Stefan Gretzinger
SPD
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Frage von Vera S. •

Frage an Stefan Gretzinger von Vera S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Gretzinger,

mich würde interessieren, ob Sie, sich in Stuttgart ggf. für neue innovative Verkehrskonzepte im ländlichen Raum einsetzen würden.
(Konzepte und Modellprojekte hierfür gib es bereits in anderen Bundesländern, und Baden-Würtemberg gilt ja eigentlich als Innovationsregion- warum also nicht auch auf diesem Gebiet?)

Wie stehen Sie zu dem immer größer werdenden Flächenverbrauch für Industrie, Strassenbau und Gewerbe der in unserer Region eigentlich immer auf Kosten von landwirtschaftlicher Nutzfläche geht?
Muss man Ihrer Meinung nach als Landwirt nun möglichst noch höhere Erträge mit Hochleistungssaatgut aus der Chemiefabrik, Kunstdünger- und Pestizideinsatz pro Quadratmeter erwirtschaften um diesen Flächenverbrauch zu kompensieren?

Ist Ihrer Meinung nach ein Freihandelsabkommen mit den USA/Kanada zu befürworten oder stehen sie dem kritisch gegenüber?
Zum Abschluss würde ich gerne noch Ihre Meinung zur Energiepolitik wissen. Stehen Sie ein für naturverträglichen Ausbau von Solar- und Windenergie in Baden Württemberg? Wie stehen Sie zu Enegiesparmassnahmen in der Industrie, dem grössten Verbraucher? Sollen Ihrer Meinung nach weiterhin Grossverbraucher mit Sonderbilligtarifen und Subventionen mit Energie versorgt werden, oder sollte Ihrer Meinung nach auch die Industrie in die Pflicht genommen werden, Einsparpotentiale zu suchen und zu nutzen?

Víelen Dank
VS

Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schlossbauer,

vielen Dank für Ihre Anfrage bei abgeordnetenwatch. Bitte entschuldigen Sie meine verspätete Antwort. Natürlich nehme ich gerne im Einzelnen zu Ihren Fragen Stellung.

Zum Thema Verkehr:
Baden-Württemberg braucht eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur für seine Menschen und seine Wirtschaft. Darum haben wir den Sanierungsstau der Vorgängerregierung beendet und investieren kräftig in den Erhalt und Ausbau der Schienen- und Straßeninfrastruktur. Wir bauen den öffentlichen Personennahverkehr, die Schieneninfrastruktur im Land und das Radwegenetz aus und schaffen die rechtlichen Voraussetzungen für „shared-space“. Gleichzeitig fördern wir eine bessere Vernetzung von Raum- und Verkehrsplanung, um dadurch einerseits Staus und andererseits die Landschaftszersiedelung einzudämmen. Wir wollen mehr Verkehr und Güter von der Straße auf die Schiene bringen. Unabdingbar hierzu ist die Unterstützung von Kommunen und Logistikunternehmen, um den kombinierten Verkehr fördern. PKW, Busse und Bahnen, Carsharing und E-Bikes sind keine Gegensätze, sondern Fortbewegungsmittel, die künftig sinnvoll verknüpft werden müssen. Aber nicht überall sind Busse und Bahnen das beste Angebot vor Ort. Deshalb haben wir die Unterstützung über den klassischen ÖPNV hinaus erweitert und die Förderung von neuen ergänzenden Angeboten wie z.B. von Bürgerbussen institutionalisiert. Mit der Landesinitiative E-Mobilität II mit einem Fördervolumen von 50 Millionen Euro wurden wichtige Projekte, nicht zuletzt für Verbesserungen bei der öffentlich zugänglichen Versorgungsinfrastruktur, angestoßen. Neben der Verfügbarkeit von Fahrzeugen ist dies eines der zentralen Hindernisse für den flächendeckenden Erfolg der E-Mobilität. Im Nachtragshaushalt 2015/16 wurden 30 Millionen Euro zusätzlich im Bereich der Digitalisierung eingestellt, darin enthalten sind auch Maßnahmen für die Mobilität der Zukunft. Diese Politik wollen wir in Zukunft fortführen.

