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Frage von Gabriele S. •

Frage an Rudolf Seidel von Gabriele S. bezüglich Energie

Lieber Rudolf Seidel,
Du hast beim SRW-Check angekreuzt, dass Du eher dafür bist, Verbrennungsmotoren auf Dauer beizubehalten.
Dass es eine Übergangsphase zum E-Auto braucht, ist klar. Aber warum auf Dauer beibehalten? Stoßen Verbrennungsmotoren nicht auf jeden Fall Schadstoffe aus - CO2, ggf. CO, NOx? Und selbst bei Verwendung von Wasserstoff (weniger effizient) können Stickoxide entstehen.

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Liebe Gabriele Stief,

vielen Dank für die Frage nach den Verbrennungsmotoren, die ja in der Bevölkerung und auch in unserer Partei kontrovers diskutiert wird.

Das abgefragte Statement im SWR-Kandidatencheck lautete: „E-Autos und alternative Antriebstechniken sind wichtig, aber die Produktion von Verbrennungsmotoren mit herkömmlichen Kraftstoffen muss auf Dauer möglich bleiben.“

Meine Antwort war: „Ich stimme eher zu.“

Zunächst einmal zum Statement selbst: Die Formulierung ist nicht ganz sauber.

„Produktion“ ist nicht näher definiert. Wird da die Baden-Württembergische, die deutsche oder die weltweite Produktion gemeint?

Man kann nicht Verbrennungsmotoren mit herkömmlichen Kraftstoffen, sondern allenfalls für herkömmliche Kraftstoffe produzieren.

Unter „herkömmlichen“ Kraftstoffen sind vermutlich fossile Kraftstoffe gemeint.

Sind da PKW-Motoren oder alle Motoren, also auch Rasenmäher, LKW, Baumaschinen, Lokomotiven, Schiffe usw. gemeint.

In dem angebotenen Statement wird die Produktion angesprochen, in der politischen Debatte befindet sich aber die Frage, ob ab einem bestimmten Stichtag im Zuständigkeitsbereich der Regierung nur noch PKW ohne Verbrennungsmotor zugelassen werden sollen. Auf die lokale Produktion hat das nur sekundären Einfluß.

Deshalb versuche ich mal, zwischen den Zeilen die vermutlich gemeinte Botschaft zu interpretieren und positioniere mich wie folgt:

Ich bin dafür, dass verbrennungsmotorisch angetriebene PKW auch in Zukunft bei uns zugelassen werden.
Ich bin dagegen, dass diese mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden.

Begründung:

Bei den Verbrennungsmotoren ist ja nicht die Maschine das Problem, sondern der Kraftstoff. Man kann grundsätzlich mit jedem brennbaren Gas und mit jeder brennbaren Flüssigkeit, die sich fein zerstäuben läßt, Verbrennungsmotoren betreiben. Man kann z. B. auch mit gebrauchtem Frittenfett von den Frittenbuden oder mit dem Fett aus Schlachtabfällen Auto fahren. Nach dem 2. Weltkrieg wurden sogar Holzvergaser an LKW angebaut und zum Antrieb genutzt. In kürzester Zeit alles auf Elektromobilität umzustellen ist wirtschaftlich und technisch nicht möglich. Wo soll denn der ganze Strom, das Lithium für die Akkus und das Kupfer für die Motoren herkommen? Wir brauchen überall, auch in der Technik, die Vielfalt. Ausgerechnet diejenigen, die immer über Biodiversität schwadronieren, predigen jetzt die technische Monokultur.

Vordringlichst müssen wir uns natürlich bemühen, das Verkehrsaufkommen drastisch zu reduzieren. Das geht durch Effektivierung der Logistik bei gleichzeitiger Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse. Mehr öffentliche Verkehrsmittel, die im ländlichen Raum nicht nur Personen, sondern auch (für die bessere Auslastung) Waren transportieren. Wie es bei uns früher die Postbusse erledigten. Langstreckengüter auf die Schiene oder, soweit vorhanden, auf die Wasserstraßen. Neue Siedlungspolitik. Baugebiete dürfen nur noch da erschlossen werden, wo ein Leben ohne Auto möglich ist. Gleisanschlüsse an die Industriegebiete.

Weitere Maßnahmen: Eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe, die die Folgekosten des fossilen CO2 repräsentiert und mit deren Hilfe man die neue Infrastruktur aufbauen kann. Mindestens 200,-/to CO2-Äquivalent. Befreiung der biogenen Kraftstoffe von der Mineralölsteuer, die inzwischen umbenannt wurde in Energiesteuer. Wasserstoff wird irgendwann auch kommen. Vor 30 Jahren hieß es, in 20 Jahren wäre es soweit. Jetzt ist er immer noch nicht da. Ich glaube das erst, wenn er tatsächlich in nennenswertem Umfang zur Verfügung steht.

