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Ute Kumpf
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Frage von Ines E. •

Frage an Ute Kumpf von Ines E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte, liebe Ute Kumpf.

Sie hatten als Sprecherin der SPD-Arbeitsgruppe "Bürgerschaftliches Engagement" interessiert auf den Slogan "Bürgerschaftliches Engagement - Bürgergeld statt Bürgerkrieg" reagiert.

Wir besprachen: Hartz4 unterscheidet nicht zwischen Menschen, die arbeiten und nicht arbeiten, nur zwischen arm und reich, wer respektiert arbeitet, aber für die Inanspruchnahme seiner Arbeitsfähigkeiten nicht ausreichend Arbeitslohn einfordern kann, muss nicht nur in Armut, sondern weitgehend ohne Bürgerrechte und in beständiger Angst vor Schikanen leben. Selbstbestimmte, ehrenamtliche Arbeit wird im Hartz4System nicht als Arbeit anerkannt.

Ein Recht auf ein bedingungsloses/schikanefreies Grundeinkommen würde anerkennen, dass wir in keinem Gesellschaftssystem leben, in dem jeder Bürger eine existenzsichernde Arbeit finden kann, dass sich Bürger keine Landstriche abstecken, Hütten bauen und Wild jagen dürfen, um den Demütigungen eines Hartz4Systems entgehen zu können.

Ich recherchiere Äußerungen von Politikern zum Thema bedingungsloses/schikanefreies Grundeinkommen. Würden Sie bitte Ihre gegenwärtige Position beschreiben? Danke.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Eck,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage zum Thema Bürgergeld und die sich dahinter verbergenden Chancen und Risiken für unsere Gesellschaft. Ich freue mich, dass Sie sich weiterhin kritisch mit dem deutschen Sozialstaat auseinandersetzen und sich hierzu engagieren. Wie bei unserem gemeinsamen Gespräch in Berlin, lege ich Ihnen auch gerne ein weiteres Mal, nun auf öffentlicher Plattform, meine Position dar.

Mir selbst ist das Konzept der negativen Einkommenssteuer von Milton Friedman bereits seit meinem Volkswirtschaftsstudium vertraut und der zugrundeliegende Gedanke der sozialen Sicherung, in Verbindung mit einem solidarischen, gerechten Ausgleich zwischen Bürgerinnen und Bürgern, hat schon immer mein Interesse geweckt. Allerdings stützen sich ökonomische Modelle in erster Linie auf ökonomische Grundannahmen und ökonomische Interessen, wobei gesamtgesellschaftlichen und individuellen Konsequenzen nur begrenzt erfasst werden. Hier setzt auch meine Kritik zum bedingungslosen Bürgergeld an.

Die von Friedmans Modell abgeleitete Idee des bedingungslosen Bürgergeldes von Götz Werner hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen und ist über Parteigrenzen hinweg zu einem stetigen Diskussionsthema geworden. Grund hierfür ist einerseits die These des Endes der Arbeitsgesellschaft und andererseits die Undurchschaubarkeiten der sozialen Sicherungssysteme, als auch die von ihnen verursachten erkennbaren sozialen Härten. Vielerorts besteht der Wunsch nach einem radikalen Systemwechsel, hinzu einem einfachen und womöglich gerechteren Modell. Ob allerdings das bedingungslose Bürgergeld die richtige Option ist, daran habe ich meine Zweifel.

Neben den Vorteilen einer Bürgergeldregelung: Das System ist übersichtlich, für jedermann einfach zu verstehen und transparent zu verwalten; es ist leicht zugänglich, wenig stigmatisierend und verhindert verschämte Armut, sehe ich aber die große Gefahr der Spaltung unserer Gesellschaft. Und zwar in sozialer, kultureller, wie geschlechtlicher Hinsicht. Das ist mein zentrales Gegenargument.

. Soziale Spaltung: Durch die Bereitstellung eines Grundeinkommens werden Anreize geschaffen, sich der Erwerbstätigkeit zu entziehen. Die Folge hiervon ist eine reduzierte Erwerbsfähigkeit. Hier ist die Empirie eindeutig: Je länger die Absenz vom Erwerbsleben dauert, desto schwieriger ist es die Person wieder in das Erwerbsleben zu integrieren. Die nicht vorgesehenen Eingliederungsprogramme untergraben die (Re-) Integration ins Erwerbsleben. Es würde folglich zu einer dauerhaften Spaltung der Gesellschaft in Erwerbstätige und Erwerbslose kommen.

. Kulturelle Spaltung: Ein Beruf bietet mehr, als den bloßen Verdienst. Durch den Beruf kann das gesellschaftliche Leben mitgestaltet werden, man erhält gesellschaftliche Anerkennung und Zugang zu sozialen Netzen. Auch hier ist die Empirie eindeutig: Über ein eingeschränktes soziales Beziehungsgeflecht verfügen vor allem Personen mit niedrigem Bildungsniveau und Erwerbslose. Die Struktur der Erwerbstätigkeit wirkt sich auch positiv auf das bürgerschaftliche Engagement aus. Denn die Bereitschaft sich politisch zu engagieren sinkt nach dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben -- das gilt sowohl für Erwerbslose, als auch für Ruheständler.

. Geschlechtsspezifische Spaltung: Durch ein bedingungsloses Grundeinkommen, würde das Streben der Frauen nach Berufstätigkeit abgewürgt. Es ist bereits heute schon schwierig Mutterschaft und Beruf zu vereinbaren. Durch ein Grundeinkommen würden Frauen während einer Schwangerschaft wohl vorübergehend und in den meisten Fällen anschließend endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

Der deutsche Sozialstaat setzt bereits heute zu sehr auf Sozialtransfers und zu wenig auf soziale Dienstleistungen. Deshalb ist es notwendig die öffentlichen und sozialen Dienste weiter auszubauen. Durch das Bürgergeld würde die soziale Infrastruktur, wie z.B. Ganztagseinrichtungen für Kinder, nicht ausgeweitet werden. Als Vorbild für umfassende soziale Dienstleistungen können unsere skandinavischen Nachbarn dienen.

Meiner Meinung nach, sollten wir nicht den Austritt aus der Arbeitsgesellschaft forcieren, sondern die Idee der Arbeitsgesellschaft überdenken. Der Wandel, den wir herbeiführen wollen, sollte Frauen die gleichen Partizipationschancen eröffnen und die ältere Generation im Ruhestand stärker in die Arbeitsgesellschaft einbinden. Auch wenn das Arbeitsvolumen weiter zurückgeht, gibt es hierfür Möglichkeiten. Erstens kann durch eine gesetzliche Strategie die Arbeitszeit verkürzt werden, ohne Wohlstandseinbußen hinnehmen zu müssen und zweitens gibt es zahlreiche unbefriedigte kulturelle und soziale Interessen, deren Nachfrage marktkonform gestillt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Ute Kumpf