Zum Thema Flächenverbrauch und Folgen für die Landwirtschaft: Grundsätzlich braucht das wirtschaftlich starke Baden-Württemberg auch eine starke Infrastruktur, um hier in Zukunft weiterhin weltweit ganz vorne dabei zu sein. Für den Ausbau der Infrastruktur braucht man natürlich auch Fläche. Doch das besondere Augenmerk muss hier auf Ausgeglichenheit und Nachhaltigkeit liegen. Eine nachhaltige Flächenhaushaltspolitik dient nicht nur der Natur, sondern auch der Biodiversität, der Kulturlandschaft Baden-Württembergs und der Lebensqualität – ich denke, dass jeder, der schon einmal neben einer Schnellstraße oder einer Fabrik gelebt hat, mit da zustimmen wird. Darüber hinaus ist es aber auch eine Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg, wenn wir nicht ohne nachzudenken eine neue Straße und einen Ausbau nacheinander starten. Einerseits führt dies, wie unter den 58 Regierungsjahren der CDU, zu einem immer größer werdenden Investitionsstau. Zum anderen hat eine hohe Auslastung schon bestehender Infrastruktur viele positive Effekte. Die Instandhaltung ist kostengünstiger, als immer weiter neu zu bauen. Die Wege und die Grundversorgung für die Bürgerinnen und Bürger sind kürzer und besser, wenn schon bestehende Strukturen saniert werden oder leere Flächen beispielsweise in der Stadt als erstes erschlossen werden, bevor die Wiesen im Umland bebaut werden. Als Landwirt ist es sicherlich schwierig, hier einen guten Weg zu finden, um dies zu kompensieren. Auch ich komme vom Land, kenne die Probleme aus eigener Erfahrung. Darum finde ich es sehr gut, dass sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2020 die Neuinanspruchnahme von Flächen auf 30 Hektar pro Tag zu beschränken. Auch hier in Baden-Württemberg ist die Reduzierung des Flächenverbrauchs von grün-rot als klares Ziel definiert worden, sowohl im Umweltplan des Landes als auch im aktuellen Landesentwicklungsplan.

Zum Thema TTIP/CETA:
Grundsätzlich stehe ich Freihandelsabkommen im Allgemeinen und TTIP und CETA im speziellen positiv gegenüber. Gemeinsame Spielregeln in der Weltwirtschaft sind besser als keine Regeln – das wissen wir nicht erst seit der Finanz- und Wirtschaftskrise. Es ist unser ureigenes Interesse, dass die Globalisierung gute demokratische Regeln bekommt! Zu diesen tragen Freihandelsabkommen bei - wenn man sie richtig ausgestaltet. Aber natürlich sehe ich die viele Kritik, die sich nun speziell an TTIP entzündet und kann sie bis zu einem gewissen Punkt verstehen. Auch ich finde, dass es Nachbesserungen bei den Schiedsgerichten bedarf. Außerdem steht für mich als Sozialdemokrat außer Frage, dass unsere Sozial-, Sicherheits- und Lebensmittelstandards nicht durch die Abkommen untergraben werden dürfen, weder im Bezug auf TTIP noch durch ein anderes Abkommen. Wenn dies aber gewährleistet ist, dann bin ich von Freihandelsabkommen überzeugt. Alleine durch TTIP entsteht die größte Freihandelszone der Welt, in der 800 Millionen Menschen leben. Die USA ist der wichtigste Exportpartner von Baden-Württemberg, eine solche Freihandelszone bietet die Chance, Impulse für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft bei uns, aber auch in ganz Deutschland, der EU sowie den USA zu geben. So entsteht auch die Möglichkeit, die Rolle Europas und unsere hiesigen Standards – etwa beim Verbraucherschutz und der Schaffung von fairen und nachhaltigen Handelsregeln – weltweit zu etablieren. Ich bin der 100%igen Überzeugung, solch eine Chance sollten wir nutzen!

