Es waren klangvolle Namen, die am Abend des 22. April 2008 auf den 60. Geburtstag von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann anstießen. Unternehmensberater Roland Berger und Verlegerin Friede Springer standen auf der Gästeliste, ebenso BILD-Chef Kai Diekmann, die Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler und Bundesbildungsministerin Annette Schavan.
Ungewöhnlich an der Geburtstagsfeier an jenem Frühlingsabend waren Ort und Gastgeber. Versammelt hatte sich die prominente Gesellschaft nämlich im Bundeskanzleramt – auf Einladung von Angela Merkel persönlich.
Ein nicht ganz unbedeutender Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass es sich bei dem Abendessen um keine Privatveranstaltung handelte. Die Kosten des Abends übernahmen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Wenn die Kanzlerin zu Ehren eines einflussreichen Bank-Chefs ein Geburtstagsdinner ausrichtet, liegt eigentlich die Frage auf der Hand, ob in den vergangenen Jahren noch weitere Festlichkeiten dieser Art in der Regierungszentrale stattgefunden haben. Wenn dem so war, wäre dies ein weiterer Beleg für die enge Verflechtung zwischen politischen Entscheidungsträgern und Eliten aus Wirtschaft und Medien, die vielen Menschen ein großes Unbehagen bereitet.
War der Ackermann-Geburtstag im Kanzleramt also ein Einzelfall? Am 27. Mai 2015 baten wir die Bundesregierung um Auskunft in dieser Frage, und zwar in Form einer Anfrage auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG). Wir forderten "eine Aufstellung von Abendessen im Bundeskanzleramt aus privaten, nicht exekutiven Anlässen seit November 2005 unter Angabe von Datum und Anlass" an.
Um mehr zu erfahren, mussten wir einen Umweg nehmen
Zwei Tage später ließ uns das Kanzleramt wissen, dass es mit dieser Anfrage wenig anfangen könne – sie sei zu unkonkret. Die Aktenbestände der Regierungszentrale seien "thematisch sowie chronologisch registriert und folglich auch nur mittels dieser Parameter" überprüfbar.
Also mussten wir einen Umweg nehmen, um etwas über mögliche nicht öffentliche Feierlichkeiten im Kanzleramt in Erfahrung zu bringen. Statt einer Liste von Abendessen forderten wir nun "sämtliche Begrüßungsansprachen der Bundeskanzlerin im Rahmen von nicht-öffentlichen Empfängen und Feierlichkeiten im Bundeskanzleramt seit November 2005" an. Die Überlegung dahinter: Wenn die Kanzlerin zu einem Geburtstagsdinner in ihren Amtssitz lädt, wird sie sicher einige warme Worte an den Jubilar oder die Jubilarin richten, und zwar auf Grundlage eines Redemanuskriptes. Dies hatte Angela Merkel jedenfalls anlässlich des Ackermann-Geburtstages getan, wie aus internen Akten hervorgeht, zu deren Herausgabe das Kanzleramt durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) erst gezwungen werden musste.
Gestern nun erhielten wir erneut Post vom Bundeskanzleramt. Die Kernaussage des zweieinhalb Seiten langen Schreibens lässt sich in vier Worten zusammenfassen:
Warum die Regierung unseren IFG-Antrag abgelehnt hat, klingt zunächst einmal nachvollziehbar: "Reden und Begrüßungsansprachen" der Bundeskanzlerin seien im Internet öffentlich zugänglich, und zwar auf der Kanzlerinnen-Homepage, heißt es in dem Brief. "Es ist Ihnen daher zuzumuten, sich die erbetenen Informationen selbst zu beschaffen."
Allerdings wird schon beim ersten Blick auf die Internetliste klar, was dort wohl nicht zu finden ist: die erbetenen Informationen – also die Begrüßungsansprachen der Bundeskanzlerin im Rahmen von nicht-öffentlichen Empfängen und Feierlichkeiten im Bundeskanzleramt seit November 2005. Statt dessen gibt es im Netz Manuskripte von Regierungserklärungen, Eröffnungsreden oder Ansprachen aus Anlass von Gedenktagen, 529 an der Zahl.
Der Ackermann-Geburtstag fehlt auf der Homepage der Kanzlerin
Dass die Liste der Merkel-Reden Lücken aufweist, zeigt sich beispielsweise an den Einträgen für 2008. Aufgeführt ist für dieses Jahr ein einziger Vortrag der Kanzlerin - und zwar zum Thema "Ehrenamt in der Entwicklungshilfe" vom 21. Oktober. Die Geburtstagsansprache zu Ehren von Deutsche Bank-Chef Ackermann am 22. April im Bundeskanzleramt findet sich in der Aufstellung nicht.
Man fragt sich, warum die Bundesregierung die Kanzlerinnen-Reden bei nicht öffentlichen Veranstaltungen auf unsere Anfrage hin nicht einfach offenlegt – oder aber mitteilt, dass es neben der Geburtstagsansprache für Josef Ackermann keine weiteren Feierlichkeiten mit einem Merkel-Grußwort gab. Dies ist umso erstaunlicher als dass Angela Merkel, so jedenfalls behauptete sie es im Zuge der öffentlichen Diskussion über den Ackermann-Geburtstag, vollstes Verständnis für das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hat. "Ich weiß", erklärte die Kanzlerin im August 2009, "dass viele Menschen auf so etwas schauen und sagen, gibt es da zu enge Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft vielleicht. Da muss man sensibel sein. Deshalb verstehe ich auch die Nachfrage."
Wir haben Widerspruch gegen die Ablehnung unseres IFG-Antrags eingelegt. Ob die Bundesregierung unser Anliegen nun versteht, wird sich erweisen.
Update Februar 2016
Rund ein halbes Jahr (!) nach unserem Widerspruch vom Juli ist dieser vom Kanzleramt zurückgewiesen worden. Die Regierungszentrale begründete dies damit, dass keine Dokumente zu nicht-öffentlichen Empfängen und Feierlichkeiten - also repräsentativen Veranstaltungen - vorlägen. Selbst im Fall des Ackermann-Geburtstages habe es sich nicht um einen "repräsentativen" Anlass gehandelt, sondern um eine Veranstaltung mit einem "fachlichen/dienstlichen Bezug". Merkwürdig: Vor Gericht hatte das Kanzleramt 2011 noch behauptet, die Aufzeichnungen zum Ackermann-Geburtstag dienten "amtlichen Zwecken, nämlich der Erfüllung der repräsentativen Aufgaben der Bundeskanzlerin". So jedenfalls ist es im Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom 7. April 2011 niedergeschrieben.
Wir haben nun eine weitere Anfrage zu internen Veranstaltungen im Bundeskanzleramt mit einem "fachlichen/dienstlichen Bezug" gestellt.
Weiterführende Dokumente:
- Ablehnung des IFG-Antrags von abgeordnetenwatch.de durch das Bundeskanzleramt (13.7.2015)
- Widerspruch von abgeordnetenwatch.de gegen die Ablehnung des IFG-Antrags durch das Kanzleramt (14.7.2015)
Medienbericht zum Artikel: