Moderations-Codex gegen "unsinnige Fragen" im EU-Parlament

Sind EU-Kommissare bereit ihren Drogenkonsum öffentlich zu beichten? Wie viele Flaschen Wasser konsumierte die EU-Kommission 2006? Gibt es Autofirmen mit Interesse an einem PKW-Kompass, der den Weg nach Mekka weist? Die Nase voll von solchen parlamentarischen Anfragen haben nun die Präsidenten des Europaparlaments. Künftig soll im Hohen Haus ein Moderations-Codex gelten - wie auf abgeordnetenwatch.de.

von Martin Reyher, 08.07.2010

 

Das sind die Drucksachen E-1279/07, E-6597/07 und E-0963/07 aus dem Europäischen Parlament:
  • "Hat die Kommission bereits Anfragen europäischer Automobilhersteller zum Erlass neuer Richtlinien erhalten, die die Ausstattung von Fahrzeugen mit Technologien zur Orientierung in Richtung Mekka ermöglichen?"

Drei von jährlich etwa 8.000 Anfragen von EU-Abgeordneten an die Europäische Kommission. Dem Parlamentspräsidium reicht es nun. "Unsinnige Fragen" von EU-Abgeordneten sollen nach einem Bericht von Welt online nicht länger zugelassen werden. Ein Verhaltenscodex soll die Abgeordneten disziplinieren, so die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Dagmar Roth-Behrendt:

Es geht nicht darum, das Fragerecht der Abgeordneten zu beschneiden. Wir brauchen aber einen Verhaltenscodex, der klar definiert, welche Themen aufgegriffen werden dürfen. Beleidigungen und Diffamierungen, die es auch gibt, müssen ebenso ausgeschlossen werden wie Fragen, die außerhalb des Kompetenzbereichs der Europäischen Union liegen.

Kein Anpassungsproblem an die neuen Regeln im Parlament dürften die 99 deutschen Europaabgeordneten haben. Sie kennen einen solchen Verhaltenscodex bereits von ihren Aktivitäten auf abgeordnetenwatch.de. Denn der Moderations-Codex gilt nicht nur für Fragesteller, sondern natürlich auch für Abgeordnete. Im Übrigen fördern Fragen an die EU-Abgeordneten via abgeordnetenwatch.de oftmals mehr Erkenntnisse zutage als die Anfragen der Parlamentarier an die Kommission: Antwort auf die Frage, ob es Autobauer mit Interesse an einem PKW-Kompass gen Mekka gebe: Nein. Antwort auf die Frage, ob kiffende Kommissare zu einem Outing bereit wären: Nein. Nur dem Abgeordneten, der mit seiner Anfrage den Wasserkonsum der EU-Kommission ermitteln wollte, konnte wirklich geholfen werden. Wie viele Flaschen Wasser genau - das weiß allerdings nur er allein: Die Zahl wurde ihm - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - direkt zugeleitet. Das wäre auf abgeordnetenwatch.de nicht passiert...

 

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