Zum Thema Energiepolitik:
Zum Thema Energiepolitik wollen wir insbesondere die Windkraftnutzung und die Photovoltaik massiv weiter ausbauen. Wir halten es für sinnvoll und wünschenswert, dass die Windenergie bis zum Jahr 2020 zu etwa 10 % zur Stromerzeugung beiträgt, langfristig jedoch auch zu weitaus höheren Anteilen. Beim Ausbau der Windkraft ist in 2015 endlich ein starker Anstieg zu verzeichnen, nachdem zuvor die Regionalverbände und Kommunen erst ihre Flächennutzungspläne, bzw. Teilpläne für die Windenergievorranggebiete erstellen mussten. Jetzt aber ist mit einem zügigen Ausbau von jeweils weit über 100 Anlagen im Jahr zu rechnen, diesen Trend wollen wir befördern. Zurzeit sind über 130 Anlagen im Bau und über 200 im Genehmigungsverfahren. Dazu stellt unter anderem das Land eigene Flächen, vor allem im Wald, zur Verfügung. Zudem wird durch Hinweise zum Artenschutz und anderen Fragen ständig daran gearbeitet, den Investoren und Planern ihre Arbeit zu erleichtern. Der Ausbau der Photovoltaik hängt vor allem an den bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen (EEG), jedoch befördert das Land auch hier durch eigene Investitionen und Bereitstellung von Flächen den Ausbau. Zudem setzen wir uns auf Bundesebene für einen erleichterten/ besser geförderten Ausbau von Freiflächenanlagen ein. Mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz haben Grüne und SPD dafür gesorgt, dass künftig bei immer mehr Gebäudesanierungen und Heizungsaustausch auch Erneuerbare Energie zum Zuge kommt. Wir müssen den nachhaltigen Umbau unseres Energiesystems konsequent fortsetzen. Dabei gilt: Die Balance des energiepolitischen Dreiecks – Ausbau von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, Versorgungssicherheit, bezahlbare Energiepreise für alle, muss stets gewahrt werden. Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität können nur dann gesichert werden, wenn die Energieversorgung nicht nur umweltpolitisch nachhaltig, sondern auch zu wettbewerbsfähigen Preisen möglich und langfristig sicher ist. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie darf nicht durch steigende Energiepreise gefährdet werden. Dazu hat die Industrie ihr Energieeinsparungspotenzial auszureizen. Die in der Industrie für die Zukunft angestrebte Verbrauchseinsparungen– bis zum Jahr 2020 um 20 % gegenüber 2010 – zielen auf den vollständigen Ersatz von Mineralöl, eine deutliche Reduktion des Kohle- und des Erdgasanteils bei paralleler Ausweitung des Einsatzes erneuerbarer Energien ab. In Sachen Anreize und Abgaben ist wie beim Emissionshandel ein europäischer Rahmen wünschenswert, um zu verhindern, dass sich die Mitgliedsstaaten bei den Energiekosten als Standortfaktor unterbieten. Konkret haben Grüne und SPD im Land als eine Maßnahme in die Energiedienstleistung Contracting eingeführt. Im Rahmen der Contracting-Offensive Baden-Württemberg wurden hierzu alle notwendigen Akteure an einen Tisch geholt. Ziel ist es, Angebot und Nachfrage bezüglich der Vermeidung unnötiger Energieverbräuche und einer möglichst rationellen und effizienten Verwendung der eingesetzten Energieträger in Übereinstimmung zu bringen, um mit maßgeschneiderten und auf die einzelnen Zielgruppen ausgerichteten Contracting-Lösungen die Maßnahmenumsetzung anzukurbeln. Zu diesen Zielgruppen zählen auch Industrie und Gewerbe.

Freundliche Grüße

Stefan Gretzinger