Das Straucheln des Peter Müller auf der Atombrücke

Für Saarlands Ministerpräsident Peter Müller ist die Sache klar: Eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken wird es mit ihm nicht geben - darauf legte er sich jetzt in einem Zeitungsinterview fest. Im Landtagswahlkampf 2009 sagte Müller auf abgeordnetenwatch.de genau das Gegenteil.

von Martin Reyher, 19.05.2010

Dass die Atomkraft nur eine Brückentechnologie sei, wird dieser Tage oft und gern beschworen. Man stellt sich also eine Brücke vor, die das Hier und Jetzt mit seinen Atomkraftwerken und Castortransporten mit der Welt von morgen verbindet, in der wir nur noch Wind, Wasser und Sonne anzapfen werden. Das Konstrukt ist allerdings äußerst wackelig, denn niemand kann genau voraussagen, wie lang eine solche Brücke eigentlich sein muss, um ins gelobte Land zu führen. Muss sie den Zeitraum von fünf Jahren oder von 50 Jahren überbrücken? Oder braucht man vielleicht gar keine Brücke, weil man schon jetzt mit einem großen Satz ins Zeitalter der erneuerbaren Energien hinüber hüpfen könnte? Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat sich dieser Tage auf die wackelige Atombrücke gewagt und ist dort etwas ins Straucheln geraten. Den Stolperstein hat er sich selbst gelegt: in Form einer Antwort zum Atomausstieg, die er wenige Tage vor der saarländischen Landtagswahl am 30. August 2009 einem Wähler auf abgeordnetenwatch.de gab. Im Angesicht seiner jüngsten Äußerungen zur Diskussion um den "Ausstieg aus dem Atomausstieg" wirkt Müller nun wie jemand, der vom Anhänger der Laufzeitverlängerung zum Gegner einer solchen Maßnahme wurde. Doch der Reihe nach. Gestern berichtete das Hamburger Abendblatt auf Seite 3 unter der Überschrift "Atomdebatte läuft heiß":

Die Atomenergie sei eine Brückentechnologie, die auf Dauer abgelöst werden müsse von einer nachhaltigen, sicheren und kostengünstigen Versorgung auf der Basis erneuerbarer Energien, sagte [Peter] Müller, der an der Saar mit FDP und Grünen in einer Jamaika-Koalition regiert. "Deshalb hält die saarländische Landesregierung am gesetzlich festgelegten Atomausstieg fest. Änderungen, die das Ziel haben, die Laufzeit der bestehenden Reaktoren zu verlängern, wird das Saarland im Bundesrat nicht zustimmen."

Müllers Skepsis bezüglich der Laufzeitverlängerung scheint konsequent. Bereits am 17.10.2009 antwortete er auf die Frage von BILD, ob ein schwarz-gelb-grün regiertes Saarland einer Laufzeitverlängerung im Bundesrat unterstützen werde:

Nein. Das hat aber nichts mit der neuen Konstellation hier zu tun. Schon 2002 hat meine Regierung gegen den Antrag von drei Bundesländern auf Laufzeitverlängerung gestimmt.

Das bedeutet, dass Peter Müller schon immer gegen eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken war. Denn eine Diskussion darüber, wie lange Atommeiler am Netz bleiben sollen, gibt es seit dem Atomkonsens der rot-grünen Bundesregierung mit den Energieversorgungsunternehmen, der Anfang 2002 mit der "Novellierung des Atomgesetzes" besiegelt wurde. Von daher kann es eigentlich nur eine Antwort geben, wenn Peter Müller von einem Bürger auf abgeordnetenwatch.de gefragt wird:

Würden Sie den Atomausstieg aufweichen, indem Sie längere Laufzeiten befürworten und damit den Ausbau der Erneuerbaren Energien blockieren?

Die Antwort müsste lauten: Nein, denn sowohl ich als auch die saarländische Landesregierung lehnen längere Laufzeiten von Atomkraftwerken grundsätzlich ab! Doch tatsächlich lautet die Antwort, die Peter Müller dem Bürger am 27.8.2009 auf abgeordnetenwatch.de gibt:

Ganz konkret: Ich spreche mich insbesondere auch aus Klimaschutzgründen für eine Laufzeitverlängerung der bestehenden sicheren Atomanlagen in Deutschland aus. Damit würde weder der Atomausstieg aufgeweicht, noch würde der Ausbau der Erneuerbaren Energien blockiert. Tatsache ist nun mal, dass derzeit klimafreundliche und kostengünstige Energie noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, um die durch Atomkraft gewonnene Energie zu ersetzen.

abgeordnetenwatch.de konfrontierte gestern Nachmittag den Pressesprecher der CDU Saarland per Mail mit dem Widerspruch in den Aussagen von Ministerpräsident Müller. Eine Antwort liegt noch nicht vor. Der Schlüssel zu Müllers Widerspruch liegt womöglich im zeitlichen Zusammentreffen der saarländischen Landtagswahl mit der Bundestagswahl im Spätsommer 2009. Die (Bundes)-CDU war in den Bundestagswahlkampf mit der Forderung nach einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken gezogen. Im "Regierungsprogramm" heißt es dazu auf Seite 18 (pdf):

Die Kernenergie ist ein vorerst unverzichtbarer Teil in einem ausgewogenen Energiemix. Wir verstehen den Beitrag der Kernenergie zur Stromversorgung als Brückentechnologie, weil heute klimafreundliche und kostengünstige Alternativen noch nicht in ausreichendem Maße verfügbar sind. Daher streben wir eine Laufzeitverlängerung der sicheren deutschen Anlagen an.

Das Abweichen eines CDU-Ministerpräsidenten von der offiziellen Parteilinie hätte einen Monat vor der Bundestagswahl für kräftigen Wirbel gesorgt. So ist die Loyalität des Peter Müller mit der Bundespartei nun für ewig im "digitalen Wählergedächtnis" auf abgeordnetenwatch.de hinterlegt, auch wenn sie im Widerspruch zu seiner politischen Überzeugung steht.

 

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