Frage an Omid Nouripour von Berthold F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Nouripur,
Ihnen dürfte bekannt sein, dass ein Flugsicherungsgesetz vorbereitet wird und die DFS privatisert werden soll.
Den Entwurf (siehe http://www.fluglaerm-eppstein.de/cgi-bin/BuReg_050707_Flugsicherheitsgesetz(Entwurf).pdf ) habe ich mir angeschaut und dabei Erschreckendes festgestellt. Soweit es sich mir erschließt, wird die Flugverfahrensplanung, die die DFS auch künftig betreiben darf, weder staatlicher Aufsicht noch Weisung unterliegen
(der entsprechende Satz in §27c LuftVG wird ersatzlos gestrichen); da der
Schutz vor Lärm sich auf unzumutbarem Fluglärm beschränken soll (Leq3 >65
dB(A)?). Da es keinerlei Grenzwerte und Verordnungen gibt, wie Lärm zu
berücksichtigen ist, stützen sich die Behörden bei der Bestimmung der Unzumutbarkeit erfahrungsgemäß auf von der Luftfahrt bezahlten lärmmedizinischen Gefälligkeitsgutachten, in denen sehr hohe Werte der Zumutbarkeit genannt werden. Somit läuft der Entwurf auf einen Freibrief zur Planung
nahezu beliebig lauter Verfahren und großflächiger Verlärmung flughafennaher Regionen hinaus. Mir scheint, dass die DFS sogar einen Rechtsanspruch auf die Festsetzung von ihr gewünschter Verfahren
bekommen würde; die gesetzlich vorgesehenen Effizienzvorgaben wären für
die DFS ein gutes Argument, ihre Vorstellungen durchzudrücken.
Wie wollen Sie künftig gewährleisten, dass die Fluglärmschutzbelange gerade in unserer Region, die zwar erheblich, aber nicht unzumutbar im Sinne der Gefälligkeitsgutachter belastet ist, gewahrt werden? Werden Sie dafür eintreten, dass künftig die Behörden die Bürger nicht nur vor unzumutbarem Fluglärm schützen sollen, sondern auch vor geringerem? An diesem einem Wort "unzumutbarem" in §29 Abs.(2) LuftVG ist übrigens die TABUM-Klage vor dem BVerwG gescheitert. Werden Sie dafür eintreten, dass Bürger im Sinne der Europäischen Verfassung vor einer Flugroutenänderung gehört werden müssen?
Berthold Fuld
Sehr geehrter Herr Fuld,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Flugsicherungsgesetz bzw. Fluglärmschuz.
Es gibt in der Tat einen gemeinsamen Beschluss aller Fraktionen des Bundestages (und diverse Anträge aller Fraktionen) vom Juni 2004, die Kapitalprivatisierung der deutschen Flugsicherungs GmBH zu ermöglichen. Notwendig wird diese Änderung des Ordnungsrahmens als Anpassung an die europäischen Vorgaben der EU-Verordnung mit dem Namen SES "Single European Sky". Diese setzt den Rahmen für alles rund um die Flugsicherungsdienste, Luftraumorganisation und Interoperabilität in Europa. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung ist derzeit auf grund der vorgezogenen Neuwahlen in der Warteschleife.
Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Fluglärmgesetzes ist im Juni in das Kabinett eingebracht worden, allerdings wird sich auch diese Umsetzung aufgrund der aktuellen Ereignisse verzögern. Die Novelle sieht einen verstärkten Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Fluglärm vor und berücksichtigt auch das von Ihnen angesprochenen Mitspracherecht der Menschen bei der Änderung von Flugrouten. Die Kernpunkte der Novelle sind im Einzelnen:
Erweiterter Anwendungsbereich: Das Gesetz gilt künftig für alle Verkehrsflughäfen, darüber hinaus auch für die großen Verkehrslandeplätze, wo Linien- oder Charterverkehr stattfindet und an denen mehr als 25.000 Starts und Landungen im Jahr erfolgen. Für eine Vielzahl von Flugplätzen müssen nach Inkrafttreten Lärmschutzbereiche ausgewiesen werden. Neben den zivilen Verkehrsflugplätzen erfasst der Gesetzentwurf auch die militärischen Flugplätze, an denen Flugzeuge mit Strahltriebwerken stationiert sind, und erstmals auch die Flugplätze der Bundeswehr und der Alliierten, an denen schwere propellergetriebene Transportflugzeuge mehr als 25.000 Starts und Landungen im Jahr durchführen.
