Frage an Wolfram Hüffner von Leroy B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Guten Tag Herr Hüffner!
Ihrem Ansatz "Eine Schule für alle" kann ich leider nicht so ohne weiteres zustimmen. Ganz im Gegenteil - diese Entwicklung dürfte sogar ziemlich Problematisch werden, da die Leistungsspanne der Schüler entsprechend weit auseinander liegen.
Es ist nunmal in der Natur der Sache, das sich die Lerngeschwindigkeit der Klasse anpasst. Das bedeudet, das entweder die guten Schüler beginnen sich z.b. unterfordert zu fühlen und anfangen aus Langeweile den Unterricht zu stören oder im Umkehrschluss, die schlechteren Schüler den Anschluss dann komplett verlieren und entweder nur noch "pro Forma" in die Schule kommen oder sogar komplett fernbleiben. Besonders katastrophal wird es, wenn schlechte Schüler "mitgeschleift" werden, mit der tollen Begründung, das man den Schüler nicht aus dem Klassenverband reißen möchten. (Selbst schon miterlebt) Heute sitzt er mit keinem Abschluss zu Hause und sein Schicksal - Hartz 4 ist bereits besiegelt.
Das dieses drei gliedrige Schulsystem selektiv wirkt, will ich nicht bestreiten, aber den Vorwurf das schlechte Abschlüsse daraus resultieren, möchte ich bestreiten. Ganz im Gegenteil sogar.
Ihr Vorschlag, einen "Schuleinheitsbrei" einzuführen wird sicherlich die Quote der schlechten Abschlüsse und/oder sogar Schulabbrecher erhöhen.
Sollte man nicht stattdessen diese drei Äste beibehalten und durch mehr Lehrer und vorallem - ganz dringend! - kleineren Klassen, besser auf die Individuellen Bedürfnisse der Schüler eingehen zu können? Andere Länder machen vor, das es funktioniert. Ich "durfte" es leider am eigenen Leib erfahren. In einer Klasse mit weit über 45 Schülern kann man nicht vernünftig lernen!
Sehr geehrter Leroy Blench,
Sie schlagen in Ihrer Anfrage an mich über www.abgeordnetenwatch.de vor, statt des Konzepts „Eine Schule für Alle“ das dreigliedrige Schulsystem beizubehalten, dafür mehr Lehrer einzustellen und kleinere Klassen einzuführen. Sie schreiben außerdem, dass Sie dem Ansatz „Eine Schule für Alle“ nicht zustimmen und ihn problematisch finden.
Ich möchte Ihnen den kritisierten Ansatz „Eine Schule für Alle“ im Folgenden gern etwas näher erläutern und hoffe, dass ich Sie mit meinen Argumenten überzeugen kann:
Wie Sie wissen, tritt DIE LINKE dafür ein, dass alle Kinder zukünftig bis zur zehnten Klasse gemeinsam mit umfassender Ausstattung und individuell gefördert lernen. Dieser Ansatz versteht sich inklusive Lehr- und Lernmittelfreiheit, Ganztagsbetreuung und kostenlosem, gesundem Schulessen. Hinter den Forderungen steht die Erkenntnis aus den PISA-Studien, dass in anderen Ländern, wie z.B. in Finnland, wo gemeinsames Lernen schon praktiziert wird, die Schule erfolgreicher und nachhaltiger als in Deutschland dafür sorgt, dass Schulkinder mehr Chancengleichheit besitzen und dass mehr SchülerInnen einen qualifizierten Abschluss machen als es hier mit dem dreigliedrigen Schulsystem der Fall ist. Leider hängen in Deutschland die Bildungschancen eines Kindes im Vergleich zu anderen europäischen Ländern nämlich viel stärker von der sozialen Herkunft und der Schulform ab. Das Konzept "Eine Schule für Alle" bedeutet darum gerade nicht, dass es einen "Schuleinheitsbrei" geben soll. Weil ich im Bereich der beruflichen Erwachsenenbildung tätig bin und auch selbst unterrichte, weiß ich aus pädagogischer Erfahrung, wie sinnvoll und hilfreich es ist, gemeinsam in einer gemischten Gruppe, welche ja auch eine Schulklasse ist, zu lernen. Praktisch gibt es in den Jahrgangsstufen und Klassen die Möglichkeit, differenziert in verschiedenen Lerngruppen, angepasst an den individuellen Leistungsstand zu lernen. Darüber hinaus wird durch den Ansatz "Eine Schule für Alle" das soziale Lernen eingeübt.
Zu Ihrem Vorschlag: Mehr - und vor allem gut ausgebildete LehrerInnen - sowie kleinere Klassen. Dies fordert auch DIE LINKE. Hier stimme ich Ihnen also zu. Strittig ist eben der Weg dahin. Das dreigliedrige Schulsystem beizubehalten, lehne ich jedoch ab.
Sie berichten außerdem von dem Beispiel eines ehemaligen "schlechten" Mitschülers, der mitgeschleift worden sei, keinen Abschluss habe und dessen Schicksal "Hartz IV" schon besiegelt sei. Zu dem konkreten Fall kann ich aus Unkenntnis heraus nichts sagen. Aus Lebens- und Berufserfahrung weiß ich allerdings, dass es zum Glück stets mehrere Chancen im Leben gibt. Trotzdem darf nicht, wie momentan üblich, schon nach der vierten Klasse entschieden werden, wer auf welche Schule zu gehen hat. SchülerInnen/Menschen entwickeln sich ja vollkommen unterschiedlich. Es ist das erklärte Ziel linker Schulpolitik, in Deutschland eine größere Chancengleichheit zu erreichen. Wie Ihnen ein unvoreingenommener Blick auf unsere europäischen Nachbarn zeigen sollte, liegt DIE LINKE mit ihrer Forderung "Eine Schule für Alle" politisch und didaktisch richtig.
Abschließend bitte ich Sie um Verständnis, dass ich erst jetzt dazu gekommen bin, auf Ihre Anfrage zu antworten. Ich bedanke mich bei Ihnen für das meiner Partei und meiner Person entgegengebrachte Interesse!
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Hüffner