Gestückelte Parteispenden: Unternehmen und Verbände hebeln Transparenzregeln aus

Mehrere Unternehmen, Lobbyverbände und Privatpersonen haben nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de Großspenden an Parteien gestückelt und auf diese Weise die bestehenden Transperenzregeln ausgehebelt. Unter den Geldgebern befinden sich u.a. Dr. Oetker und der Metallverband Baden-Württemberg.

von Martin Reyher, 15.03.2012

Wer als Großspender einer Partei nicht auffallen will, der braucht nur folgenden Grundsatz zu beherzigen: Spende niemals über 50.000 Euro!

Denn wer mehr gibt, egal ob als Privatperson oder Unternehmen, dessen Name steht wenige Tage später öffentlich im Internet – mit Anschrift, Spendensumme und Spendenempfänger.

Insgesamt 25 Großspenden dieser Art gingen 2010 auf den Konten aller im Bundestag vertretenden Parteien ein (pdf)*. Unter den großzügigen Geldgebern befanden sich damals Dax-Unternehmen wie der Allianz-Versicherungskonzern oder die Autobauer Daimler und BMW, aber auch Mittelständler wie die Würth AG und Interessenvertretungen wie Südwestmetall oder der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie.

Doch in den Rechenschaftsberichten der Parteien von 2010, die die Bundestagsverwaltung am vergangenen Freitag heimlich, still und leise ins Netz gestellt hat, tauchen sehr viel mehr Großspenden über 50.000 Euro auf als die eingangs erwähnten 25. Wie kann das sein?

Theoretisch könnten die Parteien - ob aus Versehen oder mit Vorsatz - gegen die Offenlegungspflicht verstoßen haben, indem sie den Erhalt einer Großspende zunächst nicht an die Bundestagsverwaltung meldeten. Das ist zwar denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich.

Tatsächlich haben einige Unternehmen, Lobbyverbände und Privatpersonen die Offenlegungspflicht trickreich ausgehebelt. Anstatt eine große Summe zu spenden, stückelten sie ihre Zuwendungen auf mehrere Teilzahlungen, die jede für sich genommen unter der Veröffentlichungsgrenze von 50.000 Euro lag. Vollkommen legal und vom Gesetzgeber so gewollt nicht verhindert.

Mithilfe der gestückelten Parteispenden konnten beispielsweise der Nahrungsmittelkonzern Dr. Oetker und die Unternehmensberatung UBG im Jahr 2010 jeweils 90.000 Euro auf das Konto der CDU transferieren, ohne dass es bis vergangenen Freitag jemand mitbekommen hätte. Die gleiche Summe erhielt die Schwesterpartei CSU von dem Solaranlagenhersteller IBC.

Bis zur Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte vor ein paar Tagen ahnte die Öffentlichkeit nichts von diesen Geldflüssen - und konnte deswegen auch nicht überprüfen, ob die Zuwendungen im zeitlichen Zusammenhang mit politischen Entscheidungen im Jahr 2010 standen, wie dies ein Jahr zuvor bei der sprichwörtlich gewordenen "Möwenpick-Steuer" der Fall war.

Nach einer Auswertung von abgeordnetenwatch.de gab es im Jahr 2010 folgende Großspender, die ihre Zuwendungen über mehr als 50.000 Euro in mehrere Tranchen aufgeteilt haben:

Ein Bundestagssprecher bestätigte gegenüber abgeordnetenwatch.de, dass die hohen Spendenbeträge deswegen nicht zeitnah veröffentlicht werden mussten, weil sie sich aus der Summe mehrerer Einzelspenden zusammensetzten.

Fünf weitere Unternehmen, Verbände und Privatpersonen machten allein durch die Höhe ihres Spendenbetrags deutlich, dass sie eine zeitnahe Veröffentlichung ihrer Zuwendung an eine Partei nicht wünschten - sie überwiesen exakt 50.000 Euro:

Ein Cent mehr, und die Spenden hätten unverzüglich auf der Bundestagshomepage offen gelegt werden müssen. So jedoch verging mehr als ein Jahr, bis sie - wie am Freitag durch die Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte geschehen - bekannt wurden.

Im Rechenschaftsbericht der CDU für 2010 fallen darüber hinaus zwei weitere Spenden ins Auge. 48.500 Euro flossen von einer "DBG Beteiligungsgesellschaft" auf das Parteikonto, weitere 34.000 Euro stammen von einer "DBH Deutsche Beteiligungsholding". Beide Großspender teilen sich nicht nur dieselbe Firmenadresse, sondern jahrelang auch denselben Geschäftsführer - den Ende 2010 verstorbenen Gründer der DIHAG Deutsche Giesserei- und Industrie-Holding, Heinrich Grütering. Die DIHAG hat - so wie die beiden CDU-Großspender - ihren Sitz ebenfalls in der Altendorfer Straße 44 in Essen. (Weitere Beispiele dieser Art aus der Vergangenheit lesen Sie hier im Blog unter "Stückeln, bündeln, tarnen: Die Tricks mit den Parteispenden")

Wieder einmal erweisen sich die bisherigen Offenlegungspflichten als weitgehend wirkungslos. Geduldet von den Empfängern der Spenden, den Parteien, entziehen Konzerne, Lobbyverbände und wohlhabende Unternehmer ihre finanziellen Gaben jahrelang der Öffentlichkeit. Ein bis zwei Jahre später, wenn die Parteien in ihren Rechenschaftsberichten alle Spenden oberhalb von 10.000 Euro offenlegen müssen, fragt aber meist niemand mehr danach, wer einmal was gespendet hat.

Deswegen muss das Parteiengesetz jetzt dringend reformiert werden. Um gar nicht erst den Anschein zu erwecken, dass politische Entscheidungen in Deutschland käuflich sind, müssen sämtliche Parteispenden zeitnah veröffentlicht werden.

abgeordnetenwatch.de fordert darüber hinaus ein vollständiges Verbot von Unternehmens- und Verbandsspenden. Warum sollen "juristische Personen", die von Natur aus Eigen- bzw. Partikularinteressen im Blick haben, politische Parteien mit nicht unerheblichen Beträgen mitfinanzieren? Warum sollen die eigentlichen Auftraggeber der Spenden, die in den Chefetagen der Wirtschaft sitzen, sich hinter dem Namen ihres Unternehmens oder ihres Verbandes verstecken, anstatt – für alle sichtbar – im eigenen Namen eine Partei zu unterstützen?

Dass dies in nächster Zeit geschieht, ist eher unwahrscheinlich. Vor einiger Zeit starteten mehrere Bundesgsabgeordnete der SPD eine Initiative zum Verbot von Parteispenden durch juristische Personen, also Unternehmen und Verbände. Erfolg damit hatten sie bislang keinen.

 

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Update 16. März: Der Leiter der Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit bei Dr. Oetker, Jörg Schillinger, schickte uns gerade die folgende Stellungnahme:

Die Oetker-Gruppe besteht aus über 400 dezentral arbeitenden Unternehmen. Diese Unternehmen können, wenn sie vor Ort von Parteien entsprechend angefragt werden, in engem Rahmen Spenden gewähren. Maßgabe ist, dass die Grenze von 10.000 Euro überschritten wird, damit eine Spende im Rechenschaftsbericht einer Partei veröffentlicht und damit transparent wird. Ein lokal oder regional auftretender Spendenbedarf wird von einem Gruppenunternehmen dann an unsere Holding, die Dr. August Oetker KG, weitergeleitet, die den Spendenbetrag anweist und gleichzeitig dokumentiert, wann eine Spende an wen in welcher Höhe gegeben wurde. Wenn also der vom Bundestag veröffentlichte Bericht im Jahr 2010 für die Dr. August Oetker KG einen Spendenbetrag von 90.000 Euro für die CDU ausweist, setzt sich der Betrag aus der Summe der regional unterschiedlich bedienten Anfragen zusammen. Die SPD und die FDP haben im Jahr 2010 übrigens ebenfalls Spenden von jeweils über 10.000 Euro erhalten, was auch im Rechenschaftsbericht für 2010 verzeichnet ist (Euro 22.000 an die SPD, Euro 11.000 an die FDP). Ein Aushebeln oder Unterlaufen von geltenden Vorschriften über Zuwendungen an Parteien ist unsererseits somit weder beabsichtigt noch durchgeführt worden.

*NPD und DVU erhielten jeweils eine Großspende von mehr als 50.000 Euro.

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