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Frage von Hendrikje t. •

Frage an Matthias Bartke von Hendrikje t. bezüglich Menschenrechte

Sehr geehrter Hr. Bartke, Hallo.

Zum Themenkomplex OEG ist es derzeit so, dass Menschen, die unter den Folgen frühkindlichen langanhaltenden körperlich/emotional und/oder sexuellen Missbrauch keinerlei Ansprüche auf OEG haben. Betroffene werden so systembedingt leider mit großen existenziellen Ängsten konfrontiert. Durch diese Sorge gehen erhebliche Ressourcen, die für eine Gesundung benötigt werden, verloren. Die Folge sind längere und schwere Krankheitsverläuf. Also defizit - und nicht ressourcenorientiert. Gleichzeitig sind die Verfahren für Betroffene und in Verbindung mit dem Strafgesetz retraumatisierend. Ich denke, dass es eine Entkoppelung benötigt und auch die Notwendigkeit der psychologischen Begutachtung und Anerkennung traumaspezifischer Theorien in der Anerkennung beim OEG ntwendig sind. Die Abänderung für 2024 wird derzeitigen Verfahren nicht gerecht - zum Leidtragen von Betroffene. Gibt es hier eine Möglichkeit, dass sich dieser Sachverhalt verbessert und verändert? Und kann ich dabei unterstützen?

vg
H. t. B.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau t. B.,

vielen Dank für Ihre Frage zum Opferentschädigungsrecht. Vergangenes Jahr haben wir die Soziale Entschädigung grundlegend reformiert. Ziel der Reform war auch, Opfer von sexueller Gewalt besser zu stellen. Das haben wir durch verschiedene Gesetzesänderungen erreicht.

Im Gesetzgebungsverfahren wurde deutlich, dass es den Verbänden und den Regierungsfraktionen wichtig ist, dass alle Formen sexualisierter Gewalt vom Tatbestand des § 13 SGB XIV umfasst sind. Dies haben wir mit einem Änderungsantrag klargestellt. Durch die Änderung wurden ausdrücklich auch besonders gravierende Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in die beispielhafte Aufzählung von schwerwiegendem Verhalten nach § 13 Absatz 2 SGB XIV aufgenommen.

In der Tat ist die Verzahnung mit dem Strafrecht für Opfer oft retraumatisierend. Deshalb wurde im neuen Gesetz klargestellt, dass Betroffene nur insofern zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen haben, als dies ihnen zumutbar ist. Das heißt, die bisherige Pflicht zur Erstattung einer Strafanzeige gegen den Täter entfällt. Unzumutbarkeit kommt beispielsweise bei Minderjährigen oder bei einer verwandtschaftlichen, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung zum Täter oder zur Täterin in Betracht. Die Situation von Betroffenen häuslicher Gewalt wird verbessert. Dazu gehört auch, dass der Verbleib in einer häuslichen Gemeinschaft mit einem Schädiger nicht grundsätzlich als vorwerfbare Selbstgefährdung gewertet werden soll.

Opfer sexualisierter Gewalt haben nach aktuellem Recht oftmals Schwierigkeiten, ihren Anspruch auf SER-Leistungen anerkannt zu bekommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gewalttat länger zurückliegt. Dann ist regelmäßig der für eine Leistungserbringung erforderliche Nachweis der Kausalität zwischen der Gewalttat, des dadurch verursachten Gesundheitsschadens und der darauf beruhenden Schädigungsfolgen (z. B. Vergewaltigung > psychisches Trauma > Depressionen) nur schwer zu erbringen. Schädigungsfolgen sind zumeist psychische Störungen. Liegt die Tat Jahrzehnte zurück und haben seitdem weitere belastende Ereignisse stattgefunden, lassen sich Schädigung und/oder Schädigungsfolgen nicht (mehr) eindeutig oder mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf die sexuelle Gewalt zurückführen.

Das SGB XIV enthält deshalb eine sehr weitgehende Vermutungsregelung zum Nachweis der Kausalität zugunsten von Opfern. Nach dieser Vermutungsregelung wird bei psychischen Gesundheitsstörungen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs vermutet, wenn nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft Tatsachen vorliegen, die dafürsprechen, dass zwischen erlittener Tat, gesundheitlicher Schädigung und Schädigungsfolgen ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Ich denke, durch diese drei hier erläuterten Reformschritte können wir Opfer von sexuellem Missbrauch in Zukunft besser durch die Hilfen der sozialen Entschädigung unterstützen.

Ich will aber nicht verhehlen, dass auch ich mir ein früheres Inkrafttreten des SGB XIV gewünscht hätte. Dies war leider mit den Ländern, die Träger der Sozialen Entschädigung sind, nicht zu machen. Sie betonten immer wieder, dass die notwendige Umstellung der Verwaltung eine angemessene Vorbereitungszeit braucht. Stichtage erscheinen im Gesetz immer als harte Grenze, die Ungerechtigkeiten hervorrufen kann. Bisweilen kommt die Gesetzgebung aber nicht ohne sie aus, damit das Recht auch ausführbar bleibt.

Nicht zuletzt gibt es schon heute als Auffangnetz der niederschwellige Fonds "Sexueller Missbrauch im familiären Bereich", den wir finanziell fortführen. Auch dies bedeutet für Betroffene anhaltende ergänzende Unterstützungsleistungen.

Immerhin ist es im Gesetzgebungsverfahren gelungen, die Traumaambulanzen schon zum Jahr 2021 einzuführen. Betroffene können dorthin gehen, wenn die traumatischen Erinnerungen wieder auftauchen, und das auch Jahre später, nachdem das schädigende Ereignis stattgefunden hat. Es ist wichtig, dass sie flächendeckend und so schnell wie möglich eingerichtet werden. Außerdem sollen die Länder im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Einrichtungen von spezialisierten Traumaambulanzen für Kinder und Jugendliche vorantreiben.

Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, noch in diesem Jahr eine Initiative zu starten, um die Qualifizierung von Beschäftigten in Traumaambulanzen zu unterstützen. Dies kann z.B. durch wissenschaftliche Modellvorhaben in Kooperation mit den für die Traumaambulanzen zuständigen Landesbehörden geschehen. Gerne können Sie sich an die Landesbehörde in Ihrem Bundesland wenden (das müsste meines Wissens nach der Landschaftsverband Rheinland sein), um sich nach dem aktuellen Stand zu erkundigen und Ihre Unterstützung dort anzubieten.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Bartke