Frage an Nicole Wockenfuß von Michael P. bezüglich Kultur
Hallo Frau Wockenfuß,
halten Sie den öffentlich-rechtliche Rundfunk im Jahr 2013 mit seinen 22 Fernsehsender, 67 Radioprogramme und diversen Auftritten im Internet noch für gerechtfertigt ? Und wenn ja, so wichtig, dass nun (mit wenigen Ausnahmen) alle Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Verbände ab dem 01.01.2013 mit ihren (Zwangs-) Beitrag von 17,98 EURO im Monat dafür fast 8 Milliarden EURO im Jahr aufbringen müssen ?
Gruß
Michael Paul
Sehr geehrter Herr Paul,
hier meine Antwort zu Ihrer Frage.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Wockenfuß
Bündnis 90/Die Grünen unterstützen den Systemwechsel von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag zum 01. Januar 2013. Der Rundfunkbeitrag wird nicht mehr nach Geräten berechnet, sondern pro Haushalt (deshalb wird auch vom Haushaltsbeitrag gesprochen). Es ist dabei unerheblich, wer mit wem zusammenwohnt. Aufwändige Nachfragen und Schnüffeleien der GEZ vor Ort, ob und welche Geräte vorhanden sind und wer diese bereithält, sind damit zukünftig nicht mehr notwendig.
Die jetzige Rundfunkgebühr ist veraltet und hat ein Akzeptanzproblem: zum einen wegen der Schnüffelmethoden der GEZ, aber auch, weil immer neue rundfunkfähige Geräte, zum Beispiel Smartphones, auf den Markt kommen, für die gezahlt werden soll. Dieser Entwicklung wird die jetzige Gebühr nicht gerecht. Kern der Reform ist der Wechsel von einer Rundfunkgebühr pro Gerät zu einer einem Rundfunkbeitrag pro Wohnung/Haushalt. Damit zahlt im Prinzip jeder private Haushalt die gleiche Gebühr - egal, wie viele und welche Geräte vorhanden sind.
Wir unterstützen den Ansatz des neuen Beitrags, der eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Programms und allem, was damit verbunden ist (siehe unten), durch die gesamte Gesellschaft vorsieht. Denn die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks basiert auf einem Solidarmodell, zu dem alle finanziell beitragen - unabhängig davon, ob und wie sie das Angebot persönlich nutzen. Durch diese solidarische Finanzierung ist es möglich, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen und auch Sendungen oder Filme für Minderheiteninteressen zu produzieren, die nicht dem Massengeschmack entsprechen und die sonst aus Kostengründen nicht realisierbar wären.
Die Neuregelung des Rundfunkbeitrags wurde 2010 durch Professor Kirchhof rechtlich geprüft. Danach wurde das Modell von den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Bundesländer im 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RfÄStV) 2011 in einen Gesetzestext gegossen und von den Landesparlamenten verabschiedet.
Die monatliche Höhe der Gebühr wird nicht willkürlich festgelegt, sondern von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Dazu melden die Rundfunkanstalten der KEF ihren Bedarf an. Diese, wegen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Staatsferne des Rundfunks, unabhängige Kommission prüft die Vorlagen. Dabei macht die KEF den Rundfunkanstalten mitunter auch Sparvorgaben. Wenn die KEF den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten ermittelt hat, wird auf dieser Basis die Höhe der Rundfunkgebühr errechnet.
Für die meisten Bürgerinnen und Bürger ändert sich nichts, bei über 90 Prozent bleiben die Kosten wie bisher, sie zahlen genauso viel. Einige zahlen sogar weniger als heute, zum Beispiel Wohngemeinschaften und unverheiratete Partnerinnen und Partner, auch wenn mehrere Geräte in ihrer Wohnung vorhanden sind.
Wir sind der Auffassung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein öffentliches unverzichtbares Gut ist, das einen elementaren Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung darstellt und damit der gesamten Gesellschaft einen Dienst leistet. Er ist ein Solidarmodell, zu dem fast alle finanziell beitragen. Gerade im Vergleich mit dem Programmangebot in anderen Ländern wird deutlich, dass die Qualität bei ARD und ZDF hoch ist. Deshalb unterstützen wir, dass jeder Haushalt dazu einen Beitrag leistet Es gibt Dinge, die der gesamten Gesellschaft nutzen und deshalb auch von allen finanziert werden, denen es finanziell möglich ist. Wir unterstützen daher auch dieses Solidarsystem.
Mit dem Rundfunkbeitrag wird bei weitem nicht nur das öffentlich-rechtliche Programm finanziert: Neben Sendungen in Radio, Fernsehen (mit sämtlichen digitalen Spartenkanälen) oder Internet finanziert der Rundfunkbeitrag die Landesmedienanstalten, die für die Regulierung privater Rundfunkanbieter, den Jugendmedienschutz, Medienkompetenzprojekte und Bürgermedien, wie die offenen Kanäle. Auch nicht zu vergessen: Ein Anteil des Rundfunkbeitrags fließt in die jeweiligen Landesfilmförderungen. Die wenigsten deutschen Filme, ob im Kino oder im Fernsehen, würden ohne diese Förderung existieren. Hinzu kommen die Orchester und Chöre der Rundfunkanstalten, die zum Teil Weltklasse haben. Der Rundfunkbeitrag ist also mehr als eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radio-Programms, er ist ein Kulturbeitrag.
Der neue Rundfunkbeitrag soll die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks langfristig stabilisieren, aber ihnen keine Mehreinnahmen bescheren. Sollten die Einnahmen steigen, wird die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) auf Basis dieser Ergebnisse empfehlen, die Höhe des Rundfunkbeitrags zu senken.