Frage an Markus Ferber von Horst-R. Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Haben unsere Volksvertreter noch das „Wohl“ der Bevölkerung im Auge oder dreht sich alles nur um sogenannte „politische Notwendigkeiten“?
Im Sinn der Bürger liegt es nicht, wenn die EU darauf drängt, daß auch unsere Nachbarn die Benzinsteuer erhöhen und so der deutschen angleichen. Viel mehr würden es die Menschen begrüßen, wenn die extrem hohe deutsche Benzin- und Mine-ralölsteuer gesenkt würde. Das hätte den unübersehbaren Vorteil, daß die Rentner und Hartz IV-Empfänger automatisch, das heißt ohne großen bürokratischen Aufwand entlastet würden und die hohen Lebenshaltungskosten nicht zu-sätzlich durch eine Aufstockung der Bezüge subventioniert werden müßten. Eine Einebnung der Steuern in der EU ist nicht wünschenswert, weil sie einen gesunden Wettbewerb verhindert. Die Schweiz ist nicht zugrunde gegangen, obwohl sie bei den Steuern unterschiedliche Meßlatten in den einzelnen Kantonen zuläßt.
Es gab einmal eine Zeit, da war die CSU der Meinung, daß alle Verhältnisse, die auf einer unteren Ebene geordnet werden können, auch dort zu regeln sind. Wes- halb die EU vorschreiben muß, wer mit welchem Feuerwehrauto fahren darf, ist nicht einzusehen. Vor allem sind die Kosten ärgerlich, die durch diese wie alle übrigen unnötigen Vorschriften der EU entstehen.
Die kostspielige Gleichmacherei in Randgebieten steht in krassem Gegensatz zum demokratischen Grundsatz, daß jedem Wähler eine Stimme zusteht: „One man, one vote.“ Die Stimmenverteilung in der EU hält sich leider nicht an diese elemen- tare Regel. Auch sonst gibt es ja eine Menge Ausnahmen. Wie wäre es: Wem die Bedingungen nicht gefallen, braucht der EU nicht beizutreten.
Sehr geehrter Herr Zocher,
vielen Dank für Ihre interessante Anfrage, die mich über Abgeordnetenwatch erreicht hat und zu der ich natürlich gerne Stellung nehmen möchte.
Zu den von Ihnen gemachten Äußerungen zum Thema Mineralölsteuer möchte ich zunächst generell anmerken, dass die Steuerhoheit in der Europäischen Union den Mitgliedstaaten vorbehalten ist. Sofern es sich um indirekte Steuern handelt, ist die EU gemäß Art. 93 EGV nur dann zuständig, sollte es für das Funktionieren des Binnenmarkts vonnöten sein.
Für Mineralöl gelten in der EU gemeinschaftliche Mindestsätze, wobei diese Mindestwerte von den in den Mitgliedstaaten angewandten "Steuerbeträgen" nicht unterschritten werden dürfen. Die Festsetzung der letztendlichen Höhe des Steuersatzes obliegt dabei allein der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Diese Mindeststeuersätze wurden mit der Richtlinie 2003/96/EG auf Kohle, Erdgas und elektrischen Strom ausgedehnt. Ziel dieser Maßnahme ist es, zum einen bestehende Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund unterschiedlicher Steuersätze abzubauen, zum anderen Wettbewerbsverzerrungen zwischen Mineralölen und anderen Energieerzeugnissen zu verringern.
Gemeinschaftliche Regelungen im Bereich der indirekten Steuern werden auf Vorschlag der Europäischen Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments sowie des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom Rat einstimmig beschlossen. Dementsprechend sind Harmonisierungsbestrebungen und damit eine Angleichung der Mineralölsteuersätze nur sehr schwer durchzusetzen. Allerdings halte ich gerade dies aus dem Grund für bedeutend, da so das Problem des "Tanktourismus", wodurch nicht nur die Umwelt mehr belastet, sondern dem deutschen Staat ebenso Steuereinnahmen verloren gehen, angegangen werden könnte. Einen entsprechenden Vorschlag zur Anhebung und damit Angleichung der Mindeststeuersätze hat die Europäische Kommission bereits 2007 für gewerblich genutzten Dieselkraftstoff vorgelegt, wodurch die Wettbewerbsnachteile für deutsche Speditionen etwas ausgeglichen werden könnten. Denn meiner Ansicht nach verhindert eine Angleichung der Steuern nicht einen gesunden Wettbewerb, wie Sie es formuliert haben, vielmehr schafft dies gerechtere Voraussetzungen für die Unternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten.
