Lobbyismus auf Parteitagen

Google, Philip Morris, DFL: Das sind die Sponsoren der Parteien

Mit der Vermietung von Parteitagsständen nehmen CDU, SPD und Co. hunderttausende Euro ein. Lohnend ist das auch für die Unternehmen und Lobbyverbände: Sie erhalten direkten Zugang zu Spitzenpolitiker:innen und können die Kosten auch noch von der Steuer absetzen. Wer sind die Sponsoren und was zahlen sie?

von Martin Reyher, 06.05.2024
Logos von Parteitagssponsoren

Eine Liste mit Sponsoren und Ausstellern finden Sie am Ende des Textes


Wenn CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne einen Parteitag ausrichten, richten sie immer auch eine Messe aus. Vor dem Sitzungssaal reiht sich dann ein Stand an den nächsten, an denen Unternehmen und Verbände mit dem Publikum in Kontakt kommen wollen. Nur dass das Publikum in diesem Fall aus einflussreichen Politiker:innen besteht.

Als die FDP Ende April ihren Europaparteitag in Berlin abhielt, konnte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hohen Besuch an seinem Stand begrüßen. FDP-Chef Christian Lindner nahm sich die Zeit für ein Foto mit der Cheflobbyistin. Auf der Plattform X schrieb die Interessenvertreterin später: "Vielen Dank für den guten Austausch mit dem @gdv_de beim #bpt24 der @fdp, @c_lindner!"

Austausch mit dem Finanzminister: FDP-Chef Christian Lindner am Stand des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beim Parteitag im April 2024

Auch der Telekommunikationskonzern 1&1 hatte seine oberste Lobbyistin zur FDP geschickt, um "mit zahlreichen Bundestagsabgeordneten ins Gespräch zu kommen, und mit ihnen über die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu sprechen", wie die Konzernvertreterin auf Linkedin mitteilte.

Verboten ist das nicht. Gleichwohl gibt es ein Problem: Unternehmen und Verbände, die ihre Lobbyist:innen auf Parteitage entsenden, haben viel Geld an die Parteien bezahlt. Wie viel, lässt sich oft nicht nachvollziehen. Bis jetzt müssen Parteien ihre Einnahmen aus der Vermietung von Parteitagsständen und sonstigem Sponsoring nicht offenlegen.

Nicht mehr gern gesehen: ein Konzern aus China

Manche Unternehmen und Lobbyverbände sind Stammgäste bei mehreren Parteien. Dazu gehören der Chemiekonzern Bayer, die Debeka-Versicherung, das Tabakunternehmen Philip Morris, die Lobbyverbände Zukunft GAS und der Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA). Vorteil für die Aussteller: Sie können die Standgebühren steuerlich geltend machen (was bei Parteispenden nicht der Fall ist).

Um einen früheren Kunden machen die Parteien inzwischen übrigens einen weiten Bogen: Huawei. In früheren Jahren durfte der chinesische Telekommunikationskonzern noch einen Stand bei FDP, CDU und SPD aufbauen. Im Fall des SPD-Parteitags 2019 ist bekannt, was Huawei sich die Anwesenheit kosten ließ: 20.100 Euro.

Selbstbedienung der Parteien beim Staatskonzern Deutsche Bahn

Noch immer gern gesehen ist dagegen die Deutsche Bahn. Das Staatsunternehmen zahlte insgesamt rund 220.000 Euro, um zwischen 2014 und 2023 einen Stand bei den Parteitagen von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen aufstellen zu dürfen. Laut Bundesregierung habe die Bahn "auf Anfrage" an den Veranstaltungen teilgenommen. Mit anderen Worten: Die Parteien hatten den Staatskonzern als lukrative Geldquelle ausgemacht und um Anmietung eines Stands gebeten (über diese Praxis hatten wir bereits 2017 berichtet).

Auch beim FDP-Parteitag im April sei die Bahn wieder dabei gewesen, meldete das Portal The Pioneer, ein Stand beim anstehenden CDU-Parteitag sei geplant. Auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de gab sich der Konzern kurz angebunden. Eine Sprecherin verwies darauf, dass man sich "ausschließlich als Ausstellerin an Parteitagen mit relevanter Reichweite und Adressat:innenkreis" beteilige.

Viel Geld an Parteien zahlte auch die Volkswagen Gruppe. Mehr als 50.000 Euro überwiesen Volkswagen und Audi an die SPD, um beim Parteitag 2019 dabei zu sein (bei CDU und FDP ist die Summe nicht bekannt). Auch an Volkswagen ist der Staat beteiligt: Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien; der Ministerpräsident sitzt qua Amt im Aufsichtsrat.

Ein Stand plus "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten" für 20.000 Euro

INSM-Stand beim CDU-Parteitag 2024
Der Lobbyverband "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) lockte Politiker:innen an seinen Stand beim CDU-Parteitag 2024 – mit einem Apparat namens "Bürokratievernichter"

Für Unternehmen und Verbände ist die Anwesenheit auf Parteitagen eine Form des Lobbyings. Leicht lässt es sich dort mit wichtigen Entscheider:innen ins Gespräch kommen und Visitenkarten austauschen, sei es am angemieteten Stand oder beim abendlichen Bier.

Vor einigen Jahren sah eine Partei darin gar ein Geschäftsmodell. Im Vorfeld ihres Parteitags 2010 offerierte die NRW-CDU ein sogenanntes "Partnerpaket" für Unternehmen und Verbände. Dieses beinhaltete neben einem Stand auch "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen". Kosten: 20.000 Euro. Als Konsequenz aus der "Rent-a-Rüttgers"-Affäre trat der damalige Generalssekretär und heutige NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zurück.