Zunächst ein Plädoyer für biogene Kraftstoffe:

An biogenen Kraftstoffen haben wir in kürzester Zeit Biogas und Pflanzenöl zur Verfügung. Diese sind aber durch entsprechende Imagekampagnen von interessierten Kreisen sowie Fehlinformationen von z. B. auch Kirchen und der sogenannten deutschen „Umwelthife“ in Verruf geraten. Die diskutierten Fragen:

Woher soll die ganze Biomasse kommen?

Natürlich können wir nicht den ganzen aktuell verbrauchten fossilen Kraftstoff durch Ackerpflanzen ersetzen. Deshalb müssen wir die o.g. Effektivierung vorantreiben und die Verschwendung beenden. Wir müssen das Verkehrsaufkommen soweit reduzieren, dass Stop-and-go-Verkehr vermieden wird. Und die zunehmende Elektromobilität leistet auch noch einen wesentlichen Beitrag.

Unsere Landwirte stöhnen unter dem Preisdiktat der Großhandelsketten und wir sollen weniger Fleisch essen. Wenn die Landwirte eine lukrative Alternative haben satteln sie um, die Preise werden wieder erzeugergerecht und es wird weniger Fleisch verkauft.

Je nach Statistik landet bis zur Hälfte unserer Lebensmittel auf dem Weg vom Acker in den Teller auf dem Müll.

Kompostanlagen müssen weitestgehend durch Biogasanlagen ersetzt werden.

Konkurrenz Tank - Teller

Der Hunger in der Welt existiert nicht deshalb, weil wir hier in Deutschland zu wenig Lebensmittel produzieren. Der Hunger in der Welt basiert auf ungerechter Eigentumsverteilung, geopolitischen und weltwirtschaftlichen Interessen, korrupten Regimen und mangelhafte Landwirtschaftliche Ausbildung.

Palm- und Sojaöl aus abgeholzten Regenwaldflächen

Wir verdanken unseren Wohlstand auch wesentlich dem fossilen CO2, das wir all die Jahre in die Luft geblasen haben, und wir verlangen von den Staaten im Regenwaldgürtel, dass sie zum Nulltarif dieses CO2 wieder aus der Luft holen. Das kann natürlich nicht funktionieren. Wir müssen den Regenwaldstaaten eine Abgabe zahlen, so dass für diese der Erhalt des Regenwaldes mindestens genau so lukrativ ist wie das Abholzen. Außerdem sorgen internationale Freihandelsabkommen dafür, dass umweltschädlich produzierte Produkte auf unserem Markt (trotz Transport) billiger angeboten werden können als die heimischen Produkte. Das muß aufhören.

Mais- und Rapsmonokulturen

Beim Biogas gibt es einen stetig sinkenden Maisdeckel und Pflanzenöl kann man nicht nur aus Raps herstellen. Es ist alles eine Frage der Vergütung. Diese muß so angepaßt werden, dass Biodiversität gefördert wird.

Unterm Strich bleibt festzustellen, dass wir wieder lernen müssen, von dem zu leben, was uns die Erdoberfläche beschert. Das betrifft nicht nur Nahrung, sondern auch Energie und Rohstoffe. Volkswirtschaftlich rechnet sich das dadurch, dass wir die Preise für Importwaren wie Erdöl und Erdgas sparen und die zugehörige Kaufkraft im Land bleibt.

Nun zu den Schadstoffen:

Wir müssen unterscheiden zwischen Stadt und Land. Die Oberflächen in den deutschen Großstadtzentren bestehen hauptsächlich aus Beton, Glas und Asphalt. Warum werden die Betonflächen nicht begrünt. Begrünte Oberflächen sorgen für ein besseres Stadtklima, mehr Luftfeuchtigkeit an heißen Tagen, nehmen CO2, Co und NOx auf und binden den Feinstaub. Seit 13 Jahren gibt’s die Feinstaubplakette. Aber anstatt ihre Innenstädte zu begrünen (was in der Landesbauordnung vorgeschrieben werden könnte) wurden nur die Autofahrer drangsaliert und zum Neukauf von Autos genötigt (was ja bei der Produktion auch wieder mit Umweltbelastungen verbunden ist), anstatt ihnen attraktive Alternativen anzubieten (z. B. ÖPNV oder Lieferdienste).

Auf dem Land spielen die Schadstoffe eine untergeordnete Rolle.

Wir dürfen nicht Großstadtprobleme auf dem Land lösen wollen.

Die Anreicherung von CO2 in der Luft vermeiden wir, indem wir auf fossile Brennstoffe verzichten, und diese durch Einsparung, Elektromobilität und biogene Kraftstoffe ersetzen.

Liebe Gabriele Stief, ich hoffe, ich habe deine Frage erschöpfend beantwortet, ansonsten bitte nachfragen.

Viele Grüße aus dem Bauerndorf in die Großstadt

Rudi Seidel

"Jede Sache hat drei Seiten - eine positive, eine negative und eine komische!"
(Karl Valentin)

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