Fragwürdige Boni: Was NRW-Abgeordnete zusätzlich kassieren

Was viele nicht wissen: Neben ihren Diäten erhalten zahlreiche Abgeordnete noch großzügige Bonuszahlungen. Doch wie hoch diese ist, müssen sie nirgends veröffentlichen. Allein in Nordrhein-Westfalen verteilen die Landtagsfraktionen jährlich rund 1,2 Mio. Euro an ihre Abgeordneten, mehr als die Hälfte davon ist nach Einschätzung von Verfassungsrechtlern rechtlich fragwürdig. Wir haben die Volksvertreter gefragt, wie hoch ihre Zulagen sind und ob sie sich für eine Veröffentlichungspflicht einsetzen. Das sind die Antworten.  

von Gast / gelöscht, 30.03.2017
Nebeneinkünfte von NRW-Landtagsabgeordneten (Symbolfoto)

11.006 Euro brutto erhält ein NRW-Landtagsabgeordneter jeden Monat an Diäten und Altersvorsorge, doch bei einigen Volksvertretern ist das noch nicht alles: Sie bekommen darüber hinaus noch Bonuszahlungen, die in Einzelfällen so hoch wie eine Monatsdiät ausfallen. Dies ergibt sich aus einer abgeordnetenwatch.de-Umfrage unter Parlamentarierinnen und Parlamentariern im NRW-Landtag.

Dutzende Landtagsabgeordnete kassieren sogenannte Funktionszulagen, weil sie Aufgaben innerhalb ihrer Fraktion wahrnehmen. Meist sind es die Parlamentarischen GeschäftsführerInnen, Fraktionsvorsitzenden und Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, die monatlich teilweise mehrere tausend Euro zusätzlich zu ihren Diäten erhalten. Begründet werden die Zulagen, die aus den Fraktionsetats und damit aus Steuermitteln stammen, mit dem zeitlichen Mehraufwand für die Wahrnehmung zusätzlicher Tätigkeiten in den Fraktionen. Die Höhe der Zahlungen wird durch die jeweilige Fraktion selbst bestimmt, eine Offenlegungspflicht für die Abgeordneten gibt es nicht.

Doch die Zulagen, die auch in anderen Bundesländern und im Bundestag gezahlt werden, sind rechtlich äußerst fragwürdig. Renommierte Verfassungsrechtler wie Hans-Herbert von Arnim und mehrere Rechnungshöfe halten sie in den meisten Fällen für verfassungswidrig. Sogar das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Frage bereits geurteilt - demnach waren die Funktionszulagen in Thüringen mit der Verfassung nicht vereinbar.

Wir haben den Gastbeitrag des Journalisten Johannes Nitschmann zu den umstrittenen Boni in unserem Blog zum Anlass genommen, um bei den NRW-Landtagsabgeordneten nachzufragen, wie hoch ihre Funktionszulagen sind und ob sie diese veröffentlichen. Von den 31 Abgeordneten, die eine Funktionen als Parlamentarische/r GeschäftsführerIn, Fraktionsvorsitzende/r und Stellvertretende/r Fraktionsvorsitzende/r ausüben, haben uns bislang 26 geantwortet.

Die Ergebnisse unterscheiden sich von Fraktion zu Fraktion teils stark. Während die Grünen ihre Funktionszulagen in Höhe von insgesamt 5.200 Euro im Monat aktiv auf der Fraktionsseite veröffentlichen, hält sich die CDU bedeckt. Nur der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Josef Hovenjürgen hat uns die Höhe seiner Zulagen mitgeteilt (ca 2.200 Euro), die er auch auf seiner Homepage veröffentlicht. Auskunftsfreudiger waren die befragten SPD-Abgeordneten. Aus ihren Antworten ergibt sich, dass an die Mitglieder der Fraktionsspitze insgesamt rund 34.000 Euro pro Monat an Zulagen ausgezahlt werden, wobei der Fraktionschef etwa 11.000 Euro erhält. Auch die FDP teilte die einzelnen Boni mit, die ihre Fraktionsführung erhält (insgesamt 14.000 Euro pro Monat). Die Piratenpartei ist die Ausnahme im Landtag Nordrhein-Westfalen - sie zahlt keinerlei Zulagen an ihre Abgeordneten.

Für die einzelnen Fraktionen ergibt sich folgendes Bild:


SPD:
(9 Abgeordnete angefragt; 9 Rückmeldungen erhalten)

  • Höhe der Funktionszulagen:
    • Fraktionsvorsitzender: ca 11.000 Euro
    • Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: 2.500 Euro
    • Parlamentarischer Geschäftsführer: ca 5.500 Euro
  • Zwei Abgeordnete gaben an, die Höhe ihrer Zulagen zu veröffentlichen (Marc Herter und Jochen Ott).
  • Acht SPD-Abgeordnete halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich zulässig (Fraktionsvorsitzende waren von dieser Frage ausgenommen, weil deren Zulagen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts rechtmäßig sind).
  • Alle neun befragten SPD-Abgeordneten haben sich in ihrer Antwort für eine Veröffentlichungspflicht von Funktionszulagen ausgesprochen.


CDU:
(7 Abgeordnete angefragt; 5 Rückmeldungen erhalten)

  • Höhe der Funktionszulagen:
    • Fraktionsvorsitzender: keine Antwort erhalten
    • Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: ca 2.200 Euro
    • Parlamentarischer Geschäftsführer: keine Antwort erhalten
  • Ein Abgeordneter gab an, die Höhe seiner Zulagen zu veröffentlichen (Josef Hovenjürgen).
  • Alle CDU-Abgeordneten halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich zulässig (Fraktionsvorsitzende waren von dieser Frage ausgenommen).
  • Keiner der CDU-Abgeordneten hat sich in seiner Antwort für eine Veröffentlichungspflicht von Funktionszulagen ausgesprochen.


Grüne:
(6 Abgeordnete angefragt; 4 Rückmeldungen erhalten)

  • Höhe der Funktionszulagen:
    • Fraktionsvorsitzender: 1.600 Euro
    • Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: 550 Euro
    • Parlamentarischer Geschäftsführer: 1.400 Euro
  • Die Höhe aller erhaltenen Funktionszulagen bei der Fraktion der Grünen werden in einer Gesamtübersicht online veröffentlicht. Zusätzlich veröffentlicht die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer ihre Funktionszulagen auf der eigenen Homepage.
  • Drei Grünen-Abgeordnete halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich zulässig (Fraktionsvorsitzende waren von dieser Frage ausgenommen).
  • Alle Grünen-Abgeordneten haben sich in ihrer Antwort für eine Veröffentlichungspflicht von Funktionszulagen ausgesprochen.


FDP:
(4 Abgeordnete angefragt; 3 Rückmeldungen erhalten)

  • Höhe der Funktionszulagen:
    • Fraktionsvorsitzender: 6.000 €
    • Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: 2.000 Euro
    • Parlamentarischer Geschäftsführer: 4.000 €
  • Keiner der befragten FDP-Politiker gab an, die Höhe seiner Zulagen zu veröffentlichen.
  • Zwei FDP-Abgeordnete halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich zulässig (Fraktionsvorsitzende waren von dieser Frage ausgenommen).
  • Drei der befragten FDP-Abgeordneten sprachen sich in ihrer Antwort für eine Veröffentlichungspflicht von Funktionszulagen aus.


Piratenpartei:
(5 Abgeordnete angefragt; 5 Rückmeldungen erhalten)

  • Höhe der Funktionszulagen:
    • Fraktionsvorsitzender: 0 Euro
    • Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: 0 Euro
    • Parlamentarischer Geschäftsführer: 0 Euro
  • Kein Funktionsträger der Piratenpartei erhält nach eigenen Angaben Funktionszulagen.
  • Alle fünf befragten Piraten halten die Zahlung von Funktionszulagen für rechtlich unzulässig.
  • Alle Abgeordneten der Piratenpartei fordern in ihrer Antwort eine Abschaffung der Funktionszulagen. Die Fraktion hatte im Februar einen entsprechenden Antrag eingebracht, doch dieser wurde nicht behandelt, weil die übrigen Fraktion in der letzten Ausschusssitzung der Legislaturperiode weiteren Beratungsbedarf sahen.

Alle Antworten und Begründungen der Abgeordneten auf unsere Anfrage haben wir in diesem pdf aufgeführt.


Nach Recherchen des ARD-Politmagazins Report Mainz belaufen sich die Funktionszulagen an die NRW-Landtagsabgeordneten auf insgesamt rund 1,2 Mio. Euro pro Jahr und damit so viel wie in keinem anderen Bundesland. Der weitaus größte Teil von 640.000 Euro sei entgegen der Grundsätze eines Bundesverfassungsurteils ausgezahlt worden. Rechtlich unproblematisch sind lediglich die Zahlungen an Fraktionsvorsitzende.

Im Deutschen Bundestag profitieren 85 Abgeordnete von den rechtlich zweifelhaften Zusatzzahlungen in einer Höhe von insgesamt rund 2,5 Mio. Euro pro Jahr.


Fragen an die Abgeordneten im Deutschen Bundestag sowie in den Landtagen können Sie hier auf abgeordnetenwatch.de stellen.

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