Warum die Landwirtschaftsministerin eine Bierwerbung im Internet verbreitete | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
Warum die Landwirtschaftsministerin eine Bierwerbung im Internet verbreitete
Der Lobbyverband der deutschen Brauer lässt einen Kasten Bier ins Landwirtschaftsministerium liefern, wenig später hält ihn die Ministerin öffentlichkeitswirksam in die Kamera. Dem Deutschen Brauer-Bund „gefällt das“ in den Sozialen Netzwerken – eine bessere Werbung hätte er sich nicht wünschen können. Die Geschichte hinter dem Twitter-Foto der Ministerin und amtierenden „Bier-Botschafterin“ Julia Klöckner.
Ein Kasten Bier dürfte selbst in Deutschland zu den ungewöhnlicheren Geschenken gehören, die eine Ministerin erhält. Ende Juni jedenfalls geht im Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein Paket mit 16 Flaschen Bier ein. Die Lieferung wird zunächst registriert, dann steht sie einige Tage herum.
Wenig später wird der schwarz-weiß-gelbe Karton einen Auftritt auf großer Bühne bekommen.
Es ist der 27. Juni, ein lauer Sommerabend, als Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) um kurz vor elf ein Foto mit ihren rund 54.000 Twitter-Followern teilt, das sie mit dem CDU-Haushaltspolitiker Christian Haase zeigt. Dazu schreibt die Ministerin: „Am Ende der Bereinigungssitzung #Haushaltsausschuss gibt’s von mir eine Kiste Craftbier für die Haushälter, die noch bis in die Nacht tagen.“
Wer der Bierversand nicht kannte, kennt ihn jetzt
Auf dem Foto sind Klöckner und ihr Parteifreund zu sehen, wie sie gemeinsam etwas in die Kamera halten. Auf den ersten Blick könnte man es für eine Werbetafel halten – gleich dreimal ist der Name eines Bierversands zu lesen, dazu der Slogan „Wir haben die Besten“. Beim genaueren Hinsehen wird deutlich, dass es sich um einen Karton des Onlinehändlers "Bierselect.de" handelt. Wem der Name bis dahin nicht geläufig war, kennt ihn dank der Ministerin jetzt.
Man kann das für eine Petitesse halten: Eine Ministerin spendiert ihren Kollegen aus dem Haushaltsausschuss ein paar Flaschen Bier und verbreitet nebenbei die Werbebotschaft eines Bierversands (ohne eine Werbeabsicht, wie man im Ministerium betont).
25 Euro von der Ministerin
Man kann allerdings auch die Frage stellen, warum in Klöckners Büro überhaupt ein Kasten Bier herumsteht, den sie am Abend eines langen Sitzungstages flugs herbeischaffte.
In Klöckners Ministerium erklärt man dies so: Das Bier sei wenige Tage vor der Sitzung des Haushaltsausschusses „unaufgefordert“ ans BMEL geschickt und intern an das Ministerbüro weitergeleitet worden. Wer der „schenkende Einsender“ war, so eine Ministeriumssprecherin, lasse sich leider nicht mehr feststellen, „ein begleitendes Zuleitungsschreiben ist nicht registriert worden“. Und so steht an jenem Juniabend ein Karton mit 16 Flaschen Craftbeer im Bundeslandwirtschaftsministerium und wartet auf Verwendung. Klöckner wird den Gegenwert – „geschätzt 25 Euro“ – später aus eigener Tasche bezahlen, wozu sie wegen der Geringfügigkeit nicht verpflichtet wäre (der Schwellenwert liegt bei 150 Euro).
Dies ist der eine Teil der Geschichte. Der andere spielt rund zwei Wochen zuvor.
Am 14. Juni steht Julia Klöckner auf einer Bühne in der Berliner Landesvertretung von Baden-Württemberg und reckt ein mit schäumendem Bier gefülltes Henkelglas in die Höhe, so wie es von einer „Bier-Botschafterin“ wohl erwartet wird. Geladen hat der Deutsche Brauer-Bund, es gibt etwas zu feiern. Einmal im Jahr ernennt der Lobbyverband am Rande seines „Brauertages“ einen „Botschafter des Bieres“, und an diesem Abend wird die Bundeslandwirtschaftsministerin ausgezeichnet. „Ich freue mich auf das Amt“, sagt Klöckner, es sei ihr eine große Ehre.
Der Brauer-Bund umgibt sich gerne mit Politikprominenz. Auf seiner Internetseite gibt es etliche Fotos, auf denen Bundesminister, Ministerpräsidenten, Partei- und Fraktionsvorsitzende zu sehen sind, nicht selten stoßen sie auf ihr neues Ehrenamt als „Bier-Botschafter“ an. Dass der Cheflobbyist des Brauereiverbandes selbst einige Jahre in der Bundespolitik tätig war – als Pressechef im Bundeslandwirtschaftsministerium –, schadet bei der Suche nach den Werbebotschaftern für die deutsche Bierlobby vermutlich nicht.