Die Deutsche Post/DHL sponserte SPD-Kaderschmiede mit 75.000 Euro

Die Deutsche Post/DHL Group ist ein Unternehmen, das besonders viel Geld in die Hand nimmt, um mit der Politik ins Gespräch zu kommen. Seit 2018 gab der Konzern 75.000 Euro für das Sponsoring der "SPD-Führungsakademie" aus, einer Kaderschmiede der Partei. Allein im vergangenen Jahr waren es 15.000 Euro. Laut Programm durfte der Cheflobbyist der Post beim abendlichen "Akademiegespräch" zum Thema "Führung in Politik und Wirtschaft" auftreten. Dann klang der erste Veranstaltungstag mit einem "Get together" aus. 

Dass die Öffentlichkeit in diesem Fall von der Höhe der Sponsoringzahlung erfährt, liegt an einer Selbstverpflichtung, die sich die SPD auferlegt hat. Seit 2018 macht die Partei die Namen der Sponsoren und Aussteller sowie die gezahlte Nettosumme freiwillig transparent. Mit dieser Maßnahme reagierte sie auf die sogenannte "Rent-a-Sozi"-Affäre, bei der Unternehmen und Lobbyverbände für exklusive Veranstaltungen mit hochrangigen SPD-Politiker:innen bezahlt hatten.

Geld für die Grünen von der Autolobby, Amazon und der Lufthansa

Laut der Einnahmenliste von 2023 kassierte die SPD vom Tabakkonzern Philip Morris 14.700 Euro, dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft 18.425 Euro und der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) 12.500 Euro. Unter dem Strich beliefen sich die Gesamteinnahmen aus der Vermietung von Ständen und Sponsoring bei der SPD auf 513.400 Euro.

Sponsorenwand Grünen-Parteitag 2023
Mit Dank an Lufthansa, Autolobby und den Bauernverband: Die Grünen und ihre Sponsoren und Aussteller beim Parteitag 2023.

Für Transparenz auf freiwilliger Basis sorgen auch die Grünen. Für die Präsenz auf der Bundesdelegiertenkonferenz 2023 zahlten Unternehmen und Verbände der Partei mehr als 300.000 Euro. Zu den Ausstellern gehörten Amazon (13.000 Euro), der Verband der Automobilindustrie VDA (11.000 Euro) sowie Lufthansa und Google (jeweils 10.000 Euro).

CDU, CSU und FDP bleiben intransparent, doch bald zwingt sie das Gesetz zur Offenlegung

Während Linke und AfD auf Anfrage mitteilten, "keine" bzw. "seit kurzem nur sehr überschaubare" Sponsoringeinnahmen zu haben, halten sich die übrigen Bundestagsparteien äußerst bedeckt. CDU und CSU reagierten auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de nicht. Die FDP schrieb: "Gerne teilen wir Ihnen mit, dass die FDP allen rechtlichen (Veröffentlichungs-)Verpflichtungen nach dem Parteiengesetz nachkommt." 

Da bislang keine Transparenzmaßnahmen existierten, weiß man wenig über die Aussteller und Sponsoren von CDU, CSU und FDP. Aus Fotos von früheren Parteitagen lassen sich diese teilweise rekonstruieren: Vertreten waren dort u.a. der Lobbyverband der Deutschen Automatenwirtschaft, EnBW, Haus & Grund (CDU), Union Investment, der Bayerische Bauernverband, Lufthansa (CSU), die Deutsche Fußball Liga, der Deutsche Zigarettenverband und Doc Morris (FDP). 

Demnächst werden sich die Parteien nicht mehr vor Transparenz in Sachen Sponsoring drücken können. Ab dem Rechnungsjahr 2025 müssen Parteien einen verpflichtenden Sponsoringbericht vorlegen. Kleiner Wehrmutstropfen: Dieser wird erst im Jahr 2027 veröffentlicht.

Liste: Das sind die Aussteller und Sponsoren der Parteien

Welche Unternehmen und Lobbyverbände haben die Parteien in den vergangenen Jahren unterstützt? abgeordnetenwatch.de hat eine Liste mit den Ausstellern und Sponsoren von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen erstellt (Linke und AfD erhalten nach eigenen Angaben keine bzw. "keine wirklich relevanten" Sponsoringeinnahmen. Als Grundlage für die untenstehende Tabelle dienten Eigenangaben der Parteien (SPD und Grüne), öffentliche Fotos von Sponsorenwänden (z.B. hier) und Angaben von Unternehmen (z.B. Union Investment). Soweit verfügbar, sind auch die Höhe der Zahlungen angegeben. Da es keine bis jetzt Veröffentlichungspflicht gibt, ist die Liste unvollständig und enthält nur einen Teil der Aussteller und Sponsoren.

[Tabelle "Sponsoren und Aussteller der Parteien". Zur Ansicht müssen Sie diese u.U. über den Schieberegler aktivieren.]

Nachtrag 6. Juni 2024: 

Die Bundesregierung hat jetzt gegenüber dem Linken-Abgeordneten Victor Perli mitgeteilt, wie viel die Deutsche Bahn seit 2022 für Parteitagsstände und Sponsoring ausgegeben hat. An die FDP zahlte der Staatskonzern demnach insgesamt 17.500 Euro, an die Grünen 16.300 Euro, an die CDU 10.500 Euro. Die CSU bekam 8.800 Euro, die SPD 7.000 Euro. Wie die Regierung schreibt, hätten der DB AG "jeweils Anfragen der Parteien bzw. von ihnen beauftragten Agenturen" vorgelegen. - Für den jüngsten CDU-Parteitag, wo die Bahn ebenfalls mit einem Stand vertreten war, konnte die Regierung keine Zahlen vorlegen. Hierzu läge noch keine Rechnung vor.

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