Karl Lauterbach und das Versteckspiel mit dem Nebenverdienst (Update)

Im Fernsehen gibt sich der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gern transparent. Wie viel er als Aufsichtsratsmitglied bei den privaten Rhön-Kliniken verdient, könne jeder auf seiner Homepage nachlesen. Doch dort verschleiert er die Höhe seiner Nebeneinkünfte.

von Martin Reyher, 23.01.2011

[Update 20. Dezember 2013: Wieder einmal bereitet es dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach Schwierigkeiten, auf einfache Fragen zu seiner langjährigen Aufsichtsratstätigkeit bei den Rhön-Kliniken eine einfache Antwort zu geben. Während Lauterbach 2011 im TV Unwahrheiten über seine Nebeneinkünfte bei Rhön verbreitete und sich außerstande sah, diese gegenüber abgeordnetenwatch.de zu erklären (s. Text unten), geht es diesmal um angebliche Dumpinglöhne in dem privaten Klinikkonzern. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sollen Putzkräfte in Rhön-Kliniken jahrelang ausgebeutet worden sein. Ob er als langjähriges Aufsichtsratsmitglied (bis Juni 2013) von den offenkundigen Missständen nichts mitbekommen habe, wollte die SZ von dem SPD-Bundestagsabgeordneten wissen. Keine 20 Minuten nach der schriftlichen Anfrage meldete sich ein Mitarbeiter telefonisch bei der SZ und teilte kurz und knapp mit: "Herr Lauterbach wird das nicht kommentieren". Die Süddeutsche Zeitung schreibt, sie habe mit Lauterbach u.a. über die SPD-Forderung nach Einhaltung der Mindestlöhne und die Zustände bei Rhön sprechen wollen - "doch auch dazu äußert sich Lauterbach nicht," so die SZ. - Lesen Sie im Folgenden, wie es der SPD-Gesundheitspolitiker einmal mit der Wahrheit zu seinen Nebeneinkünften von Rhön nicht so genau nahm.]

 

Bild: Lauterbach

Vergangenen Donnerstag hatte Karl Lauterbach einen großen Auftritt in dem kleinen Digitalkanal ZDFneo, also weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. (Letzteres ist deswegen von Bedeutung, weil so nicht weiter auffiel, dass die Fakten nicht in allem mit dem übereinstimmten, was er in die Kamera sagte).

Bei "Stuckrad Late Night" (donnerstags, 22.30 Uhr) sitzen der Journalist Hajo Schumacher, dem die Rolle des "linken" Sidekicks von Moderator Benjamin von Stuckrad-Barre zugedacht ist, und "der General" und Landesinnenminister a.D. Jörg Schönbohm auf einem Balkon im Ballhaus Rixdorf in Berlin-Neukölln und werfen mitunter recht Erhellendes auf die Bühne unter ihnen, wo sich der Gastgeber an einem Schreibtisch fläzt. Hajo Schumacher beispielsweise führt den Studiogast Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach wie folgt ein:

Es gibt zwei Abgeordnete, einen von der Linkspartei und der andere von der CDU, die haben ihn beide gemeinsam zum faulsten Abgeordneten des Gesundheitsausschusses erklärt, weil er nie da war – oder immer nur, wenn Kameras da waren. Und er ist im Aufsichtsrat eines privaten Klinikbetreibers und will immer nicht verraten, wie viel Kohle er dafür kriegt, man sagt so zwischen 50.000 und 100.000 im Jahr. Er guckt einen immer so ganz, ganz stechend an und sagt: 'Ich bin doch Sozialdemokrat', und hofft, dass man dann nicht weiter fragt.

Während die Anekdote mit dem Gesundheitsausschuss im Verlauf der Sendung nicht weiter thematisiert wird und deswegen auch nicht entkräftet werden kann (Schumacher bezieht sich offenbar auf dieses Video bei Youtube), kommt die Sache mit dem privaten Klinikbetreiber gegen Ende noch einmal zur Sprache.

