Großspenden an die Parteien gehen zurück – hat die Wirtschaft einen diskreteren Weg gefunden?

Rund 1,5 Mio. Euro haben die Parteien vergangenes Jahr an Großspenden aus der Wirtschaft erhalten, am meisten kassierten CDU und CSU. Was auffällt: Es gibt immer weniger Großspenden von Unternehmen und Verbänden. Hat die Wirtschaft inzwischen einen diskreteren Weg gefunden, um den Parteien Gelder zukommen zu lassen?

von Martin Reyher, 12.01.2016

Es war ein warmer Geldregen, der kurz vor Weihnachten auf CDU, FDP, Grüne und SPD niederging. Insgesamt 420.000 Euro schüttete der Verband der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie  ("Südwestmetall") an die Parteien aus, so viel wie kein anderer Konzern oder Interessenverband im Jahr 2015. Vier Monate vor der Landtagswahl im Ländle Mitte März wollte sich die Metall- und Elektrolobby noch einmal als treuer Großspender in Erinnerung bringen.

Insgesamt 1.478.000 Euro haben Unternehmen und Verbände im vergangenen Jahr an CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne gezahlt, die Linkspartei erhielt keine Unternehmensspende:
 


Großspenden aus der Wirtschaft sind selten geworden. Genau genommen gab es 2015 so wenige wie noch nie in den letzten zehn Jahren, nämlich insgesamt elf (Grafik unten, rote Kurve). Und auch die Gesamtsumme von Zuwendungen ab 50.000 Euro, die unverzüglich im Internet veröffentlicht werden müssen, ist rückläufig:
 

Was steckt dahinter? Zwei Erklärungen bieten sich an:

  • Unternehmen und Lobbyverbände haben ihre finanzielle Unterstützung der Parteien tatsächlich zurückgefahren.
  • Die Wirtschaft hat einen diskreteren und effektiveren Weg gefunden, um den Parteien Geld zukommen zu lassen.

Vor allem Letzteres wird immer wieder vermutet, weil Parteispenden einen denkbar schlechten Ruf genießen. Für ein Unternehmen ist das Bekanntwerden seiner Großspende an eine politische Partei geradezu geschäftsschädigend geworden – schließlich bringt sie dies schnell in den Ruch der Korruption.

Einige Konzerne geben ganz offen zu, von Parteispenden auf das Politsponsoring umgestiegen zu sein. So teilte BMW, ein langjährige Großspender, vor einiger Zeit mit, dass man künftig auf sogenannte "Projektkooperationen" setzen werde, worunter das Unternehmen u.a. die Finanzierung von Veranstaltungen wie die Spargelfahrt des Seeheimer Kreises der SPD versteht. "Das macht für uns mehr Sinn", sagte ein BMW-Sprecher der Berliner Zeitung.

Politsponsoring ist diskret - und lässt sich von der Steuer absetzen

Aus Sicht von BMW und anderen Konzernen hat das Sponsoring gleich mehrere Vorteile. Anders als Parteispenden, wegen der Unternehmen und Verbände in der Vergangenheit immer wieder unter öffentlichen Rechenschaftsdruck geraten sind, gibt es für Politsponsoring keinerlei Transparenzregeln. Zudem können Unternehmen und Verbände von einem direkten Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern profitieren, wenn sie beispielsweise mit einem Stand auf Parteitagen vertreten sind. Eine solche (Sponsoring)maßnahme kann zwar mehrere zehntausend Euro an Standmiete kosten, doch lassen sich diese am Ende sogar von der Steuer absetzen - ganz im Gegensatz zu einer Parteispende.

Die Frage ist, ob sich neben BMW in den vergangenen Jahren auch andere Unternehmen und Verbände auf das Politsponsoring verlagert haben und den Parteien auf diesem wenig transparenten Weg Gelder zufließen lassen. Ein Indiz dafür ließe sich in den jährlich erscheinenden Rechenschaftsberichten finden, wo die Parteien Angaben zu ihren "Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und Veröffentlichungen und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit" machen müssen. Dazu gehören u.a. Einkünfte, die die Parteien aus Standgebühren auf Parteitagen oder Anzeigenverkäufen in ihren Parteizeitschriften erlösen. Dass dies durchaus beträchtliche Summen sein können, haben vor einiger Zeit ARD-Recherchen gezeigt.

