus, den Bürgerwillen des Volksentscheides zu erhören und auf die dritte Startbahn zu verzichten. 15% wollen trotzdem bauen, 10% verhalten sich neutral. CSU und FDP sind die einzigen beiden Parteien, die mehrheitlich (80% und 77%) für den Bau sind. Manche Kandidierende schlagen als Alternative eine stärkere Nutzung anderer Flughäfen, z.B. in Nürnberg, vor. Besonders interessant: Die Münchner Kandidierenden sind mehrheitlich gegen den Bau der Startbahn, darunter auch CSU-Kandidierende, die sich damit gegen die Parteilinie stellen.
These 13: Dieselfahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß sollen nicht mehr in den Innenstädten fahren dürfen.
Die Dieselaffäre beschäftigt die Gemüter nach wie vor. 40% der teilnehmenden Kandidierenden sprechen sich für Fahrverbote aus, 43% lehnen sie ab, 17% verhalten sich normal. Viele der Nein-Sager merken an, dass man nicht die Autofahrer*innen einschränken solle, sondern die Automobilhersteller zur Verantwortung heranziehen solle. Die Befürworter sprachen sich vor allem für den Schutz von Gesundheit und Umwelt aus.
Bei den Grünen und der ÖDP sprachen sich mit 91% und 85% die meisten Kandidierenden für die Fahrverbote aus, bei der AfD und der CSU mit 95% und 92% die meisten dagegen.
These 14: Es ist richtig, dass der Freistaat Familien beim Hausbau und Immobilienkauf finanziell unterstützt („Baukindergeld Plus“).
Die Hälfte der Kandidierenden glaubt, dass das Baukindergeld Plus Familien beim Hausbau unterstützen kann und es deshalb beibehalten werden solle, gerade bei den steigenden Wohnungspreisen. 32% lehnen die Maßnahme ab, 16% verhalten sich neutral. Einige begründen ihre Ablehnung damit, dass hier nur die unterstützt würden, die sich Eigentum leisten können, die Unterstützung besser aber bei ärmeren Familien angesiedelt sei.
Die höchste Zustimmung liegt bei CSU (100%), Bayernpartei (87%), Freien Wählern (85%) und der AfD (78%). Am größten ist die Ablehnung bei der Linkspartei (82%) und den Grünen (75%).
These 15: Asylsuchende sollen eher Geld- statt Sachleistungen bekommen.
Sollen Asylsuchende eher Geld erhalten oder eher Sachleistungen? 46% der teilnehmenden Kandidierenden sprechen sich für mehr Geld- als Sachleistungen aus, z.B. um die Integration und die Selbstbestimmung zu fördern, 38% lehnen dies ab und wünschen sich mehr Sachleistungen wie z.B. Lebensmittelgutscheine, um die Mittel zweckdienlicher verteilen zu können. 16% verhalten sich neutral.
Gegen überwiegend Geldleistungen sprechen sich vor allem CSU, Bayernpartei und AfD mit 100%, 92% und 90% Ablehnung aus. Bei den Freien Wählern lehnen die These noch 64% ab. Linke und Grüne sowie die erstmals antretende mut Bayern sind die größten Befürworter der Geldleistungen mit 92%, 87% und 85% Zustimmung zur These. Die FDP ist gespalten: 23% stimmen zu, 43% lehnen ab, 35% verhalten sich neutral.
These 16: Es soll in Bayern mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen geben.
Eine Mehrheit der teilnehmenden Kandidierenden sprechen sich gegen eine verstärkte Videoüberwachung aus. 28% stimmen zu, 16% verhalten sich neutral. Vor allem die CSU-Kandidierenden möchten die Überwachung ausbauen, 89% stimmten der These zu. Auch 66% der Freien Wähler sprechen sich dafür aus. Die Piraten, die Linke und die Grünen sind mit 94%, 92% und 89% die stärksten Gegner der Forderung.
These 17: Es sollen mehr Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben werden.
