Erwähnungen in Parlamentsdokumenten: Wie wirkt abgeordnetenwatch.de auf den Bundestag? | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
Erwähnungen in Parlamentsdokumenten
Wie wirkt abgeordnetenwatch.de auf den Bundestag?
Anfragen, Gesetzentwürfe, Plenarprotokolle: In mehr als 60 offiziellen Drucksachen des Bundestages wird abgeordnetenwatch.de erwähnt. Schaut man sich die Parlamentsdokumente genauer an, offenbaren sich unterschiedliche Wege, wie abgeordnetenwatch.de auf die Arbeit im Bundestag wirkt.
Die parlamentarische Anfrage, die die Linksfraktion am 9. Oktober 2020 an die Bundesregierung richtete, handelte zwar von den „Lobbykontakten deutscher Botschaften“. Doch am Ende ging es auch hier wieder einmal um das Skandalunternehmen Wirecard.
Recherchen von abgeordnetenwatch.de hätten ergeben, so die Linksfraktion, dass sich die Lobbyfirma des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg beim deutschen Botschafter in Peking für Wirecard eingesetzt habe. Nun wollten die Oppositionsabgeordneten in Erfahrung bringen, ob derlei Lobbyaktivitäten bei den deutschen Auslandsvertretungen üblich seien.
In mehr als 60 Drucksachen des Deutschen Bundestages findet das Wort abgeordnetenwatch.de Erwähnung – in Anfragen, Gesetzentwürfen, Plenarprotokollen. Besonders Recherchen zu Themen wie Lobbyismus, Nebeneinkünften oder Beratungstätigkeiten von Abgeordneten fanden bislang Eingang in die Parlamentsdokumente, und damit auch in den politischen Diskurs.
Im Februar dieses Jahres zum Beispiel war die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Deutschlands führenden Wirtschaftskanzleien Gegenstand einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion. Die Linken-Abgeordneten wollten mehr zur Nähe zwischen der Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer und Mitgliedern der Bundesregierung in Erfahrungen bringen – und stützten sich dabei auf einen Rechercheartikel von abgeordnetenwatch.de.
Öffentlicher Druck über Anfragen
Aus naheliegenden Gründen sind es in aller Regel Abgeordnete der Opposition, die den Input aus der Zivilgesellschaft aufgreifen. So war es auch, nachdem abgeordnetenwatch.de und fragedenstaat.de 2017 die Bundesregierung mit der Transparenzaktion #GläserneGesetze dazu gebracht hatten, Lobbypapiere zum Gesetzgebungsverfahren ins Netz zu stellen. Der Abgeordneten Petra Sitte (Linke) dauerte die Veröffentlichung der besagten Unterlagen allerdings zu lange und so machte sie mit einer Schriftlichen Anfrage öffentlich Druck:
Abgeordnete konfrontieren Regierung mit Recherchen
Dass Abgeordnete die Recherchen zum Anlass nehmen, um die Regierung mit Problemen und Missständen zu konfrontieren, ist eine von unterschiedlichen Wirkungsweisen, die in den Bundestagsdokumenten sichtbar wird.
In den Drucksachen spiegeln sich aber auch Aktivitäten von abgeordnetenwatch.de wider, die bereits eine konkrete politische Wirkung hatten. 2016 etwa setzten wir über eine Klage gegen die Bundestagsverwaltung die Veröffentlichung einer Hausausweisliste durch. So wurde bekannt, welche Lobbyakteure Zugang zum Parlament hatten und der Bundestag verschärfte wenig später die Zugangsregeln für Konzerne, Verbände und Agenturen. Die Hausausweis-Klage fand mehrfach Eingang in Bundestagsdrucksachen, unter anderem in den Bericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, der den Rechtsstreit zwischen abgeordnetenwatch.de und der Bundestagsverwaltung exemplarisch beschrieb.
Politische Lösungsvorschläge finden den Weg ins Parlament
Politische Lösungsvorschläge, die abgeordnetenwatch.de und andere immer wieder vorbringen, finden ebenfalls den Weg ins Parlament, wie sich aus den Drucksachen ersehen lässt. Besonders in der aktuellen Debatte über das Lobbyregister wurde mehrfach auf den von abgeordnetenwatch.de und Lobbycontrol erarbeiteten Entwurf Bezug genommen. 2017 hatten die Linken die Vorlage von abgeordnetenwatch.de und Lobbycontrol überdies als Ausgangsbasis für ihren Entwurf für ein Lobbyregister verwendet (und dies in der Gesetzesbegründung transparent gemacht).
