Sich für gute Beziehungen zwischen dem Bundestag und dem Parlament oder der Zivilgesellschaft eines anderen Landes engagieren? Das klingt nach einer guten, ehrenhaften Aktion als Mitglied des Bundestags. Es ist genau das, was die derzeit 47 bi- und multilateralen Parlamentarier:innengruppen im deutschen Bundestag als Mission haben. Sie stehen mit verschiedenen Ländern weltweit im Austausch.
Ihre Mitglieder sind auf Besuchen in den Partnerländern oder tauschen sich mit Besucher:innen in Deutschland aus; sie pflegen Kontakte zu den Regierungsmitgliedern der Partnerländer, aber auch mit Oppositionspolitiker:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft. Bei all diesen Aktivitäten steht der internationale Austausch an erster Stelle. Die Abgeordneten pflegen diese Kontakte nicht privat, sondern im Zuge ihres Mandats als Vertreter:innen des deutschen Volkes.
Diese Gruppen nehmen in der deutschen Außenpolitik eine durchaus wichtige Rolle ein, da sie unabhängig aktueller Beziehungen beider Länder im Austausch bleiben. Sie sind auch Ansprechpartner:innen für Vertreter:innen der Opposition und Zivilgesellschaft in den Partnerländern und vermitteln so auch Werte der Bundesrepublik. Hier kann der Austausch für junge Demokratien besonders hilfreich und gewinnbringend sein. Da sie sich aus Vertreter:innen der verschiedenen Parteien im Bundestag zusammensetzen, tragen sie repräsentativ die Werte der Demokratie Deutschlands nach außen. Finanziert wird ihre Arbeit entsprechend durch Steuergelder.
Parlamentarier:innengruppen gibt es mit vielen verschiedenen Ländern: Mit verschiedenen europäischen Ländern sind die deutschen Abgeordneten in regelmäßigem Austausch – was auch ein Beitrag zur deutschen Außenpolitik darstellt. Aber auch zu Regierungen und Parlamenten, die kein demokratisches System aufweisen, gibt es solche Gruppen. So stehen u.a. MdB mit Abgeordneten aus der Volksrepublik China im Austausch. Der Vorsitzende dieser Gruppe ist Hans-Peter Friedrich von der CSU (ehemaliger Bundesinnenminister). Bis Dezember 2022 war er außerdem noch Vorsitzender des Vorstandes der China-Brücke e.V. sowie dem Committee on German-Chinese Relations e.V.
Essenziell ist also aufgrund dieser wichtigen Rolle, dass transparent ist, wer Mitglied in diesen Gruppen ist. Aktuell ist das jedoch nicht möglich. Wie die Zeitung DIE WELT vor Kurzem berichtete, wurden ihre Anfragen nach ausführlichen Listen aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Seien es Datenschutzbedenken, Fluktuation innerhalb der Gruppe oder eben auch schlichtes Schweigen – in Erfahrung gebracht werden konnte nichts:
"Eine Herausgabe der Mitgliederlisten an Dritte ist untersagt", teilte etwa ein Mitarbeiter des grünen Abgeordneten Max Lucks mit, der die Deutsch-Türkische Gruppe anführt. CDU-MdB Johann Wadephul (Deutsch-Südkaukasische Parlamentariergruppe) blockte eine Anfrage ab. Parteikollege Christoph Ploß, Vorsitzender der Gruppe "Arabischsprachige Staaten des Nahen und Mittleren Ostens", zu der Katar und Saudi-Arabien zählen, hat für seine Absage Datenschutzgründe vorgeschoben. Ähnlich argumentierte der FDP-Abgeordnete Otto Fricke (Deutsch-Niederländische Parlamentariergruppe).
Diese Verschlossenheit ist neu. In vergangenen Wahlperioden wurden Journalist:innen diese Informationen noch gewährt, doch seit dieser Wahlperiode fährt der Bundestag eine neue Linie und hält Mitgliederlisten unter Verschluss. Die Parlamentsverwaltung verweigert sogar die Herausgabe einer Richtlinie, in der es um die Reisen der Parlamentariergruppen geht. In einer Fassung von 2021, die noch öffentlich war, hieß es, pro Wahlperiode sei "jeweils eine Delegationsreise in das Partnerland" erlaubt. Mehr weiß die Öffentlichkeit seitdem nicht.
Und dies, obwohl bei genaueren Blicken auf einige Parlamentarier:innengruppen klar wird, dass deren Aktivitäten auch kontrovers sein können. Ein gutes Beispiel ist der Fall Strenz in der Aserbaidschan-Affäre. Die inzwischen verstorbene CDU-Abgeordnete Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern erhielt mutmaßlich Gelder von einer aus Aserbaidschan finanzierten Beratungsfirma, die sie zunächst verheimlichte. Sie war zu dieser Zeit Vorsitzende der deutsch-südkaukasischen Parlamentarier:innengruppe und hatte viele Kontakte nach Aserbaidschan.
Die Ermittlungen gegen sie wurden nach ihrem Tod eingestellt, aber Verfahren gegen weitere Involvierte laufen noch.
Genau aus diesem Grund ist Transparenz über die Mitglieder sowie ihre Aktivitäten und Reisen umso wichtiger.
Die Listen müssen für die Öffentlichkeit bereitgestellt werden. Sie müssen aktuell auf der Webseite des Bundestages für jede:n zugänglich sein. Einzelne Abgeordnete des Bundestags geben auf ihren Seiten Informationen zu Mitgliedschaften in den Parlamentarier:innengruppen an – offizielle Listen fehlen aber.
Wenn Sie Fragen zu den Tätigkeiten innerhalb der Parlamentarier:innengruppen oder zu anderen Themen haben, können Sie diese übrigens direkt auf unserer Webseite stellen! Auf unserer Frageplattform finden Sie alle Abgeordneten des deutschen Bundestages.
Quellen:
https://www.bundestag.de/europa_internationales/parlamentariergruppen/parlamentariergruppen-196362
https://www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/lobbyismus/strenz-wich-fragen-zu-aserbaidschan-bereits-2015-aus-heute-ermittelt-die-staatsanwaltschaft
https://www.tagesschau.de/inland/korruptionsverdacht-ermittlungen-strenz-lintner-101.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/karin-strenz-todesursache-staatsanwaltschaft-1.5243424
https://www.tagesspiegel.de/politik/warum-die-ex-mitarbeiterin-einer-lobbyfirma-unter-verdacht-geriet-4247758.html
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus246513800/Geheimniskraemerei-um-Auslandskontakte-im-Bundestag.html