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Frage von Florian K. •

Frage an Ruprecht Polenz von Florian K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Polenz,

ich richte meine Frage an Sie als Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses.
Das Kosovo wurde von der BRD als unabhängiger Staat anerkannt.
Die fast ausschließlich von Serben bewohnten Großgemeinden im Norden, nämlich Leposaviq, Zveçan und Zubin Potok lehnen eine Zugehörigkeit zum Kosovo entschieden ab.

Warum zwingt man die Serben dieser Gebiete in einen Staat eingegliedert zu werden, dem sie nicht angehörigen wollen?

Aus welchem Grunde ist es nicht möglich, das Kosovo zu trennen, um den kosovarischen Norden bei Serbien zu belassen und ausschließlich den mehrheitlich von Albanern bewohnten Südteil als unabhängigen Staat anzuerkennen?

Vielen Dank für Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen

Florian Kirchhoff

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kirchhoff,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 5. Oktober.

Die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo war nur die beste unter vielen schlechten Möglichkeiten. Es wäre zu bevorzugen gewesen, hätten sich Albaner und Serben einigen können.
Trotz jahrelanger Verhandlungsbemühungen, zunächst bei Direktgesprächen zwischen Belgrad und Pristina unter dem UN-Sondervermittler Ahtisaari und später unter der Vermittlung der Troika - bestehend aus Vertretern Russlands, der USA und der Europäischen Union - konnte jedoch keine einvernehmliche Verhandlungslösung erzielt werden.
Für die meisten Kosovo-Albaner ist die Unabhängigkeit heute ein Grund zur Freude. Sie haben aber Recht, dass sie bei der serbischen Minderheit Sorgen auslöst.
Das Staatsgebiet eines neu entstandenen Staates Kosovo erstreckt sich innerhalb der gegenwärtig bestehenden Grenzen auf das gesamte kosovarische Territorium und umfasst insofern auch den serbisch dominierten Norden. Eine Teilung des Kosovo im Sinne einer Sezession des vor allem von Serben bewohnten nördlichen Teils kommt aus mehreren Gründen nicht in Frage.

Laut dem so bezeichneten "uti-possidetis-Grundsatz", welchen der Internationale Gerichtshof als allgemeines, mit der Erlangung der Unabhängigkeit eines Staates logisch verbundenes Prinzip bezeichnete, gilt im Moment der Erlangung der Unabhängigkeit eines Staates die Wahrung der Territorialgrenzen.

Laut Völkerrecht wird ein Sezessionsrecht - also das Recht eines Teilgebietes, sich aus dem bestehenden Staatsverband zu lösen, um einen eigenen Staat zu gründen oder sich einem anderen Staat anzuschließen - als ultima ratio in Ausnahmesituation anerkannt. Voraussetzung eines Sezessionsrechts der in einem neu entstandenen Staat Kosovo lebenden Serben wäre somit nach dem Völkerrecht das Vorliegen einer zur Sezession berechtigenden Ausnahmesituation, wie etwa eine evidente und eklatante Verletzung fundamentaler Menschenrechte. Eine solche Ausnahmesituation liegt derzeit nicht vor.
Im Gegenteil: die Verfassung des Kosovo sichert den Schutz der Serben und anderer Minderheiten, sowie erheblich Autonomierechte im lokalen Bereich zu. Solange das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes z.B. durch Gewährung einer Autonomie oder eines föderalen Aufbaus des Staatsgebietes entsprechend den Siedlungsgebieten seiner Völker bzw. Volksgruppen beachtet wird - wie es im vorliegenden Fall zutrifft -, kann das Selbstbestimmungsrecht nicht in ein Recht auf Sezession münden.
Mit freundlichen Grüßen,

Ruprecht Polenz