Frage an Nadja Hirsch von Heribert K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Hirsch,
ich richte mich mit folgenden Fragen an Sie:
1. Sind Sie für den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den USA?
2. Sind Sie dafür, dass im Rahmen des Abkommens nicht ordentliche Gerichte mit Rechtstreitigkeiten befasst werden, sondern Schiedsgerichte der WTO?
3. Finden Sie es richtig, in Vertragsverhandlungen einzutreten, bei denen die Auswirkungen des Vertrages (Implications)beispielsweise im landwirtschaftlichen Bereich (Stichwort "Genfood") gutachtlich noch nicht bekannt sind und voraussichtlich erst im November 2014 - möglicherweise erst nach Vertragsabschluss - bekannt werden?
4. Finden Sie es richtig, dass die EU die Krümmung der Gurke, die Lagerung von Käse und ähnliche Dinge reglementiert und mit dem Freihandelsabkommen möglicherweise einen Scheunentor für den Import von Genprodukten öffnet?
5. Finden Sie es auch richtig, dass die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen?
Da Sie sich sicherlich in anstrengenden Wahlkampfvorbereitungen befinden, würde mir ein einfaches Ja oder Nein zu den gestellten Fragen genügen. Die gleichen Fragen habe ich auch an Ihre bayerischen Kollegen und Kolleginnen gestellt. Ich darf mich für Ihre Antworten bedanken.
Mit freundlichen Grüßen
Heribert Karsch
Sehr geehrter Herr Karsch,
Gerne teile ich Ihnen meine Position zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA mit.
1. Sind Sie für den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den USA?
Grundsätzlich ja, denn das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA birgt ohne Zweifel große Chancen mit enormen Vorteilen für die Allgemeinheit. Ein wichtiges Ziel der Verhandlungen ist es, eine Vielzahl an Barrieren abzubauen. Davon profitieren alle Handelspartner, denn geringere Zölle und weniger Bürokratie vermindern sowohl den Geld- als auch Zeitaufwand.
Dazu kommt, dass ein Freihandelsabkommen nicht nur amerikanischen Investoren erleichtern würde, innerhalb der EU zu investieren, sondern eben auch andersherum. Von einem Freihandelsabkommen könnten nicht zuletzt auch die Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks profitieren. Denn sie werden es einfacher haben, Waren und Dienstleistungen zu kaufen und zu verkaufen. Dazu kommt, dass eine Vertiefung des Handels mit den USA, allen EU-Staaten die Chance auf ein erhöhtes Wirtschaftswachstum bescheren könnte und damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Es gibt also zunächst mal gemeinsame Interessen am Gelingen dieses Freihandelsabkommens.
2. Sind Sie dafür, dass im Rahmen des Abkommens nicht ordentliche Gerichte mit Rechtstreitigkeiten befasst werden, sondern Schiedsgerichte der WTO?
Speziell das in den Verhandlungen derzeit diskutierte Schiedsgerichtverfahren ist von vielen Seiten kritisiert worden. Es wird befürchtet, dass dadurch Standards bzw. oben genannte "Schutzniveaus" unter dem Vorwand des "Investitionsschutzes" unterlaufen werden könnten. Zudem würde sich das Schiedsgericht gewissermaßen über die Gesetzgebung der EU-Mitgliedstaaten erheben und Großkonzernen ermöglichen, sich gegen Regierungen durchzusetzen. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich alle europäischen Regierungen darauf einlassen.
Persönlich sehe ich Investitionsschutzklauseln in diesem Fall kritisch, denn diese machen in Handelsabkommen nur dann Sinn, wenn dem Justizsystem des Landes, mit dem über ein Handelsabkommen verhandelt wird, nicht vertraut wird. Aufgrund der Rechtssicherheit von Investitionen sowohl in Europa als auch in den USA ist eine Investitionsschutzklausel daher m.E. nicht notwendig.
3. Finden Sie es richtig, in Vertragsverhandlungen einzutreten, bei denen die Auswirkungen des Vertrages (Implications)beispielsweise im landwirtschaftlichen Bereich (Stichwort "Genfood") gutachtlich noch nicht bekannt sind und voraussichtlich erst im November 2014 - möglicherweise erst nach Vertragsabschluss - bekannt werden?
Meines Erachtens haben wir noch einen langen Weg zu gehen, bis das wir näheres über Inhalt und Zustandekommen des Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wissen werden. Aufgrund der vielen Bereiche, welche vom Freihandelsabkommen berührt werden, wird die EU sich voraussichtlich im November 2014 noch mitten in den Verhandlungen befinden. Mit anderen Worten besteht meines Erachtens nicht die Gefahr, dass diese Gutachten nicht rechtzeitig fertig werden könnten.
4. Finden Sie es richtig, dass die EU die Krümmung der Gurke, die Lagerung von Käse und ähnliche Dinge reglementiert und mit dem Freihandelsabkommen möglicherweise einen Scheunentor für den Import von Genprodukten öffnet?
Was die Regelung der Gurkenkrümmung betrifft, so ist dies sicherlich ein sehr gutes Beispiel für die, oft zu Recht, kritisierte Regelungswut der EU. Gleichzeitig zeigt aber auch dieses Beispiel wie kein anderes, dass die EU oft für Regelungen als Sündenbock herhalten muss, welche nicht "auf ihrem Mist gewachsen" ist. Die Regelung der Krümmung der Gurke stammt von der UN-Wirtschaftskommission im Jahre 1968 und wurde ab Juli 2009 - entgegen dem Wiederstand einiger Mitgliedsländer - auf Initiative der Kommission abgeschafft.
Was den Import von Genprodukten in die gesamte EU betrifft, so sähe auch ich eine solche Bestimmung äußerst ungern. Ein solches Abkommen stände vollkommen entgegen meinen Überzeugungen, wie Sie auch aus meinem Abstimmverhalten entnehmen können. Ich habe mich stets dafür eingesetzt, dass Mitgliedsstaaten die Möglichkeit haben, auf ihrem Gebiet die Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen einzuschränken oder zu verbieten. Dies können sie auch dem folgenden Link entnehmen: http://www.votewatch.eu/en/possibility-for-member-states-to-restrict-or-prohibit-the-cultivation-of-gmos-in-their-territory-dra-3.html
Es gibt jedoch meines Erachtens durchaus auch Ausnahmen, wie etwa im medizinischen Bereich der Gentechnik.
5. Finden Sie es auch richtig, dass die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen?
Wie Sie schon richtig in Ihrer Frage implizieren, darf die EU meines Erachtens nicht unbedacht an die Verhandlungen gehen. Gerade weil wir als FDP das Transatlantische Freihandelsabkommen begrüßen, sehe ich den aktuellen Verlauf der Verhandlungen kritisch. Es gibt inzwischen unzählige Gerüchte über negative Konsequenzen, welche nicht entkräftet werden können, da niemand Zugang zu den Textentwürfen hat. Deshalb kritisiere ich diese Art der geheimen Verhandlungsführung hinter verschlossenen Türen scharf. Im Jahr 2014 ist eine solche Vorgehensweise weder zeitgemäß noch akzeptabel. Wir haben bereits bei ACTA erlebt, dass eine solche Geheimhaltung einem Abkommen den Todesstoß versetzen kann. Deshalb fordere ich die Zugänglichmachung der Texte. Es muss Druck auf Brüssel und Washington ausgeübt werden, die Verhandlungen offen und transparent zu führen.
In der Hoffnung Ihnen weiterhelfen zu können
Nadja Hirsch