Frage an Michael Linnerer von Ulrich O. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Linnerer,
als Lehrer beschäftigt mich das Thema soziale Gerechtigkeit nicht nur von Berufs wegen, sondern auch aus persönlichem Interesse heraus.
Im Armutsbericht der Bundesregierung wird klar formuliert, dass die Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen mittel- und langfristig den sozialen Frieden im Land gefährden könnte. Die Gründe dafür sind Ihnen sicher bekannt, ebenso wie die Tatsache, dass sozial schwache Personen der Geburtsjahre 1970-86 deutlich verminderte Aufstiegschancen haben ( http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/armutsbericht-zu-arm-zu-reich-1.3431893 ). Plakativ formuliert: Arm bleibt arm und reich bleibt reich.
Im Landkreis Rosenheim wird dies sehr deutlich: Während Luxusbauprojekte in Bestlagen aus dem Boden schießen, ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware - eine Entwicklung, die auf viele Ballungsräume zutrifft.
Wie planen Sie das Thema soziale Gerechtigkeit im anstehenden Wahlkampf zu thematisieren? Wie planen Sie - wenn überhaupt - eine Umverteilung des Vermögens voranzutreiben?
Aus meiner Sicht wäre hier besonders eine Reform der Erbschaftssteuer ein wichtiges Thema, da derzeit 200 Mrd. vererbten Vermögen lediglich Steuereinnahmen von 5 Mrd. pro Jahr gegenüberstehen. Durch die gültigen Freibeträge kann ein 30-jähriger Millionenerbe (im Landkreis gibt es einige) ein quasi steuerfreies Vermögen von 2,4 Mio Euro erhalten. Legt er/sie dieses in Aktien an, so fällt ein lächerlich niedriger Betrag für Kapitalertragssteuern an - ein einfacher Arbeitnehmer müsste für den Aufbau eines derartigen Vermögens jedoch um die 5 Mio Euro erarbeiten. Die kumulierten Folgen einer derartigen Bevorzugung privilegierter Gesellschaftsschichten sind derzeit noch nicht absehbar, doch sicher nicht positiv.
Wie also setzen Sie sich für finanzielle und soziale Gerechtigkeit und gegebenenfalls auch Umverteilung ein?
Vielen Dank für Ihre Mühen
U. O.
Sehr geehrter Herr O.,
Ihren Schilderungen von sozialer Ungerechtigkeit, die auch in unserer wirtschaftsstarken Region Rosenheim allgegenwärtig sind, stimme ich voll zu. Als Sprachheilschüler (1.-4.Klasse), Hauptschüler und Sohn einer Selbständigen/Arbeiter-Familie, der über den zweiten Bildungsweg zu seinem Studium und beruflichen Erfolg gekommen ist, verfolge ich alle Meldungen und Statistiken zu diesem Thema aus Eigeninteresse sehr genau. Insbesondere in Bayern bestimmt die Bildung des Elternhauses den Werdegang des Kindes. Ich finde Talente und Begabungen der Kinder müssen sich frühzeitig frei entfalten können, damit Jeder eine Chance zum sozialen Aufstieg hat. Wie Ihnen ist mir dieser soziale Aufstieg ein Herzensthema. *Beste Bildung* schafft die Voraussetzung dafür. Das Elternhaus oder die Lebenssituation dürfen nicht allein für das Bildungsziel ausschlaggebend sein, sondern vorrangig eigenes Engagement und Leistungswille. Eine reine Umverteilung – wie sie vorschlagen - sehe ich als nicht zielführend, da sie lediglich für einen kurzen Augenblick eine leichte Abfederung für die Betroffenen schaffen kann. Ich möchte vielmehr allen Kindern das *beste Rüstzeug* mitgeben – Ihnen quasi das „Brunnen bauen und warten beibringen“ anstatt mit „Wasser zu versorgen“ und somit weiterhin in Abhängigkeit zu halten.
Für mich ist deswegen der einzige Lösungsweg zu sozialer Gerechtigkeit über die Bildung und Ausbildung der jungen Erwachsenen. Dieser Werdegang beginnt bereits im Kindergartenalter. Ich fordere deshalb, dass alle Kinder, Schüler und Auszubildende die besten räumlichen, personellen und finanziellen Rahmenbedingungen vorfinden, d.h. auch die besten Pädagogen und Erzieher. Unsere Schulen müssen durchgängig mit digitalen Medien ausgestattet werden. Die notwendige Medienkompetenz muss bei den Lehrern wie bei den Schülern erreicht werden.
Die Realisierung eines inklusiven Bildungssystems bei dem unabhängig von Bildungsort, Schulform und Ausbildungsgang das Kindeswohl und das Wohl der Jugendlichen im Mittelpunkt stehen, ist mir äußerst wichtig. Zu einem inklusiven Schulsystem gehören gerade deshalb auch gut ausgestattete Förderschulen, um Wahlfreiheit und Chancengleichheit zu gewährleisten. Verbindliche Qualitätsstandards für den inklusiven Unterricht sind erforderlich, genauso wie intensive Sprachförderung bereits vor der Einschulung.
Daneben muss die Verbindung aus praktischem Arbeiten und theoretischem Lernen sowie der Ausbau europäischer Austauschprogramme für alle Auszubildenden und Studenten gegeben sein. Die Gleichstellung von Meisterausbildung und Hochschulabschluss und unsere erfolgreiche duale Ausbildung, müssen wir aufwerten und stärken.
Gerne erläutere ich Ihnen meinen Standpunkt noch ausführlicher (Sie sind ja als Lehrer bestens in der von mir geschilderten Materie) bei einem persönlichen Gespräch an einem unserer Veranstaltungen in der Region Rosenheim.
Viele Grüße,
Dipl.-Inf. Michael Linnerer