"Pflege-Bahr": Großspender von CDU und FDP sagt Dankeschön (mit Update)

Mit über einer Millionen Euro sponserte die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) im Bundestagswahljahr 2009 CDU und FDP. Nun geht mit der Einführung einer privaten Pflegezusatzversicherung für Deutschlands größten Finanzvertrieb ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung.

von Martin Reyher, 08.06.2012

Das Christkind hatte die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) um wenige Tage verpasst, als sie am 31. Dezember 2010 einen Wunschzettel erstellte. "Eine Riester-Pflegezusatzversicherung", stand darauf. Knapp 18 Monate später ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen, und das ganz ohne himmlische Fügung.

In der Versicherungsbranche dürften die Korken geknallt haben, als die Parteichefs von CDU, CSU und FDP sich am Montag auf die Einführung einem sog. "Pflege-Bahr" verständigten. Denn für die Assekuranzen bedeutet die private Pflegezusatzversicherung ein Riesengeschäft. Allein der Staat wird im kommenden Jahr bis zu 100 Mio. Euro an Fördermitteln ausschütten, um den Bürgern die Pflegevorsorge schmackhaft zu machen, später könnte die Summe noch steigen. Über ein ordentliches Stück vom Kuchen darf sich dann auch die DVAG freuen. Ihre rund 37.000 Vertreter bringen eine breite Palette an Finanzprodukten an die Kunden, etwa Lebensversicherungen, die Riester-Rente - und in Zukunft die private Pflegezusatzversicherung.

Entsprechend fiel das Fazit der Märkischen Allgemeinen Zeitung gestern nach einem Gespräch mit dem DVAG-Volkswirt aus:
 

 

Deutschlands größter Finanzvertrieb pflegt seit Jahren ein inniges Verhältnis zu den Erfindern des "Pflege-Bahr". Die Konzerngremien sind mit namhaften CDU-Leuten besetzt: Altkanzler Helmut Kohl ist Vorsitzender des DVAG-Beirats, dem außerdem Bernhard Vogel, Horst Teltschik und Petra Roth angehören. Theo Waigel ist Mitglied im Aufsichtsrat, an dessen Spitze steht Kohls früherer Kanzleramtsminister Friedrich Bohl.

Und auch Guido Westerwelle stand kurzzeitig in Diensten der DVAG. Da jedoch Regierungsmitglieder keine Nebentätigkeiten ausüben dürfen, musste der damalige FDP-Chef vor seiner Ernennung zum Außenminister das Beiratsmandat wieder aufgeben. Die Verbindung zur Deutschen Vermögensberatung aber blieb bestehen. Vier Monate später wurde Westerwelle bei einer firmeninternen Veranstaltung von 15.000 DVAG-Vermögensberatern begeistert empfangen. So ist es in einem Unternehmensvideo festgehalten (mehr...).
 

Als die Deutsche Vermögensberatung am Tag nach der Bundestagswahl 2009 namentlich ihrem damaligen Beiratsmitglied Westerwelle sowie der Kanzlerin "ganz herzlich zu ihren persönlichen Wahlerfolgen und zum Erfolg ihrer Parteien" gratulierte, gratulierte sich die DVAG in gewisser Weise selbst. Denn als großzügiger Wahlkampfsponsor von CDU und FDP stand der Finanzvertrieb am Ende mit auf der Seite der Sieger. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de ließ die DVAG den beiden Parteien allein im Wahljahr 587.000 Euro (CDU) bzw. 470.000 Euro (FDP) zukommen. Die Spenden stammten aus unterschiedlichen Quellen: Teils von der Deutschen Vermögensberatung AG direkt, teils von weitgehend unbekannten Tochterfirmen, von DVAG-Gründer Reinfried Pohl persönlich oder dem von ihm gegründeten Bundesverband Deutscher Vermögensberater, dessen Vorsitzender DVAG-Aufsichtsratschef Friedrich Bohl ist.

Solche Zuwendungen sieht die DVAG als Ausdruck ihrer "gesellschaftlichen Verantwortung". Selbstverständlich, so das Unternehmen, würden dabei "nicht nur die CDU und FDP berücksichtigt".

Das stimmt in der Tat. Von den 1.095.950 Euro, die im Wahljahr 2009 aus dem DVAG-Umfeld an die Parteien flossen, entfiel auf die Grünen ein Anteil von 0,9 Prozent (10.000 Euro), die SPD bekam mit 1,3 Prozent (15.000 Euro) sogar ein noch etwas größeres Stück vom mächtigen Spenden-Kuchen ab (siehe Grafik oben).

