Rechenschaftsberichte für 2019 veröffentlicht

Rüstungslobby, Immobilienkonzerne, Tabakindustrie: Von wem die Parteien Geld bekamen

Lang hat es gedauert, doch nun hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Rechenschaftsberichte der Parteien für 2019 veröffentlicht. Die Spenderlisten lesen sich wie ein dickes Branchenverzeichnis – hohe Zuwendungen flossen unter anderem aus der Rüstungsindustrie, von Immobilienfirmen und der Tabaklobby. Bei manch einer Transaktion zeigt sich, warum die bestehenden Transparenzpflichten unwirksam sind.

von Martin Reyher, 19.03.2021
Unternehmensspende (Symbolbild)

Einmal im Jahr stellt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lange Listen mit den Namen von hunderten Unternehmen, Interessenverbänden und Privatpersonen ins Internet. Es sind die Namen von Spenderinnen und Spendern, die den Parteien mindestens 10.000 Euro haben zukommen lassen. Einige überweisen gar sechsstellige Beträge.

Dieses Mal ließ die Veröffentlichung der Spendenlisten besonders lange auf sich warten. Erst am 18. März 2021 machte Schäuble die Rechenschaftsberichte für das Jahr 2019 von CSU, SPD, FDP, Grünen und Linkspartei zugänglich. Den CDU-Bericht hatte der Parlamentspräsident bereits Anfang Januar öffentlich gemacht, der der AfD steht noch aus.

101.000 Euro vom Immobilienunternehmer, der schon einmal mit gestückelten Spenden auffiel

In den Spendenlisten, die abgeordnetenwatch.de und der ehemalige STERN-Journalist Hans-Martin Tillack ausgewertet haben, tauchen auffallend viele Immobilienunternehmen auf. So strich die CDU von der GRK Immobilien GmbH aus Leipzig 39.699 Euro ein. Die Unternehmensgruppe ist nach eigenen Angaben bundesweit aktiv und verwaltet und vermietet „exklusive Wohn- und Gewerbeimmobilien“ mit Schwerpunkt in Leipzig. Weitere 10.900 Euro flossen von der PRIMUS Immobilien AG, die Geschäfte mit der Entwicklung von luxuriösen Neubau- und Sanierungsvorhaben „in den Top-Wohnlagen Berlins und an der Ostseeküste“ macht. 

Gar 101.200 Euro steuerte der Berliner Immobilienunternehmer Klaus Groth für die CDU-Parteikasse bei. Groth war vor einigen Jahren wegen gestückelter Parteispenden an CDU und SPD in die Schlagzeilen geraten: Mehrere Einzelspenden, die unter anderem an den SPD-Kreisverband des damaligen Berliner Bausenators Andreas Geisel gerichtet waren, lagen knapp unterhalb der 10.000 Euro-Schwelle, ab der eine Zahlung im Rechenschaftsbericht einer Partei aufgeführt werden muss.

Spenden aus der Immobilienwirtschaft auch an CSU und SPD

Auch die CSU profitierte von Zuwendungen aus der Immobilienbranche. 45.000 Euro flossen von der GIP Grundig Immobilienpark GmbH, deren Muttergesellschaft an den Freistaat Bayern eine teure Immobilie vermietet hat. Den millionenschweren Mietvertrag hatte der heutige Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zwei Jahre zuvor als bayerischer Finanz- und Heimatminister unterzeichnet (mehr dazu im Kasten am Ende des Artikels). 15.000 Euro erhielt die CSU außerdem von der Büschl Unternehmensgruppe Holding, die ihren Sitz in Grünwald bei München hat und in der bayerischen Landeshauptstadt große Immobilienprojekte realisiert. 

Jene  Büschl-Gruppe taucht mit einer Zahlung von 20.000 Euro außerdem in der Spendenliste der SPD auf. Sie ist derzeit etwa an der Entwicklung des ehemaligen OSRAM-Geländes in München beteiligt, wo ein mehrere Hektar großes Wohnquartier entstehen soll.