Anregungen und Forderungen erreichen die Abgeordneten auch über parlamentarische Anhörungen. Der Geschäftsführer und Mitgründer von abgeordnetenwatch.de, Gregor Hackmack, trug als Sachverständiger mehrfach konkrete Vorschläge für Transparenz, direkte Demokratie und Lobbykontrolle an die Abgeordnetenheran. Seine Aussagen und Forderungen dienten später wiederum in einer Plenardebatte zum Thema Lobbyismus als Anknüpfungspunkt für die SPD-Abgeordnete Sonja Steffen:
„Ich zitiere jetzt mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, Herrn Hackmack, den Geschäftsführer von abgeordnetenwatch.de. Er ist nicht unbedingt immer ein Befürworter der Arbeit des Deutschen Bundestages und schaut sehr kritisch auf die Dinge. Er sagt zu dieser Entscheidung des Ältestenrates: Dass die Lobbyisten von Rüstungs- und Autokonzernen zukünftig nicht mehr nach Belieben im Bundestag ein und aus gehen können, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer transparenten und sauberen Politik. Die SPD-Fraktion begrüßt diesen Beschluss des Ältestenrates daher ausdrücklich.“
"Einmalige Geschlossenheit in dieser Frage"
Auch im Fall der Abgeordnetenbestechung war es ein SPD-Politiker, der eine Position von abgeordnetenwatch.de aufgriff. Als im März 2013 eine Änderung des Strafrechtsgesetzes zur Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten diskutiert, jedoch lange Zeit nicht umgesetzt wurde, äußerte der ehemalige NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) seine Unzufriedenheit in einer Rede im Bundesrat (die ebenfalls als Drucksache auf der Internetseite des Bundestages nachzulesen ist):
„Wir feiern heute nicht den zehnten Geburtstag der UN-Konvention gegen Korruption aus dem Jahre 2003. Wir feiern auch nicht die wohl einmalige Geschlossenheit in dieser Frage von SPD, Grünen, Linken, dem Bundesverband der Deutschen Industrie, von Nichtregierungsorganisationen wie Transparency International und abgeordnetenwatch.de sowie von 26 der 30 größten Dax-Konzerne. Nein, wir feiern nicht. Wir haben nämlich keinen Grund zum Feiern, meine Damen und Herren. Tatsächlich ist die Weigerung Deutschlands, eine UN-Konvention dieser Tragweite in deutsches Recht umzusetzen, schlicht unwürdig. […]“
Fragen über abgeordnetenwatch.de werden zum Gegenstand des politischen Diskurses
abgeordnetenwatch.de war 2004 mit der Idee gegründet worden, dass Bürger*innen ihre Anliegen und Forderungen über das Internet an die Abgeordneten in den Parlamenten herantragen können. Inzwischen sind Fragen über abgeordnetenwatch.de selbst zum Gegenstand des parlamentarischen Diskurses geworden.
2015 sollten die Entschädigungen für Contergangeschädigte evaluiert werden. In einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung wies die Linksfraktion auf mehrere Fragen betroffener Menschen hin, die unter anderem über abgeordnetenwatch.de geäußert wurden:
„Betroffene klagen in Anfragen an die Fraktionen, auch über www.abgeordnetenwatch.de, den Familienausschuss des Deutschen Bundestages und an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die mangelnde Mitsprache bei der Entscheidung über die „Spezifischen Bedarfe“.
Doch auch Antworten von Politiker*innen auf abgeordnetenwatch.de werden im Bundestag aufgegriffen. 2012 wies der SPD-Abgeordnete Burkhard Lischka in einer Plenarrede zur Jugendstrafe auf die Antwort der damaligen Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hin, die sie auf abgeordnetenwatch.de stellvertretend für die FDP gegeben hatte. Lischka zitierte Leutheusser-Schnarrenbergers Schreiben und nahm diese zum Anlass, einen Gesetzentwurf der FDP infrage zu stellen.
Studie zur Wirkung von abgeordnetenwatch.de
Welche politische Wirkung abgeordnetenwatch.de hat, interessierte auch schon die Wissenschaft, unter anderem an der Universität Oxford. Der Politikwissenschaftler Gorgi Krlev vom Kellogg College der University of Oxford führte im Frühjahr 2016 eine Umfrage mit 745 Bürger*innen durch und untersuchte die Effekte von abgeordnetenwatch.de auf den Austausch zwischen Politik und Bevölkerung. Seine Erkenntnisse: abgeordnetenwatch.de decke Positionen von Abgeordneten auf, sensibilisiere für das Thema Lobbyismus und fördere das politische Interesse von Bürger*innen.
Wenig überraschend war dagegen dieses Fazit des Forschers: Bürger*innen schrieben abgeordnetenwatch.de eine deutlich größere Wirkung zu als Abgeordnete.
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