Nicht nur bundesweit ist der Mangel an Pflegekräften ein wichtiges Thema. In Bayern stimmen 46% zu, dass zusätzliche Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben werden sollen. 27% lehnen dies ab und wollen z.B. mehr junge Menschen zu einer Ausbildung bewegen. 27% positionieren sich neutral. Einige Kandidierende merken an, dass darauf geachtet werden solle, keinem anderen Land die qualifizierten Arbeitskräfte wegzunehmen. Eine höhere Bezahlung und eine Steigerung des beruflichen Ansehens wird durch alle Parteien hinweg auch für einheimische Fachkräfte gefordert.
Vor allem FDP-, Grüne- und CSU-Kandidierende sind (mit 81%, 79% und 78%) für das Anwerben aus dem Ausland. Linke und AfD lehnen dies mehrheitlich (mit 73% und 61%) ab.
These 18: Die Staatsregierung soll sich dafür einsetzen, dass wieder mehr Jugendliche einen Ausbildungsberuf ergreifen statt ein Studium zu beginnen.
Soll der Fachkräftemangel im Handwerk auch durch staatliche Maßnahmen angegangen werden? 53% stimmen dem zu, 23% lehnen es ab, 24% verhalten sich neutral. Neben CSU (86%), Bayernpartei (83%), den Freien Wählern (78%) und der AfD (75%) sind auch immerhin noch 69% der Grünen für eine staatliche Intervention. Als einzige Partei lehnt die Linke mit 71% dies ab. Bei SPD (41%), Piraten (41%) und auch FDP (39%) positionieren sich besonders viele Kandidierende neutral.
These 19: Es soll in Bayern mehr staatlich geförderte Programme gegen Rassismus und Antisemitismus geben.
Knapp drei Viertel der teilnehmenden Kandidierenden sprechen sich für eine gesteigerte Förderung der Programme gegen Rassismus und Antisemitismus im Land Bayern aus. 13% lehnen dies ab, 14% positionieren sich neutral. Nur zwei Parteien lehnen die Programme mehrheitlich ab: Die AfD mit 83% sowie die Liberal-konservativen Reformer, eine frühe Abspaltung der AfD rund um Bernd Lucke, mit 80% (insgesamt 5 Direktkandidierende). Bei der Bayernpartei ist mit 31% noch ein knappes Drittel gegen weitere Maßnahmen. Bei SPD, mut Bayern, Grünen und Linken stimmen 100, 100, 98 und 95% der Kandidierenden der These zu. Aber auch CSU (82%), ÖDP (74%), Freie Wähler (69%) und FDP (67%) sind mehrheitlich dafür. Bayernpartei und FDP sind mit 54% und 23% “neutral” recht unentschieden.
These 20: Die Mietpreisbremse soll verschärft werden.
58% der Kandidierenden fordern eine Verschärfung der aktuellen Mietpreisbremse, 31% lehnen dies ab, 12% verhalten sich neutral. Im ablehnenden Drittel teilen sich jedoch die Begründungen: Einige finden die aktuelle Mietpreisbremse gut so, wie sie ist. Einige wollen sie eher lockern, wiederum andere glauben, dass die Mietpreisbremse im jetzigen oder verschärften Zustand wirkungslos ist und bleiben wird.
FDP, CSU und AfD lehnen eine Verschärfung mit 92%, 86% und 73% ab, während die höchsten Zustimmungsraten aus der SPD (94%) sowie von den Linken (93%) und Grünen (89%) kommen. Auch die Tierschutzpartei ist mit 86% Zustimmung bei insgesamt 14 Direktkandidierenden für eine Verschärfung.
Beteiligungsquoten der Parteien (Stand 25.9. - 16 Uhr)
Die Teilnahme ist den Direktkandidierenden seit dem 14. August möglich. Sie können bis zum Vorabend der Wahl am 13. Oktober mitmachen. Wir haben dazu alle Direktkandidierende per Mail angeschrieben, um ihnen den Zugang zum Onlineformular zu ermöglichen.
Weiterführende Informationen
Frageportal Bayern - mit Profilen aller Stimmkreiskandidierenden zur Landtagswahl