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Abgasaffäre: Wie das Wirtschaftsministerium dem VW-Konzern zur Seite springen wollte
Warum ist die Bundesregierung so zurückhaltend bei der Aufklärung der VW-Abgasaffäre? Interne Dokumente zeigen, wie das Bundeswirtschaftsministerium dem Volkswagen-Konzern international zur Seite springen wollte. Umweltschützer werden in den Akten als "Hardliner in Sachen CO2" abgetan.
Viel wurde in den vergangenen Monaten über eine drohende Verschlechterung des EU-Verbraucherschutzes durch das TTIP-Abkommen diskutiert. Ein Blick auf die Autobranche zeigt jedoch, dass zumindest Autofahrer jenseits des Atlantik derzeit deutlich besser geschützt sind als hierzulande.
Während US-amerikanische Kunden von Volkswagen im Zuge des Abgasbetrugs mit Entschädigungen in Höhe von bis zu 10.000 US-Dollar pro Fahrzeug rechnen können, bekommen VW-Kunden in Deutschland nichts - obwohl 2,4 Millionen Fahrzeuge hierzulande vom Betrug des Konzerns betroffen sind und die Umweltauswirkungen die gesamte Bevölkerung treffen.
Hinweise auf die Gründe für die deutsche Verbraucherpolitik finden sich in internen Akten, die wir auf Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom Wirtschaftsministerium erhalten haben (Entscheidungsvorlage I, Entscheidungsvorlage II). Ausgangspunkt der Recherche war ein Bericht von tagesschau.de.
"Außenpolitische Aspekte im Vordergrund"
Eine Entscheidungsvorlage des von Sigmar Gabriel geführten Ministeriums aus dem Oktober 2015 etwa beschreibt die Zielrichtung der Regierung. Darin heißt es, die Bundesregierung "sollte die Aufklärung der VW-Affäre und die Umsetzung der von VW geplanten Abhilfemaßnahmen außenpolitisch flankieren." Das Auswärtige Amt solle dazu eine Kommunikationsstrategie "zur Einwirkung auf betroffene Länder erarbeiten".
Im Mittelpunkt der Strategie steht allerdings nicht eine angemessene Entschädigung der Verbraucher und eine transparente Darstellung des CO2-Betrugs von Volkswagen und anderer Autokonzerne. Das Ministerium notiert stattdessen, dass "außenwirtschaftspolitische Aspekte im Vordergrund" stehen. Es gelte, Schaden von der Dachmarke "Made in Germany" abzuwenden "und verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen". Dazu solle insbesondere auch in bilateralen Gesprächen auf Länder eingewirkt werden, die Beihilfen und Steuervergünstigungen an Unternehmen der VW-Gruppe streichen wollten.
Dass Umweltverbände der Lobbymacht der großen Autokonzerne dabei nur wenig entgegenzusetzen haben, zeigen Akten, die das Wirtschaftsministerium 2012 in Vorbereitung eines Gesprächs des damaligen Ministers Rösler mit dem Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Jürgen Resch anfertigte. Resch wird darin als "Hardliner in Sachen CO2" beschrieben. Die Forderungen des DUH nach einer Senkung von CO2-Grenzwerten für PKWs seien "unrealistisch und werden von uns abgelehnt". Ein offenes Ohr hat der Minister für den Umweltverband nicht: Rösler solle "zurückhaltend argumentieren und die DUH-Forderungen möglichst passiv kommentieren."
Waffengleichheit im Lobbyismus?
Dass das Wirtschaftsministeriums uns zumindest unproblematisch Dokumente zu Lobbyismus zusendet, ist erfreulich und angesichts der Reaktionen anderer Ministerien recht ungewöhnlich. Bei einer ähnlichen Anfrage an das Bundesverteidigungsministerium zu Schriftverkehr mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall berechnete die Behörde Gebühren in Höhe von 184 Euro und sendete die Dokumente erst zu, nachdem es in einem mehrmonatigen Prozess das Einverständnis der Waffenbauer eingeholt hatte. Das SPD-geführte Arbeitsministerium wollte Lobbykontakte zur Rentenreform 2014 nur nach Zahlung einer Gebühr von 500 Euro herausgeben.
IFG-Podcast auf detektor.fm
"Wer nicht fragt, bleibt dumm" - so heißt der neue Podcast zum Thema Informationsfreiheit auf detektor.fm. In der aktuellen Folge geht es um die Verflechtungen zwischen Politik und Autolobby.
Oft aber geben Ministerien auch vor, keine Dokumente zu einem Vorgang in Zusammenhang mit Lobbyismus zu haben. Die unsaubere Aktenführung der Ministerien macht es so besonders schwer, sich überhaupt einen Überblick über vorhandene Dokumente zu machen und den Einfluss von Unternehmen auf Politik einzuschätzen. Listen über Treffen mit Lobbyisten werden angeblich meist nicht einmal intern geführt, Protokolle existierten auch nicht. Bisher sind Bürger wie Journalisten deshalb auf Leaks und Whistleblower angewiesen, um Licht ins Lobby-Dunkel zu bringen.
Mit einem Lobbyregister würde sich das ändern - würden Ministerien dazu verpflichtet, über ihre Treffen mit Lobbyisten Buch zu führen, könnte größere Transparenz über die Ziele der einzelnen Ministerien hergestellt werden. abgeordnetenwatch.de und LobbyControl haben kürzlich einen Entwurf für ein Lobbyregister veröffentlicht, der hier online eingesehen und kommentiert werden kann.