Das Antrittsgeschenk wird wenige Tage später geliefert
An diesem Abend erhält Julia Klöckner ihre Auszeichnung, ein gläserner Teller mit dem in drei Sprachen eingravierten Ehrentitel "Botschafter des Bieres", aus den Händen von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ihrem Vorgänger im Botschafter-Amt. Ein Antrittsgeschenk bekommt die Landwirtschaftsministerin einige Tage später an ihren Amtssitz geliefert: Einen Karton Bier.
Der Deutsche Brauer-Bund, so erklärt ein Verbandssprecher auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage, habe „der Ministerin bzw. dem Ministerbüro im Nachgang zum Brauertag über einen Bierversand einige Biere übersenden lassen. Nach unseren Unterlagen handelte es sich um 16 Flaschen.“ Weitere Informationen, etwa ein Anschreiben, lägen nicht mehr vor.
"Ein Jahr lang Werbemaskottchen"
Dass die frisch ernannte "Bier-Botschafterin" die Werbebotschaft eines Bierversands wenig später in die Kamera hält, kommt bei den Beteiligten gut an. Dem Deutschen Brauer-Bund „gefällt das“ auf Twitter, er teilt das Foto mit seinen Followern. Besonders erfreut sind sie beim Onlinehändler, dessen Internetadresse die Ministerin über ihren Twitteraccount verbreitet: „Gute Wahl der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner", beglückwünscht sich das Unternehmen auf seiner Facebookseite.
Weniger gut kommt das Klöckner-Foto bei einigen Twitter-Nutzern an. "Soll das ein Witz sein?", schreibt einer, "Schleichwerbung für einen Bier-Onlineshop, nicht gekennzeichnet und auf dem Account einer Bundesministerin?" Ein anderer bemerkt: "die Influencerin @JuliaKloeckner (> 50k Follower) macht Werbung für einen Bier onlinehandel unter 2-facher URL nennung".
Über Klöckners Doppelrolle als Landwirtschaftsministerin und Botschafterin der deutschen Bierlobby hat vor kurzem der Verbraucherschützer Martin Rücker einen Gastbeitrag für die WELT verfasst. "Julia Klöckner", schreibt der Foodwatch-Chef, „ist jetzt für ein Jahr lang so etwas wie das Werbemaskottchen einer Branche.“
Update 6. Juni 2019:
Ein über Twitter verbreitetes Video hat Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner erneut den Vorwurf der Schleichwerbung eingebracht. In dem Video ist Klöckner neben Nestlé-Chef Marc Boersch zu sehen. Die Ministerin sagt, sie freue sich über die Unterstützung von Nestlé "für unsere Innovations- und Reduktionsstrategie. Weniger Zucker, weniger Salz, weniger Fett in den Produkten, die die Bürger gerne mögen."
In dem Tweet zu dem Video, den das Bundeslandwirtschaftsministerium über den offiziellen Account verbreitete, heißt es: "Weniger #Zucker, Fette und #Salz in Fertigprodukten – dafür setzt sich BMin @JuliaKloeckner mit der #Reduktion|s- und #Innovationsstrategie ein. Dass dies geht, zeigt @NestleGermany, die die Strategie unterstützen. Sie haben 10% der Inhalte reduziert; weitere 5% sollen folgen."
Der Tweet des Ministeriums wurde mehr als 2.000 Mal kommentiert. Eine Twitter-Nutzerin schreibt: "Macht das Ministerium jetzt offiziell Werbung für Nestlé? Sorry aber das ist auf so vielen Ebenen widerwärtig und davon ernährt sich auch niemand gesund." Eine andere Nutzerin macht in ihrem Tweet die Medienanstalt Berlin-Brandenburg auf das Video aufmerksam und fragt: "Fällt das Video nicht unter Schleichwerbung @mabb_de ? Warum gelten für ein Ministerium andere Regeln als beispielsweise für YouTuber?" Die Medienanstalt antwortete, den Fall prüfen zu wollen.
Update 4. März 2020:
abgeordnetenwatch.de / Screenshot BILD.de
Eine gemeinsame Aktion mit BILD und dem Fernsehkoch Johann Lafer hat Julia Klöckner ein weiteres Mal Kritik an einer fehlenden Distanz zu Unternehmen eingebracht. Mit einer über BILD.de verbreiteten Kochshow wollten Klöckner und Lafer zeigen, wie man in Corona-Zeiten für wenig Geld ein ausgewogenes Menü kochen kann. Gesponsert wurde die Aktion von der Supermarktkette Kaufland. Auf Kritik von Nutzer:innen in den Sozialen Netzwerken sowie auf Medienberichte reagierte das Bundesernäherungsministerium mit einer offiziellen Klarstellung". So sei das Sponsoring weder im Vorfeld noch zum Zeitpunkt der Aufzeichnung bekannt gewesen.