Aus den Rechenschaftsberichten geht allerdings nicht hervor, an welche Parteigliederung eine Spende gerichtet war, ob etwa ein Kreisverband, die Landes- oder Bundespartei von ihr profitiert hat. So lässt sich auch nicht nachvollziehen, ob Zahlungen im Zusammenhang mit konkreten politischen Vorhaben oder Entscheidungen stehen. Vor einigen Jahren hatten wir zusammen mit dem SPIEGEL fragwürdige Spenden eines niederländischen Immobilienentwicklers an die CDU aufgedeckt, bei dem dieser Verdacht nahelag.

Drei Unternehmen - eine Anschrift: 80.000 Euro für die FDP

Auch am Beispiel eines FDP-Großspenders aus dem Jahr 2019 zeigt sich, warum die bestehenden Offenlegungspflichten für Parteispenden oft nicht greifen. In ihrer Spenderliste führen die Liberalen drei Gesellschaften auf, die auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten Blick aber sehr viel miteinander zu tun haben: Der gemeinsame Sitz der Unternehmen Savarpa Immobilien, Huskelapp Vermögensverwaltung und Hestesko Vermögensverwaltung liegt in der Straße Neuer Weg 9 in Wolfenbüttel. 

Die dort ansässigen Gesellschaften gehören laut Handelsregister dem Aufsichtsratschef des Spirituosenherstellers Mast-Jägermeister, Florian Rehm, der auch Sprecher der Unternehmerfamilie Mast ist. Über die Firmen gingen 2019 bei der FDP insgesamt 80.000 Euro ein. Eigentlich wäre eine Zuwendung, die über der Schwelle von 50.000 Euro liegt, unverzüglich auf der Bundestagsseite zu veröffentlichen gewesen – doch dort tauchen die Zahlungen aus dem Neuen Weg 9 in Wolfenbüttel nicht auf. Grund: Ob Unternehmen rechtlich oder über Personen miteinander verbunden sind, spielt keine Rolle. Die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung gilt nur pro Unternehmen, Verband oder Privatperson.

Finanzielle Unterstützung von der Rüstungs- und Tabaklobby

Weitere Branchen, die in den Spendenlisten der Parteien auftauchen, sind Rüstung, Tabak und Spielautomaten:

  • Der Tabakkonzern Philip Morris GmbH bedachte die CSU mit 17.000 und die FDP mit 15.000 Euro. An SPD und CDU flossen jeweils 15.000 Euro.
  • Der Rüstungskonzern Airbus Defence and Space GmbH verteilte seine Spenden auf zwei Parteien: Die FDP durfte sich über 30.000 Euro freuen, die CSU über 20.000 Euro.
  • Der Automatenhersteller Gauselmann AG ließ CDU, CSU und FDP jeweils 11.000 Euro zukommen, die SPD gab eine Spende in Höhe von 13.760 Euro an.

100.000 Euro für die Grünen vom Industrieverband Südwestmetall

Auch die Grünen sind für viele Unternehmen und Verbände inzwischen eine feste Adresse, wenn es um eine finanzielle Unterstützung geht. Der Lobbyverband der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, Südwestmetall, etwa überwies der Partei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann 100.000 Euro. 

In den Spendenlisten von 2019 taucht auch ein Name aus der Medienbranche auf: der des Verlegers Dirk Ippen. Er spendete der FDP als Privatperson 49.000 Euro. Die Ippen-Gruppe gehört zu den größten Zeitungshäusern Deutschlands und gibt unter anderem die Frankfurter Rundschau, den Münchener Merkur und die Hessische/Niedersächsische Allgemeine heraus. 

