Im Februar sorgten wir mit dem Projekt FragDenBundestag dafür, dass der Bundestag tausende Gutachten seines Wissenschaftlichen Dienstes veröffentlicht. Vorher hatten über unsere Kooperationsplattform fragdenstaat.de mehr als 3.000 Menschen Anfragen nach diesen Gutachten an den Bundestag gesendet.
Dafür sind wir zusammen mit FragDenStaat mit dem diesjährigen Otto Brenner Preis für innovative und wegweisende Medienprojekte ausgezeichnet worden.
Nach Auffassung der Jury hat das Projekt die Offenlegung der Gutachten mit „List und Leidenschaft“ erreicht. Mehr als 1.000 Anfragen innerhalb weniger Tage hatten einen derart hohen Verwaltungsaufwand erzeugt, dass die Parlamentsverwaltung die Gutachten Mitte Februar von sich aus ins Internet stellte. „Mit diesem Medienprojekt verwandelt sich abstrakte Transparenz in konkrete Wissensvermehrung,“ so die Jury des Otto Brenner Preises.
Unser Geschäftsführer Gregor Hackmack erklärte dazu nach Bekanntgabe der Auszeichnung am Montag: „Wir freuen uns, dass die Bundestagsverwaltung ihre jahrelange Transparenzblockade aufgegeben hat und sämtliche Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes von sich aus ins Internet stellt. Damit sind die steuerfinanzierten Gutachten allen Bürgerinnen und Bürger zugänglich. Das ist ein großer Erfolg von abgeordnetenwatch.de und fragdenstaat.de!“
Zur Vorgeschichte: Ende Januar hatten wir eine bis dato unveröffentlichte Liste mit den Titeln mehrerer Tausend Gutachten von 2005 bis 2015 online gestellt. Deren Herausgabe hatte der Bundestag uns lange Zeit verweigert und behauptet, die Organisation verfolge mit ihrer Anfrage eine „Ausforschung des Behördenhandelns“. Nach einem Widerspruch auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gab die Parlamentsverwaltung die Liste schließlich doch heraus. Durch das Bekanntwerden der Titel konnten Bürger und Journalisten erstmals konkrete Gutachten beim Bundestag anfordern. Dies war bislang nicht möglich, weil nicht bekannt war, welche Ausarbeitungen überhaupt existieren.
Daraufhin haben wir gemeinsam mit fragdenstaat.de die Öffentlichkeit aufgerufen, die Gutachten über fragdenbundestag.de auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes beim Deutschen Bundestag anzufordern. Angesichts der zahlreichen Bürgeranfragen gab die Bundestagsverwaltung ihre Weigerung, alle Gutachten von sich aus zu veröffentlichen, im Februar 2016 auf. Allein mit Ersterfassung, Registrierung und Eingangsbestätigung der IFG-Anträge wäre sie mehrere Wochen beschäftigt gewesen. Am 21.2.2016 informierte Bundestagspräsident Norbert Lammert die Bundestagsabgeordneten in einer internen Mail, die Verwaltung werde die Gutachten künftig online stellen und begründete dies u.a. mit den rund 2.000 IFG-Anträgen aus der Zivilgesellschaft über fragdenstaat.de: „Diese Anträge [dienen] erkennbar dem Zweck, externe Datenbanken über die erstellten Gutachten der WD aufzubauen“.
Seit Februar stellt die Bundestagsverwaltung die Gutachten sukzessive auf der eigenen Webseite ein. Da diese dort jedoch schlecht auffindbar und nicht durchsuchbar sind, haben wir Anfang März das Portal sehrgutachten.de aufgesetzt, worüber Interessierte die vom Bundestag veröffentlichten Gutachten mit Schlagwörtern durchsuchen und herunterladen können. Damit sind diese nun z.B. auch für Journalisten und Wissenschaftler nutzbar.
Bislang stehen unter www.bundestag.de/ausarbeitungen rund 3.200 Ausarbeitungen des Bundestags zur Verfügung, teils als Scan, teils offensichtlich als Original-PDF. Unter den veröffentlichten Dokumenten, die in der Regel von Bundestagsabgeordneten in Auftrag gegeben werden, finden sich u.a. Ausarbeitungen zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP, aber auch skurrile Titel wie „Zu den rechtlichen Möglichkeiten gegen das Nacktbaden auf einem benachbarten Grundstück“.
Außerdem änderte der Bundestag die Praxis seiner Ausarbeitungen: Künftig werden alle Gutachten nach einer Schutzfrist von vier Wochen nach der Ausarbeitung durch den Bundestag online veröffentlicht. Dabei wird der Name der Auftraggeberin nicht bekanntgegeben. Die Möglichkeit, ein Gutachten vertraulich einer Bundestagsabgeordneten exklusiv vorzubehalten, wird es künftig nicht mehr geben.
Neben FragDenBundestag.de wurden auch zwei Journalisten der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet. Für die Enthüllung der Panama Papers erhielten sie den Hauptpreis. Der Spezialpreis geht an den Journalisten Arno Widmann, den Newcomer-Preis erhält die Journalistin Laura Meschede für ihre Online-Dokumentation „Kein Platz“.
Alle Preisträger sowie weitere Informationen zum diesjährigen Otto Brenner Preis finden Sie unter folgenden Links: