Insgesamt 191.800 Euro - so viel haben Unternehmen wie Vattenfall, British American Tobacco oder E.ON für Treffen mit SPD-Ministern, Staatssekretären und Parteifunktionären gezahlt. Dies ist eines der Ergebnisse einer internen Untersuchung zur sogenannten #RentASozi-Affäre, die jetzt von der SPD vorgelegt wurde. 35 bezahlte Gesprächsrunden sind demnach in den Jahren 2010 bis 2016 über die SPD-Agentur NetworkMedia (NWMD) vermittelt worden.
Aus der Aufstellung geht u.a. hervor, dass sich beispielsweise die Deutsche Post AG eine interne Veranstaltung mit dem Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Matthias Machnig zum Thema "Digitale Innovation und Industrie" 5.000 Euro kosten ließ. Die Lobbyorganisation "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" der Metallindustrie (s. Lobbypedia-Artikel) zahlte für eine Gesprächsrunde mit der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig zum Thema "Familienpolitik der Zukunft" 7.500 Euro. Eine nicht-öffentliche Veranstaltung mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zum "Aktionsprogramm Klimaschutz 2020" war dem Energiekonzern RWE 7.000 Euro Wert.
Übersicht: Gesponserte Gespräche 2010-2016
Laut Untersuchungsbericht habe die SPD-Agentur NWMD mit den gesponserten Gesprächen keinen Gewinn gemacht, sondern im Gegenteil: Durch "Aufwendungen z.B. für Catering und Raummiete in Höhe von 140,7 T€ und Organisationsaufwendungen von 108,8 T€" habe es unter dem Strich ein Minus von 57.700 Euro gegeben.
Keine der beteiligten Politikerinnen und Politikern seien "über die Modalitäten des Sponsorings" informiert gewesen, auch sei niemandem ein Honorar gezahlt worden. Die Themen der Gespräche wurden den Politikerinnen und Politikern ("Keynote-Speaker") laut Bericht "meist von NWMD vorgeschlagen". Teilweise hätten auch Keynote-Speaker eigene Vorschläge eingebracht. "Es gab in Einzelfällen Themenimpulse von Sponsoren, die in den Vorschlag von NWMD eingeflossen sind. Die letzte Entscheidung über das Thema lag aber ausschließlich beim Keynote-Speaker (bzw. dessen/deren Büro)", heißt es in dem Papier.
Die interne Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die SPD-Agentur NWMD mit den Vorwärts-Gesprächen nicht gegen Gesetze verstoßen habe. "Es hat sich aber auch gezeigt, dass im Hinblick auf die notwendige politische Sensibilität für eine sozialdemokratische Agentur eine Neujustierung des Unternehmens erforderlich ist."
Nach Bekanntwerden der fragwürdigen Praxis durch den Frontal21-Bericht hatte die SPD die #RentASozi-Gespräche gestoppt. Als Reaktion auf die Recherchen will die SPD künftig auch die Einnahmen aus Standmieten auf ihren Parteitagen detailliert offenlegen.
Nachfolgend dokumentieren wir die "Ergebnisse der internen Untersuchung zur Klärung der im Bericht des Politikmagazins Frontal 21 erhobenen Vorwürfe gegenüber der Arbeit der Agentur Network Media (NWMD)" im Wortlaut:
"Die Untersuchung bestätigt sämtliche Aussagen des SPD-Schatzmeisters Dietmar Nietan in der Pressemitteilung vom 23.11.
- Im Zeitraum 2010 bis 2016 gab es insgesamt 64 Vorwärts-Gespräche, davon wurden 35 gesponsert.
- In keinem Fall wurde an die teilnehmende Politikerin oder den teilnehmenden Politiker (im Folgenden: Keynote-Speaker) ein Honorar gezahlt, es gab auch keine Vergünstigungen o.ä. seitens der Sponsoren.
- Keiner der Keynote-Speaker war über die Modalitäten des Sponsorings informiert. Das umfasst die Höhe des Sponsorings und den Kontakt zwischen Sponsoren und NWMD. Den politischen Keynote-Speakern wurden in den meisten Fällen lediglich die Unterstützer genannt, ohne dass dies näher ausgeführt wurde. In einigen Fällen unterblieb offensichtlich auch der globale Hinweis auf Unterstützer. Es war also für keinen der Keynote-Speaker ersichtlich, ob die „Unterstützer“ bspw. nur einen Teil des Essens bezahlt haben oder aber in einer direkten Geschäftsbeziehung mit NWMD standen.
- Keiner der eingeladenen Teilnehmer der Gesprächsrunden musste für die Teilnahme an einer Gesprächsrunde bezahlen. An jedem der gesponserten Gespräche haben Vertreter des jeweiligen Sponsors als Gäste teilgenommen.
- Der Vorwurf, NWMD würde Gespräche mit von Kunden bestimmbaren PolitikerInnen (also eine Vermittlung von Lobbyterminen mit SPD-Politikern) gegen Geld anbieten, hat sich nicht bestätigt.
- Allerdings hat ein Mitarbeiter von NWMD in dem mit verdeckter Kamera gefilmten Gespräch, das in dem Bericht von Frontal21 ausgestrahlt wurde, einen solchen Eindruck erweckt. Im Rahmen der Untersuchung wurde kein Beleg dafür gefunden, dass dieser Eindruck zutreffend ist.
- Alles deutet darauf hin, dass der Mitarbeiter – aus welchen Gründen auch immer – wissentlich die Unwahrheitgesagt hat.
- Die Themen der Gespräche wurden den Keynote-Speakern meist von NWMD vorgeschlagen. Teilweise haben auch die Keynote-Speaker eigene Vorschläge eingebracht. Es gab in Einzelfällen auch Themenimpulse von Sponsoren, die in den Vorschlag von NWMD eingeflossen sind.
- Die letzte Entscheidung über das Thema lag aber ausschließlich beim Keynote-Speaker (bzw. dessen/deren Büro).
- Die Auswahl der Keynote-Speaker erfolgte durch NWMD – Verpflichtungen, bestimmte Keynote-Speaker zu gewinnen, wurden nicht festgestellt.
- Die Gesamteinnahmen aus dem Sponsoring der Gespräche 2010-2016 betrugen 191,8 T€. Diesen Einnahmen standen direkte Aufwendungen z.B. für Catering und Raummiete in Höhe von 140,7 T€ und Organisationsaufwendungen von 108,8 T€ gegenüber. Folglich hat die Gesprächsreihe ein negatives Ergebnis in Höhe von – 57,7 T€ verursacht.
- In den Jahren seit 2014/2015 wurden die Vorwärts-Gespräche in stärkerem Umfang betrieben, hierbei kam es offenbar zu einer Perspektivänderung: NWMD agierte zunehmend weniger als Dienstleister des Vorwärts und entsprechend stärker als Partner der Kunden von NWMD – dies zeigt sich z.B. durch die Auswahl der TeilnehmerInnen, die sich vornehmlich aus dem Kundenkreis von NWMD rekrutierten. Der gewünschte Austausch zwischen Vertretern von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und anderen gesellschaftlichen Gruppen mit der Politik im Rahmen der Vorwärts-Gespräche wurde folglich nicht mehr erreicht.
- Verstöße gegen geltendes Recht durch NWMD wurden nicht festgestellt.
Die interne Untersuchung hat zwar ergeben, dass NWMD mit den Vorwärts-Gesprächen weder ein Geschäftsmodell verbunden, noch gegen Gesetze verstoßen hat. Es hat sich aber auch gezeigt, dass im Hinblick auf die notwendige politische Sensibilität für eine sozialdemokratische Agentur eine Neujustierung des Unternehmens erforderlich ist.
Die Geschäftsführung von NWMD ist deshalb zunächst interimistisch neu besetzt und ein Compliance-Prozess begonnen worden. Der von Frontal21 verdeckt gefilmte Mitarbeiter hat die Agentur NWMD zwischenzeitig verlassen."