Dass Verleger oder Zeitungshäuser Parteien finanziell unterstützen, ist kein neues Phänomen. Vor einiger Zeit hatten wir Parteispenden von SPIEGEL, ZEIT, Gruner & Jahr oder dem Heinrich Bauer Verlag – die meist in Form von Freianzeigen erfolgten – zusammengetragen. Diese lagen meist Jahrzehnte zurück.

Auch künftig in keiner Spendenliste: Die Geldgeber von Jens Spahn

Nicht bekannt ist dagegen, welche Unternehmen und Privatpersonen im vergangenen und dem laufenden Jahr an die Parteien gespendet haben – zumindest bei allen Beträgen, die zwischen 10.000 und 50.000 Euro lagen und deswegen erst mit Erscheinen der Rechenschaftsberichte öffentlich werden. Das dürfte für das aktuelle Wahljahr nicht vor 2023 der Fall sein.

Sicher ist aber schon jetzt: Die ominösen Geldgeber, die bei einem Spenden-Dinner im vergangenen Oktober eine stolze Summe für den anstehenden Bundestagswahlkampf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beisteuerten, werden in den Listen nicht auftauchen. Ihre Zuwendungen lagen jeweils bei 9.999 Euro – und damit genau einen Euro unter der Offenlegungsschwelle.

45.000 Euro an die CSU - vom Geschäftspartner des Freistaates Bayern

Eine der vielen Parteispenden, die 2019 aus der Baubranche flossen, stammt von der GIP Grundig Immobilienpark GmbH. Deren 45.000 Euro-Zuwendung an die CSU ist in mehrfacher Hinsicht erstaunlich.

Hinter dem Unternehmen steht mit der alpha-Gruppe des Immobilienentwicklers Gerd Schmelzer ein Geschäftspartner des Freistaates Bayern. Die alpha-Gruppe besitzt eine Immobilie in Nürnberg, in der die Außenstelle des Deutschen Museums ansässig ist. Im Juni 2017 unterzeichneten Investor Schmelzer und der damalige Finanz- und Heimatminister Markus Söder einen Mietvertrag für das Museum: 2,8 Millionen Euro pro Jahr zahlt der Freistaat dem Eigentümer bis 2044. Aus Landesmitteln gab es außerdem eine Anschubfinanzierung für das Museum in Höhe von 27,6 Millionen Euro.

Schmelzer soll laut Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR mit der CSU-Politikerin Julia Lehner verheiratet sein, die Kulturreferentin der Stadt Nürnberg und Mitglied im CSU-Parteivorstand ist. Der Rechercheverbund hatte im Januar über eine 45.500 Euro-Spende aus dem Jahr 2018 berichtet, die von der GIP Grundig Immobilienpark GmbH an die CSU geflossen war, und indirekt die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Parteispende und Museumsprojekt aufgeworfen. 

Schmelzer wies einen Zusammenhang zurück. Beides stehe "in keinerlei Beziehung", teilte er auf Anfrage von SZ, WDR und NDR mit. Die CSU erklärte damals: "Herr Dr. Söder hatte keinerlei Kenntnis von dieser Spende". Aus der bayerischen Staatskanzlei hieß es: "Die Zweigstelle des Deutschen Museums Nürnberg ist ausschließlich ein Projekt des Deutschen Museums. Es handelt sich um kein staatliches Projekt. Daher war der Freistaat Bayern auch nicht in operative Abläufe eingebunden. Er ist selbst weder Projektführer noch Bauherr noch Mieter." 

Die Opposition forderte nach Bekanntwerden der CSU-Spende von 2018 Aufklärung. Der FDP-Landtagsabgeordnete Sebastian Körber und Vorsitzende des Bauausschusses im bayerischen Landtag sagte: "Die Konstellation aus erklärungsbedürftig hoher Miete, außerordentlich langfristigem Mietvertrag und zusätzlicher Finanzspritze in Millionenhöhe ist bayernweit beispiellos." SPD und Grüne hatten zuvor wiederholt heftige Kritik an den hohen Kosten für das Museum geübt.

Mitarbeit: Andrea Knabe

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