Ein Gastbeitrag von Ursula Prem
Vielleicht haben Sie auch die Erfahrung gemacht: Viele Politiker reden viel, aber sie sagen wenig. Leere Worthülsen, vorgetragen im Brustton der Überzeugung, bringen schon aufgrund ihrer Unverständlichkeit so manchen Kritiker zum Schweigen. Man fragt sich: Kann es sein, dass ich den Inhalt einfach nicht verstanden habe und dieses vermeintliche Unvermögen durch kritische Nachfragen outen würde?
Vor gut eineinhalb Jahren ist mir das mit den Worthülsen passiert. Hier auf abgeordnetenwatch.de versuchte sich eine bekannte Politikerin mit vorgestantzten Formalien aus der Affäre zu ziehen.
Es war der 26. März 2013, als die damalige bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer meine Anfrage beantwortete, die sich vor dem Hintergrund des Falles Mollath um die Unterbringungsbedingungen in den forensischen Psychiatrien drehte. Ärgerlich für mich war besonders ihre Erklärung zur Zuständigkeit der verschiedenen staatlichen Organe: Untergebrachte, so Haderthauer, hätten die Möglichkeit, mit ihren Beschwerden die Gerichte, die Besuchskommissionen, das Bayerische Sozialministerium oder den Bayerischen Landtag anzurufen. Klingt gut, nicht wahr?
Dies alles hatte Mollath jedoch längst getan. Offenbar mit wenig Erfolg. In meiner abgeordnetenwatch.de-Nachfrage am 28. März erkundigte ich mich deshalb bei Frau Haderthauer: "Wie wollen Sie künftig sicherstellen, dass Betroffene sich nicht nur an zuständige Stellen wenden können, sondern diese Stellen auch tatsächlich tätig werden?"
Hierauf schickte sie am 16. April eine Antwort wie aus dem Bilderbuch der Politikerrhetorik. Sie führte aus, das Sozialministerium sei den Beschwerden selbstverständlich nachgegangen: "Bitte haben Sie aber dafür Verständnis, dass ich auf Fragen konkret zur Unterbringungssituation des Herrn Mollath hier nicht eingehen kann. Denn ich respektiere das Recht von Herrn Mollath, selbst entscheiden zu dürfen, wer Auskünfte und Kenntnis über seine persönlichen Angelegenheiten erhält."
Da Mollath seine Beschwerde öffentlich im Fernsehen vorgebracht hatte, überzeugte mich diese Berufung auf den Datenschutz nur wenig. Ich beschloss also, brieflich Kontakt zu ihm aufzunehmen und ihn nach den neuesten Entwicklungen zu fragen. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich auch von der Existenz einer Modellautofertigung im BKH Straubing, gegründet von Familie Haderthauer.
Der Auslöser der "Modellauto-Affäre"
Einige Recherchen später richtete ich am 28. April 2013 über abgeordnetenwatch eine weitere Anfrage an die Ministerin, die vorerst unbeantwortet blieb.
Am 7. Mai schließlich veröffentlichte ich einen Blogbeitrag mit dem Titel Christine Haderthauer – Forensik Straubing: Interessenkonflikt?", dessen Inhalt den heute als "Modellauto-Affäre" bekannten Skandal auslösen und so am 1. September 2014 schließlich zum Rücktritt Haderthauers führen sollte. Auch das neue Buch von Verteidiger Gerhard Strate "Der Fall Mollath – Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie" thematisiert die Entstehungsgeschichte dieser Affäre (Kapitel 17), wobei der Autor auch abgeordnetenwatch mehrfach als Quelle benennt.
Keine Angst also vor Wortblasen: Diese fallen durch gezielte Rückfragen und entsprechende Gegenrecherchen oft schnell und lautlos in sich zusammen. Nicht immer fördert man dabei einen Skandal zutage. Wenn es aber gelingt, den einen oder anderen Politiker zu klaren Aussagen zu bewegen, ist für die politische Kultur schon sehr viel gewonnen.
Lesen Sie außerdem zum Thema:
Unsere Gastautorin Ursula Prem ist gelernte Opernsängerin. Als Mitglied der Schriftstellergemeinschaft "Ein Buch lesen!" brachte sie mit einem Blogartikel die sogenannte "Modellauto-Affäre" ins Rollen, die zum Rücktritt der Leiterin der bayerischen Staatskanzlei, Christine Haderthauer, führte.