Dazu muss man zunächst folgendes wissen: Der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach ist Mitglied im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG, einer börsennotierten Betreibergesellschaft von 54 Krankenhäusern und 35 Medizinischen Versorgungszentren, die 2009 einen Umsatz von 2,32 Mrd. Euro erwirtschaftete. Der Rhön-Konzern ist u.a. der erste private Betreiber in Deutschland, der ein Universitätsklinikum übernommen hat. Seit 2006 gehört das Universitätsklinikum Gießen-Marburg deshalb nicht mehr den Universitäten von Gießen und Marburg und damit der öffentlichen Hand, sondern der Bank of America, einem Vermögensverwalter namens Fidelity Investments, der Investmentgesellschaft Franklin Templeton Investments und einigen anderen Rhön-Aktionären, die mehr noch als die Qualität des deutschen Gesundheitswesens eine satte Rendite im Blick haben dürften.

Also steht Karl Lauterbach am Donnerstagabend bei ZDFneo auf der Theaterbühne und soll etwas zu seinen jährlichen Bezügen als Mitglied des Rhön-Aufsichtsrates sagen. Im Raum stehen die 50.000 bis 100.000 Euro von Hajo Schumacher. Übertrieben, sagt Lauterbach sinngemäß. (In der ZDF-Mediathek gibt es von diesem Dialog mit Stuckrad-Barre Hajo Schmuacher bedauerlicherweise keine Aufzeichnung, denn die 50-minütige Sendung bricht aus unerfindlichen Gründen nach Minute 43:17 plötzlich ab.) In schlechten Jahren, erklärt Lauterbach, erhalte er einen niedrigen fünfstelligen Betrag (im Folgenden nennt Lauterbach auch eine konkrete Summe, die aber wegen des fehlenden Filmausschnitts an dieser Stelle nicht mit vollkommender Sicherheit wiedergegeben werden kann.)

Bei der Rhön AG gibt es jedoch nicht nur schlechte Jahre, und so schätzt Lauterbach seinen Nebenverdienst in den guten Jahren auf etwas über 50.000 Euro (Problem s.o.). Da er die exakte Höhe seines Rhön-Salärs in diesem Moment nicht parat hat, verweist er auf seine private Homepage. Dort könne jeder die genaue Höhe seiner Aufsichtsratsbezüge nachlesen. Und was steht auf der Homepage von Karl Lauterbach?

Rhön-Klinikum AG, Bad Neustadt/Saale, Mitglied des Aufsichtsrates, 2009, Stufe 3; 2010

Die Angabe "Stufe 3" ist eine vom Bundestag beschlossene und verschleiernde Angabe über Nebeneinkünfte. Denn "Stufe 3" bedeutet nichts weiter, als dass die Einkünfte höher als 7.000 Euro sind. Schriftliche Nachfrage von abgeordnetenwatch.de im Bundestagsbüro von Karl Lauterbach:

Sehr geehrter Herr Lauterbach, in der gestrigen ZDF neo-Sendung "Stuckrad-Barre" antworteten Sie auf die Frage zur Höhe Ihrer Aufsichtsratsbezüge bei den Rhön-Kliniken, dass Sie diese auf Ihrer Homepage veröffentlichten. Leider konnte ich die genauen Bezüge dort nicht finden (unter http://www.karllauterbach.de/person gibt es lediglich einen Verweis auf den Geschäftsbericht). Für einen kurzen Hinweis, wo auf Ihrer Website die genauen Bezüge zu finden sind, wäre ich Ihnen dankbar.

Wenig später, um kurz nach 14 Uhr, kommt die Antwort eines Mitarbeiters von Karl Lauterbach: Wie auf der Homepage erwähnt, könne die Höhe der Bezüge den veröffentlichten Geschäftsberichten entnommen werden. Wenn man ein "so hohes Interesse an Karl Lauterbachs Einnahmen" habe, "ist Ihnen diese kleine Hürde sicher nicht zu hoch." Im Übrigen habe Lauterbach in der zitierten Sendung die Höhe der Bezüge sogar genannt, leider sei dies jedoch dem Schnitt zum Opfer gefallen (wie oben beschrieben nannte Lauterbach die Höhe der Einkünfte tatsächlich, der Ausschnitt fehlt lediglich in der Mediathek).

Da die Mail von Lauterbachs Mitarbeiter keine Antwort auf die eigentliche Frage war, ein erneuter Versuch:

Sehr geehrter Herr ….., vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Mir ging es gar nicht so sehr um die tatsächliche Höhe - diese hatte ich vor einiger Zeit schon einmal aus dem Geschäftsbericht herausgesucht - sondern um die Aussage von Herrn Lauterbach bei Herrn Stuckrat-Barre, er würde die Höhe der Bezüge auf seiner Website veröffentlichen. Wie gesagt konnte ich diese dort bislang nicht finden, weswegen ich davon ausgehen muss, dass - entgegen der Behauptung von Herrn Lauterbach in der Fernsehsendung - auf seiner Homepage keine genauen Bezüge genannt werden. Es wäre nett, wenn Sie mir Auskunft darüber geben könnten, warum Herr Lauterbach die Höhe der Bezüge nicht einfach auf seiner Website veröffentlicht, so wie er es im Fernsehen dargestellt hat, zumal er ja offen damit umgeht.

Eine Antwort darauf gab es keine, nicht einmal eine Mail.

PS: Der Geschäftsbericht der Rhön-Klinikum AG weist die Höhe der Aufsichtsratsbezüge von Karl Lauterbach übrigens mit 59.000 Euro (2009) und 55.000 Euro (2008) (pdf, S. 51) aus. Um bei seiner Haupttätigkeit Bundestagsabgeordneter auf 59.000 Euro zu kommen, muss Lauterbach immerhin 7,7 Monate zum Wohle des Volkes tätig sein (monatl. Diät: 7.668 Euro). Zum Beispiel, indem er Ausschusssitzungen besucht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Update vom 26. Januar 2011:

Nach einem Hinweis von abgeordnetenwatch.de auf die fehlerhafte Version in der Mediathek hat das ZDF nun das vollständige Video von "Stuckrad Late Night" mit Karl Lauterbach online gestellt. Darin ist ab Minute 43:35 dieser Wortwechsel zwischen dem Journalisten Hajo Schumacher und Studiogast Karl Lauterbach zu verfolgen:

Schumacher: Sie sind ja bei den Rhön-Kliniken im Aufsichtsrat...

Lauterbach: Ah, ja, auf jeden Fall.

Schumacher: Was kriegt man da so im Jahr?

Lauterbach: Das haben Sie eben falsch vorgetragen. Es steht ja.... Ich veröffentliche diesen Wert Euro-genau seit jedem Jahr, seit zehn Jahren.

Schumacher: Sagen Sie ihn doch noch mal...

Lauterbach: Ich weiss es jetzt auswendig nicht... Auf jeden Fall bei mir auf der Homepage kann jeder morgen nachgucken. Es schwankt. In einem schlechten Jahr 29.000 Euro, und dann geht`s auch schon mal hoch bis auf 55.000 oder so, aber es schwankt und ich veröffentliche es seit vielen Jahren, jedes Jahr. Weil Sie eben fälschlicherweise gesagt haben, ich würde daraus ein Geheimnis machen. Das ist Schwachsinn.

Stuckrad-Barre: Unser sehr ehrlicher und sehr, sehr reicher Gast, Karl Lauterbach!

Das hat Stuckrad-Barre (fast) richtig zusammengefasst.

 

Update vom 3. März 2012:

Inzwischen liegt der Geschäftsberichtbericht der Rhön-Kliniken für das Jahr 2011 vor. Danach hat Karl Lauterbach für seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied 62.000 Euro erhalten (S. 38, pdf).

 

Foto Lauterbach: (c) A.Savin / Wikipedia / CC BY-SA 3.0

Vorkommende Politiker:innen

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