Schaut man sich die Zahlen der vergangenen Jahre in den Rechenschaftsberichten von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen an, zeigt sich: Die Parteien haben in diesem Bereich nicht etwa mehr Geld eingenommen, sondern im Gegenteil - ihre Einnahmen sind nach einem kontinuierlichen Anstieg bis zum Jahr 2009 wieder zurückgegangen (Grafik unten, braune Kurve):
 

 

Dass Unternehmen und Interessenverbände den Parteien also vermehrt Gelder über den intransparenten Weg des Politsponsorings zukommen lassen, lässt sich aus den öffentlich verfügbaren Zahlen nicht ablesen. Ein tatsächlicher Beweis ist das allerdings nicht. Denn in besagtem Posten tauchen nicht allein Sponsoringeinnahmen auf, sondern auch weitere Einkünfte wie etwa die aus dem Vertrieb von Druckschriften.

Wozu Politsponsoring im Graubereich verleiten kann, hat vor einigen Jahren der "Rent a Rüttgers"-Skandal gezeigt. Im Vorfeld ihres Parteitages von 2010 hatte die NRW-CDU potentiellen Sponsoren aus der Wirtschaft u.a. ein sogenanntes "Partnerpaket" offeriert: Für einen 15 Quadratmeter-Stand plus den Besuch von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers samt "Einzelgespräch" verlangte die Partei 20.000 Euro. Mit diesem dubiosen Angebot wog sich die CDU offenbar in Sicherheit, denn die Herkunft dieser Sponsoringeinnahmen hätte sie niemals offenlegen müssen. Als die Geschichte aufflog, zog die nordrhein-westfälische CDU das Angebot an die Unternehmen und Verbände zurück.

Statt ihre Einkünfte transparent zu machen, genehmigten sich Union und SPD zusätzliche Einnahmen aus der staatlichen Parteienfinanzierung

Damit Geldflüsse von Unternehmen und Verbänden an die Parteien besser nachverfolgt und wirksam kontrolliert werden können, braucht es wirksame Transparenzregeln. Bei den Parteispenden gibt es diese in Ansätzen, allerdings reichen sie in der bestehenden Form bei weitem nicht aus. abgeordnetenwatch.de fordert daher eine detaillierte Veröffentlichungspflicht von Einnahmen aus Sponsoring und Parteispenden. Ab Beträgen von 2.000 Euro sollte beides in den jährlichen Rechenschaftsberichten der Parteien offengelegt werden, ab 10.000 Euro unverzüglich auf der Homepage des Deutschen Bundestages.

Dass CDU/CSU und SPD allerdings nicht gewillt sind, ihre Einkünfte aus Parteispenden und Sponsoring wirklich transparent zu machen, haben sie kürzlich bewiesen. Anstelle wirksame Veröffentlichungsregeln einzuführen, genehmigten sie sich zusätzliche Einnahmen aus der staatlichen Parteienfinanzierung.

abgeordnetenwatch.de hat die Petition "Lobbyistenspenden verbieten!" gestartet, die bislang von über 32.000 Menschen gezeichnet worden ist.


Anmerkung: Neben den im Text erwähnten Großspenden aus der Wirtschaft (sog. "juristische Personen") gab es 2015 auch zahlreiche Zuwendungen ab 50.000 Euro von Privatpersonen. Der Unternehmer Lutz Helmig ließ der FDP 200.000 Euro zukommen, der frühere BDI-Chef Hans-Joachim Langmann spendete der CDU 70.000 Euro. Denselben Betrag erhielt die CDU auch von dem Medienmanager Georg Kofler. Von einer hohen Zuwendung profitierte auch die Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands, die von einer Privatperson 252.400 Euro kassierte. Insgesamt beliefen sich die Großspenden von Unternehmen, Verbänden und Privatpersonen im vergangenen Jahr auf 2.070.400 Euro. Spenden von 50.000 Euro oder mehr machen allerdings nur einen geringen Teil der Spendeneinnahmen der Parteien aus. Alle Zuwendungen unterhalb dieser Grenze müssen erst in den Rechenschaftsberichten veröffentlicht werden - und diese erscheinen teilweise erst bis zu zwei Jahren nach dem Eingang einer Spende. Für die nächsten Wochen erwarten wir die Rechenschaftsberichte für das Jahr 2014.

Mitarbeit: Jakob Zeijl

 

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

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