Zu dem von Ihnen als zweites angeführten Punkt möchte ich Ihnen versichern, dass gerade wir Europaabgeordneten bei Gesetzesvorschlägen der Europäischen Kommission stets darauf achten, dass das Subsidiaritätsprinzip gewahrt ist und dementsprechend Probleme auf der kleinstmöglichen Ebene gelöst werden. Das Subsidiaritätsprinzip wird mit dem Vertrag von Lissabon sogar noch gestärkt, indem etwa die Einspruchsfrist der nationalen Parlamente auf einen Kommissionsvorschlag verlängert wurde. Die EU sollte nur dann regulatorisch eingreifen, sofern es für ein Funktionieren des Binnenmarkts und somit für das Schaffen gleicher Wettbewerbsbedingungen und Voraussetzungen für alle Staaten von Bedeutung ist.
Dies betrifft auch die Vorschriften im Straßenverkehr, wie die von Ihnen angesprochenen Regelungen bezüglich des EU-Führerscheins. Die 1. Führerscheinrichtlinie stammt aus dem Jahr 1991. Da ich meine Tätigkeit als Europaabgeordneter aber erst im Jahr 1994 aufgenommen habe, war ich an deren Entstehung nicht beteiligt. Mit dieser ersten Richtlinie wurden die Bedingungen für die Erteilung eines nationalen Führerscheins angeglichen, um die gegenseitige Anerkennung EU-weit zu ermöglichen und die Teilnahme am innergemeinschaftlichen Verkehr zu erleichtern. In dieser Richtlinie wurde auch die heute bekannte Einteilung in die verschiedenen Klassen vorgenommen. Die einzige Änderung im Rahmen der zweiten Führerscheinrichtlinie war die Einführung des Kartenmodells. Mittlerweile wurde mit der Richtlinie 2006/126/EG die dritte Führerscheinrichtlinie erlassen. Ich weiß natürlich um die Problematik, die sich aus der 1. Richtlinie für die Feuerwehren in Deutschland ergeben hat. Dementsprechend habe ich auch versucht, im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zur dritten Richtlinie entsprechende Ausnahmeregelungen einzubringen, was aber aufgrund der Tatsache, dass in den anderen EU-Mitgliedstaaten keine Probleme in diesem Bereich bestehen, bedauerlicherweise nicht möglich war.
Bezüglich der von Ihnen angesprochenen Stimmenverteilung in der EU, betrachtet man nur einmal das Europäische Parlament, ist die Sitzverteilung im Hinblick auf die Bevölkerungsstärke der Staaten nicht absolut repräsentativ, auch wenn sich dies mit der Neuverteilung der Sitze im Zuge der Aufnahme der osteuropäischen Länder verbessert hat. D.h. ein deutscher Abgeordneter hat mehr Bürger zu vertreten, als ein Abgeordneter eines kleineren Staates. Deutschland ist als bevölkerungsstärkstes Land mit 99 Abgeordneten vertreten, im Gegensatz dazu hat Malta als bevölkerungsärmster Mitgliedstaat fünf. Aber es entspricht doch auch dem demokratischen Prinzip, dass aus Gründen der Gerechtigkeit einem verhältnismäßig kleinen Staat durch eine Mindestanzahl von fünf Abgeordneten überhaupt erst eine Chance auf angemessene Beteiligung gegeben wird.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass natürlich kein Land der EU beitreten muss, sollten ihm die "Bedingungen" nicht gefallen. Die Möglichkeit von sogenannten "Opt-outs", wie es etwa bei Großbritannien im Hinblick auf den Schengen-Raum oder den Euro der Fall ist, kommt nur in Ausnahmefällen zum Tragen und auch nur dann, wenn nach langen Verhandlungen keine Einigung erzielt werden kann, das Vorhaben aber weiterhin als für die Gemeinschaft bedeutend eingestuft wird.
Ich hoffe sehr, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Ferber, MdEP