Frage an Matthias Bartke von Angela S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Bartke,
ich habe eine Frage zur Diskussion um eine Pflichtversicherung von Selbstständigen und Freiberuflern:
Welchen Sinn würde eine solche in der GRV machen insbesondere als Alternative zu einer freien Vorsorge(-Nachweis-)pflicht?
Was hat ein solches Modell mit der Lebensrealität von (zumindest Solo-)Selbstständigen zu tun?
Und von was genau sollte das bezahlt werden? GKV-Beitrag von 15,5% plus GRV-Beitrag von ca 20% plus Krankentagegeldversicherung plus BU-Versicherung plus die angeratene zusätzliche private Vorsorge zur gesetzlichen Rente plus Steuern? ? ?
Geht es da um Existenzsicherung der Menschen oder der GRV?
Mit aufgebracht-freundlichem Gruß und Dank für eine Antwort.
Sehr geehrte Frau Schubert,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zur Pflichtversicherung von Selbstständigen und Freiberuflern.
Die bislang fehlende Verpflichtung zur Altersvorsorge für den Großteil (etwa drei Viertel) aller Selbständigen führt zu einer erheblichen Sicherungslücke in diesem Zweig der Sozialversicherung. Selbständigkeit wird zu einem Synonym für drohende Altersarmut. Auch bietet sie einen Anreiz für Arbeitgeber, Druck auf ihre Beschäftigten auszuüben, eine bislang sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in eine selbständige Tätigkeit umzuwandeln. Ich finde das schlecht.
Daher setze ich mich für eine Erwerbstätigenversicherung ein, in die möglichst alle Beschäftigten in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen. Eine Ausdehnung der Versicherungspflicht auf alle Selbständigen würde Sicherungslücken und der Gefahr der Altersarmut insbesondere im Bereich der geringer verdienenden (Solo-)Selbständigen und von Erwerbstätigen, die mehrfach ihre Erwerbstätigkeitsform wechseln, vorbeugen. Gleichzeitig wäre ein Rückgriff auf die steuerfinanzierte Grundsicherung von dauerhaft geringverdienenden Selbständigen ohne jegliche vorherige Eigenleistungen verhindert.
Allerdings kann das nur schrittweise gelingen. Denn die gesetzliche Rentenversicherung hat in der Vergangenheit bestimmte Gruppen von Selbständigen und Freiberuflern nicht einbezogen, weshalb sich in vielen Berufen berufsständische Versorgungswerke gegründet haben. Die SPD will den Fokus daher in erster Linie auf die Einbeziehung von solchen Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung richten, die nicht in einem Versorgungswerk pflichtversichert sind. Grund dafür ist der Schutz des Vertrauens der bereits selbstständig Tätigen in die von ihnen getroffenen Vorsorgedispositionen.
Sehr geehrte Frau Schubert, die Altersvorsorge aller Bürgerinnen und Bürger ist mir ein wichtiges Anliegen. Ich bin aber für eine umfassende Interessenabwägung, die den Besonderheiten der selbstständigen Arbeit Rechnung trägt. Das schwankende und vor allem das niedrige Einkommen mancher Selbstständigen sowie die fehlende paritätische Finanzierung durch einen Arbeitgeber müssen mitberücksichtigt werden.
Sozialministerin Andrea Nahles hat letzte Woche ein umfassendes Konzept zur Alterssicherung vorgelegt, die diesen Besonderheiten Rechnung trägt. Die Versicherungspflicht soll vor allem für jüngere Selbstständige gelten. Geringfügig selbstständig Tätige werden – weiterhin – versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung sein. Auch für die wirtschaftlich oft schwierige Phase der Existenzgründung wird ein einjähriges Befreiungsrecht gewährleistet. Selbstständige können außerdem die Beiträge an ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anpassen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Bartke