Schärfere Grenzwerte: Kern der Modernisierung ist eine deutliche Absenkung der Grenzwerte für die Lärmschutzzonen, die Neuregelung zielt auf eine stärkere Harmonisierung mit den bestehenden Lärmschutzstandards beim Neu- und Ausbau von Straßen und Schienenstrecken. Nach dem alten Fluglärmgesetz von 1971 besteht ein Anspruch auf baulichen Schallschutz für Wohnungen im Flugplatzumland erst, wenn der Fluglärm einen Mittelungspegel über 75 dB hervorruft. Der Gesetzentwurf sieht Grenzwerte für die Tag-Schutzzone 1 vor die 10 dB(A) darunter liegen.
Nachtschutzzone: Erstmals sollen für Flughäfen mit relevantem Nachtflugbetrieb auch Nacht-Schutzzonen festgelegt werden, deren Kontur sich ausschließlich nach der nächtlichen Fluglärmbelastung bestimmt. Ziel dieser Neuregelung ist es, die von Nachtfluglärm betroffenen Menschen vor gesundheitsrelevanten Schlafstörungen zu schützen. Dazu soll ein Anspruch auf belüfteten Schallschutz für Schlafräume bestehen, wenn der nächtliche Fluglärm einen bestimmten Mittelungspegel überschreitet; für wesentliche Ausbauvorhaben von Flughäfen soll wiederum ein strengerer Wert gelten.
Übersicht Lärmgrenzwerte der Schutzzonen Gesetzentwurf Novelle Fluglärmgesetz 2005
1. Neue oder wesentlich baulich erweiterte zivile Flugplätze
Tag-Schutzzone 1: LAeq Tag = 60 dB(A),
Tag-Schutzzone 2: LAeq Tag = 55 dB(A),
Nacht-Schutzzone
a) bis zum 31.12.2010: LAeq Nacht = 53 dB(A), LAmax = 6 mal 57 dB(A),
b) ab dem 01.01.2011: LAeq Nacht = 50 dB(A), LAmax = 6 mal 53 dB(A),
2. Bestehende zivile Flugplätze
Tag-Schutzzone 1: LAeq Tag = 65 dB(A),
Tag-Schutzzone 2: LAeq Tag = 60 dB(A),
Nacht-Schutzzone : LAeq Nacht = 55 dB(A), LAmax = 6 mal 57 dB(A),
3. Neue oder wesentlich baulich erweiterte militärische Flugplätze
Tag-Schutzzone 1: LAeq Tag = 63 dB(A),
Tag-Schutzzone 2: LAeq Tag = 58 dB(A),
Nacht-Schutzzone
a) bis zum 31.12.2010: LAeq Nacht = 53 dB(A), LAmax = 6 mal 57 dB(A),
b) ab dem 01.01.2011: LAeq Nacht = 50 dB(A), LAmax = 6 mal 53 dB(A),
4. Bestehende militärische Flugplätze
Tag-Schutzzone 1: LAeq Tag = 68 dB(A),
Tag-Schutzzone 2: LAeq Tag = 63 dB(A),
Nacht-Schutzzone : LAeq Nacht = 55 dB(A), LAmax = 6 mal 57 dB(A),
LAeq: Mittlungspegel am Tag (6.00 Uhr bis 22.00 Uhr)
LAeq: Mittlungspegel in der Nacht (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr)
LAmax: Maximalpegel durch einzelne Überflüge
Zum Vergleich: Fluglärmgesetz 1971: Schutzzone 1 75 dB(A), Schutzzone 2
67 dB(A)
Weitere Neuerungen:
- berücksichtigt werden auch vorübergehende Belastungen der Anwohner beim Wechsel der Flugrichtungen (aufgrund von Sanierungs- und Baumaßnahmen oder Witterung); Maßstab ist jetzt die Realverteilung der Flüge plus 2 Sigma am Tag und plus 3 Sigma in der Nacht (Mittelwert der tatsächlichen Flugbewegungen je Richtung plus dreimal die Standardabweichung);
- Vorgaben für Bauverbote und Siedlungsbeschränkungen (allerdings wurden hier zahlreiche Ausnahmeregelungen geschaffen);
- Stärkung der Bürgerbeteiligung (umfassende Information über Lärmdaten, Einbindung in Entscheidungsprozesse);
- Ausbau der Auskunfts- und Berichtspflichten der Flughafenbetreiber (Auskunft über Lärmdaten, Lärmkarten und Flugrouten resp. Flugroutenplanung gegenüber den zuständigen Landesbehörden, Information/ Benehmen mit dem Umweltbundesamt).
Mit freundlichen Grüßen,
Omid Nouripour