Warum die Deutsche Vermögensberatung am Tag nach der Bundestagswahl ihre Freude über den Ausgang mit drei Ausrufezeichen öffentlich kundtat ("DVAG gratuliert!!!" - der Artikel im Unternehmensblog wurde nach kurzer Zeit wieder gelöscht), zeigte sich wenige Wochen später. Der Journalist Michael Spreng, als ehemaliger Berater von Edmund Stoiber und Jürgen Rüttgers ganz und gar unverdächtig, notierte in seinem Blog:

Dagegen kann die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) mit dem bisherigen Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zufrieden sein. Nach der Bundestagswahl hatte sie ihrem Beiratsmitglied Guido Westerwelle gratuliert und ihn ermahnt: “Die Bürger müssen durch geeignete Maßnahmen zu privater Vorsorge motiviert werden”. Jetzt kann er Vollzug melden: Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger verdreifacht (jetzt flutscht der stockende Verkauf von Lebensversicherungen und Fonds-Sparplänen wieder), private Zusatzversicherung zur Pflegeversicherung, leichterer Umstieg von der gesetzlichen zur privaten Krankenversicherung. Ein Super-Ergebnis für die deutsche Versicherungswirtschaft und die Firmen, die ihre Verträge verkaufen. (…)

Mit der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen staatlich geförderten Pflegezusatzversicherung steht der Versicherungsbranche demnächst ein wahrer Geldsegen ins Haus. Verbraucherschützer wie Thorsten Rudnik, Vorstandsmitglied beim Bund der Versicherten, halten die jetzt vorgelegten Pläne dagegen für "vollkommen unausgereift". Er sehe darin "überhaupt keine ökonomische Sinnhaftigkeit", sagte Rudnik zu abgeordnetenwatch.de. "Vielmehr ist absehbar, dass ein großer Teil der staatlichen Zuschüsse am Ende als Provisionen in den Taschen der Versicherungsvertreter von DVAG und Co. landet."

Dass sich die Handelsvertreter von DVAG und Co. ab 2013 beim Verkauf des "Pflege-Bahr" über einträgliche Provisionen freuen dürfen, ist derweil abzusehen. Am Mittwoch äußerte sich dazu die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk:

Moderator: Eine Schwachstelle der Riester-Rente sind die hohen Provisionen für die Vermittler. Das hat die Zeitschrift "Finanztest" festgestellt. Werden die beim Abschluss der privaten Pflegeverträge begrenzt? Hasselfeldt: Nun, das ist jetzt momentan nicht vorgesehen, das muss man sich auch anschauen, ob es notwendig ist. Ich persönlich habe immer etwas Bedenken, wenn wir zu sehr von Seiten des Staates eingreifen. Das muss auch ein Stück weit der Markt regeln.

2011 verzeichnete allein die Deutsche Vermögensberatung AG Provisionserlöse in Höhe von 1,065 Mrd. Euro - mehr als die zweit- und drittgrößten deutschen Finanzvertriebe AWD und MLP zusammen.

Update 14.6.2012: Am 15. Mai fand die diesjährige Hauptversammlung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater statt, ein Berufsverband aus dem DVAG-Umfeld. Einer der Hauptredner beim Jahrestreffen des Großspenders von CDU und FDP (2010/11: insg. 172.100 Euro):

 

Update 15.6.2012: Das Gesundheitsministerium sah sich außerstande, das Redemanuskript von Daniel Bahr zur Verfügung zu stellen. Auf unsere Anfrage hieß es in einer schriftlichen Antwort:

Leider können wir Ihrer Bitte nicht nachkommen, da wir keine persönlichen Reden des Ministers in schriftlicher Form weiter geben. Es gilt immer das "gesprochene" Wort.

Auf telefonische Nachfrage, was unter einer "persönlichen Rede des Ministers" zu verstehen sei, verwies eine Ministeriumssprecherin darauf, dass sich ihre Kollegin in der Antwort vermutlich unglücklich ausgedrückt habe. Sie bekräftigte allerdings, dass Bahr die Rede bei der BDV-Hauptversammlung in seiner Funktion als Gesundheitsminister gehalten habe. Das Manuskript sei im Ministerium verfasst worden. Man fragt sich allerdings, warum andere Ministerien - etwa das Außenministerium oder das Verteidigungsministerium - durchaus in der Lage sind, Redemanuskripte zu veröffentlichen, das Bundesgesundheitsministerium jedoch nicht.

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